Licht in die Grauzone bringen
300000 bis 600000 Personen aus Osteuropa versorgen als sogenannte "Live-ins" Pflegebedürftige in deutschen Haushalten. Dass es nur Schätzungen über diese Zahl gibt, sagt schon viel über diesen Bereich aus. Er stellt sich als Grauzone dar, die alles zu bieten hat: Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit, fehlende Kranken- und Sozialversicherung, mangelnden Arbeitsschutz, aber vor allem eins: Ausbeutung.
Fakt ist: Zu den Bedingungen der deutschen Pflegeversicherung ist eine häusliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung für die wenigsten betroffenen Haushalte zu bezahlen. Der Markt hat sich hier seine eigene "Lösung" gesucht. Fakt ist aber auch: Ohne das Armutsgefälle in Europa wäre diese "Lösung" nicht möglich. Ähnlich wie in der Fleischindustrie hat sich so über viele Jahre hinweg ein fragwürdiges Geschäftsmodell etabliert, ein schwungvoller Handel mit "human resources" von Ost nach West. "Liebevolle Frauen", für kleines Geld rund um die Uhr im Einsatz, das ist ja so verlockend und scheint auch jederzeit möglich, wie die zahllosen Vermittlungsagenturen im Web versichern.
Alternative Modelle, wie das vom Diözesan-Caritasverband Paderborn seit 2009 in Kooperation mit Caritas Polen aufgebaute Projekt "CariFair", konnten nie flächendeckend realisiert werden. Ein Grund besteht bis heute darin, dass die wenigsten örtlichen Caritasverbände in der Lage sind, den erheblichen Aufwand für die vorgesehene Begleitung der polnischen Frauen zu stemmen. Umso mehr ist zu begrüßen, dass nach jahrelangem Wegschauen die Politik das Thema der illegal Beschäftigten in deutschen Privathaushalten endlich auf die Agenda gesetzt hat.
Der Vorstoß der SPD-Fraktion im NRW-Landtag ist ein erstes, aber wichtiges Signal. Am Ende müssen klare Regeln für faire und menschenwürdige Arbeitsverhältnisse stehen. Die Bewältigung der Notsituationen, in denen sich Familien mit Pflegebedürftigen befinden, darf nicht mit dem Elend von Frauen aus Osteuropa erkauft werden. Die Grauzone muss sich endlich lichten.
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