Geflüchtete Frauen am Arbeitsmarkt besser fördern!
Das muss sich ändern, fordert die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege in ihrem Arbeitslosenreport.
Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogen Ende 2019 knapp 69600 geflüchtete Frauen im erwerbsfähigen Alter Hartz-IV-Leistungen, aber nur 7300 wurden mit einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gefördert. "Das passt nicht zusammen", sagt Dr. Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der LAG Freie Wohlfahrtspflege. "Unser Land sollte ein hohes Interesse daran haben, auch diesen Frauen rasch umfassende berufliche Teilhabe zu ermöglichen." Geflüchtete Frauen sind laut Arbeitslosenreport 2/2020 im Vergleich zu geflüchteten Männern bei der arbeitsmarktpolitischen Förderung deutlich unterrepräsentiert. Das Verhältnis beträgt eins zu drei, auf jede geförderte Frau kommen drei geförderte Männer. Das ist deutlich weniger, als es dem Anteil der Frauen an den Arbeitslosen zufolge sein müsste. Die BA müsse sich offensichtlich stärker anstrengen, um Gleichberechtigung bei der Förderung in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Geflüchtete herzustellen, fordert Hensel.
Damit sie überhaupt arbeiten oder sich qualifizieren können, brauchen viele geflüchtete Frauen bedarfsorientierte und flexible Angebote der Kinderbetreuung und Bildungs- und Qualifizierungsangebote in Teilzeit. "Gerade wenn es um Rollenbilder und Geschlechterstereotype geht, lernen Kinder von ihren Eltern. Deshalb ist es wichtig, die zu uns geflüchteten Frauen schon heute auf ihrem Weg zu mehr selbstbestimmter Teilhabe am Arbeitsleben zu unterstützen. Dann lernen das gleich auch die Kinder für ihre eigene Zukunft", sagt Hensel.
Es sei übrigens ein Vorurteil und daher falsch, geflüchteten Frauen pauschal fehlende Bildung und mangelnde Kompetenzen zu unterstellen, warnt Hensel und kritisiert die Datenbasis der BA. In deren Statistik fehlten bei 25 Prozent der geflüchteten Frauen Angaben zum Schulabschluss und bei drei Prozent Angaben zum Berufsabschluss. "Hier muss in den Arbeitsagenturen dringend noch einmal genau hingeschaut und ggf. in den Erfassungsunterlagen nachgebessert werden", fordert Hensel.
Aus der Praxis ihrer Dienste und Einrichtungen wüssten die Wohlfahrtsverbände, dass viele geflüchtete Frauen aus ihren Herkunftsländern durchaus beachtliche Berufserfahrung mitbrächten. Die werde jedoch im hoch differenzierten und stark segmentierten deutschen System der beruflichen Bildung oft nicht anerkannt. Viele hätten in ihren Herkunftsländern jahrelang Schulen, Berufskollegs und Universitäten besucht, diese dann aber auf der Flucht vor Krieg und Gewalt vorzeitig ohne Prüfungen und Papiere verlassen müssen.
Hensel: "So richtig es ist, dass viele geflüchtete Frauen immer noch einen hohen Förderbedarf haben - den wir adäquat erfüllen müssen -, so wichtig ist es auch, ihre Interessen wertschätzend ernst zu nehmen. Statt erwachsene Menschen als formal ‚unqualifiziert‘ noch einmal auf die lange Schulbank zu schieben, müssen wir Kompetenzen, die im Herkunftsland in Schule und Beruf bereits erworben wurden, viel sorgfältiger erfassen, anerkennen und wertschätzen, selbst wenn das formale Zertifikat fehlt."
Hensel schlug vor, gut konzipierte "Quereinstiegsprogramme" aufzulegen. Diese könnten helfen, Qualifikationswege abzukürzen und noch fehlende formale und sprachliche Kompetenzen sogar berufsbegleitend zu erwerben. Die Freie Wohlfahrtspflege habe jüngst einen konkreten Vorschlag für ein neues ESF-Landesprogramm zur Fachkräfteentwicklung für soziale und pflegerische Berufe vorgelegt, das gleichzeitig auch Teil einer Antwort auf den Fachkräftemangel sein könnte.
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