Land und Kirchen bitten Heimopfer um Verzeihung
André Kuper: „Das erlebte Leid und Unrecht werden hier öffentlich sichtbar“Landtag NRW/Bernd Schälte
Was mich beschämt, ist die Tatsache, dass der Staat Sie nicht schützen konnte", sagte Landtagspräsident André Kuper bei einer Veranstaltung im Landtag. Nach Jahrzehnten des Schweigens müsse das Thema jetzt "in die Mitte unserer Gesellschaft". Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte, wie die Opfer ihre Leiden nie vergessen könnten, so "dürfen wir als Kirche und Gesellschaft niemals vergessen, was geschehen ist und wie es geschehen konnte". Dieses Nicht-Vergessen müsse einhergehen "mit einem glasklaren ‚Nie wieder‘". "Ich möchte Sie im Namen der gesamten katholischen Kirche in Nordrhein-Westfalen aufrichtig um Entschuldigung, um Verzeihung, um Vergebung bitten", sagte der Kardinal. Tausende Menschen hatten als Minderjährige in der Bundesrepublik bis 1975 (bis zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe) in stationären Einrichtungen der Psychiatrie oder Behindertenhilfe Leid und Unrecht erfahren.
Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von einer "schweren Schuld", die Land und Gesellschaft auf sich geladen hätten. "Wir haben den Schwächsten in unserer Gesellschaft den nötigen Schutz und ein Leben in Würde versagt. Ich weiß, dass es dafür keine Entschuldigung geben kann. Aber für das Land Nordrhein-Westfalen sage ich aus tiefstem Herzen: Es tut mir unendlich leid", so der Minister. So etwas dürfe nie wieder passieren. Er sei zuversichtlich, dass wir heute in den Einrichtungen viele gut ausgebildete Beschäftigte mit Zivilcourage hätten, die das verhindern würden. Laumann dankte den Betroffenen für ihre Beharrlichkeit im Ringen um Anerkennung. Das erst habe zur Gründung der Stiftung "Anerkennung und Hilfe" geführt.
Bund, Länder und Kirchen hatten 2017 die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" gegründet. Dort können sich ehemalige Heimkinder bis Ende 2020 melden, um eine Entschädigungspauschale von 9.000 Euro und gegebenenfalls Rentenersatzzahlungen von bis zu 5.000 Euro zu beantragen. In NRW haben bisher rund 2000 Betroffene eine finanzielle Anerkennung erhalten.
Schwerste Misshandlungen
Mehr als 800000 Kinder und Jugendliche waren in der Nachkriegszeit in staatlichen und kirchlichen Heimen untergebracht, etwa 500000 davon in konfessionellen Einrichtungen. Laut Berichten herrschten zum Teil drastische Bedingungen - mit schweren Strafen, mangelhafter Betreuung und Zwang zur Arbeit.
Bei der Veranstaltung unter dem Titel "Zuhören - Anerkennen - Nicht vergessen!" kamen auch Opfer zu Wort. Der Betroffene Thomas Frauendienst berichtete von schwersten Misshandlungen in einem Heim. Dass er überlebt habe, sei selbst für Ärzte damals ein Wunder gewesen. Die Veranstaltung dürfe keinen Endpunkt markieren, forderte Frauendienst. Land und Kirchen müssten sich weiter für die Betroffenen einsetzen.
"Die Schilderungen der Betroffenen über das Geschehene machen einen sprach- und fassungslos. Darum ist es besonders wichtig, dass diese Menschen und ihr Schicksal heute gesehen und gehört werden", sagte die Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung, Claudia Middendorf.
KNA
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