Tausende Fachkräfte fehlen
Der Bedarf wird steigen – Pflegefachkräfte fehlenHarald Westbeld
In diesen Fällen müssten meist Familienangehörige die Pflege übernehmen. Ein Teil der abgewiesenen Personen werde auf stationäre Einrichtungen verwiesen.
Die steigende Nachfrage nach ambulanter Betreuung könne in NRW gegenwärtig nicht mehr gedeckt werden, sagte Heine-Göttelmann. In den zurückliegenden drei Jahren sei die Zahl der Hilfesuchenden für eine Betreuung in der eigenen Wohnung landesweit um 15 Prozent gestiegen. Nach einer Umfrage unter den Wohlfahrtsverbänden spricht in NRW jeder ambulante Pflegedienst pro Monat 10,5 Absagen an Pflegebedürftige aus. Dies seien insgesamt 9000 Absagen durch die Pflegedienste der Freien Wohlfahrtspflege, erläuterte der Pflegeexperte der Caritas im Bistum Münster, Eric Lanzrath. Da bei diesen Zahlen Mehrfachanfragen herausgerechnet werden müssten, sei von einer Absage an jeden 20. Pflegebedürftigen auszugehen. Den ambulanten Diensten in NRW fehlten Tausende von Fachkräften. Die ambulante Pflege müsse durch Pflege- und Krankenkassen besser finanziert werden, verlangte Lanzrath.
Arbeitsverdichtung zurückdrehen
In der Vergangenheit seien Tariferhöhungen oft nicht durch die Kostenerstattungen der Krankenkassen aufgefangen worden. Dies habe bei den ambulanten Diensten zu einer Arbeitsverdichtung und einer höheren Arbeitsbelastung der Pflegekräfte geführt.
Die zwischenzeitlich öffentlich gewordenen Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Krankenkassen zur Beachtung von Tariflöhnen zu verpflichten, begrüßte Lanzrath uneingeschränkt als wichtigen Schritt. Bislang kam es nämlich zu der paradoxen Situation, dass Pflegedienste, wenn sie Leistungen der Pflegeversicherung verhandelten, durchaus auf gezahlte Tariflöhne verweisen und entsprechende Steigerungen verhandeln konnten. Bei der häuslichen Krankenpflege, also im Regelungsbereich des SGB V, verweigerten ihnen die Krankenkassen regelmäßig dieses Recht.
Lanzrath wies darauf hin, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas längst auf dem von Spahn geforderten Niveau bezahlt würden. Um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, müsse die Leistungsverdichtung wieder zurückgedreht werden. Lanzrath schlägt eine Art "Pflegeentlastungsfaktor" für die Verhandlungen mit den Krankenkassen vor, um zukünftig mehr Zeit für Pflege erreichen zu können.
Laut Heine-Göttelmann versuchen die ambulanten Dienste, auch bei Zuwanderern Pflegekräfte zu akquirieren. Für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse gebe es aber "hohe bürokratische Hürden". Deshalb seien Asylbewerber oft zu einer komplett neuen Ausbildung in der Pflegebranche gezwungen. Inzwischen habe die Politik Verbesserungen zugesagt, damit Betroffene in Deutschland schneller in ihrem erlernten Beruf tätig werden könnten.
In NRW sind etwa 600000 Menschen pflegebedürftig. Davon werden etwa 120000 von den 850 Pflegediensten der Freien Wohlfahrtspflege versorgt. Dort sind 16000 Vollzeitkräfte tätig, darunter 10000 Fachkräfte. Etwa 160000 Pflegebedürftige leben in Einrichtungen. Der größte Teil der Pfleegbedürftigen werde immer noch von Familienangehörigen zu Hause betreut, so Lanzrath. Das sei aber rückläufig.
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