Misstrauen und Aggressivität in den Jobcentern
Da ist oft richtig Druck im Kessel: Warteraum in einem Jobcenter.Christoph Meinschäfer
Der Antrag ist heute so komplex, dass viele damit überfordert sind", sagte Christoph Eikenbusch vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn in der Sendung "Himmel und Erde", dem Magazin der Kirchen in den NRW-Lokalradios. Dabei sei der Urgedanke bei der Einführung von Hartz IV genau ein anderer gewesen: Das Verfahren sollte einfacher werden, die Klienten sollten Hilfe aus einer Hand bekommen. Im Laufe der Jahre seien dann aber Gesetzeslücken geschlossen worden und neue Leistungen hinzugekommen. Dadurch sei das Verfahren mittlerweile so komplex, "dass selbst erfahrene Sozialarbeiter Schwierigkeiten haben, das auszufüllen", sagte Eikenbusch.
Jobcenter schotten sich ab
Allein der Hauptantrag für Hartz IV hat sechs Seiten. Hinzu kommen noch die Formulare für die Angaben zu den Kindern, zur Wohnung und zum eigenen Einkommen - das sind insgesamt weitere acht Seiten. Genauso umfangreich ist auch eine Anleitung im Behördendeutsch, die beim Ausfüllen des Hauptantrags helfen soll.
Echte Unterstützung gebe es oft genug nicht einmal durch die Mitarbeiter im Jobcenter, sagte Eikenbusch: "Es gibt einige Bereiche, wo wir mit großer Sorge festgestellt haben, dass Jobcenter nur noch Adressen von Beratungsstellen rausgeben, wo sie also sich überfordert fühlen, selber Beratung anzubieten, und das an die Wohlfahrtspflege abgeben." Das sei unzulässig und mindere die Leistungsansprüche der Ratsuchenden durch Zeitversäumnisse.
Die komplizierten Formulare und die mangelhafte Beratung durch die Jobcenter führen dazu, dass Anträge unvollständig abgegeben werden oder ungenaue Angaben enthalten. Weil es zwischen den Sachbearbeitern und den Ratsuchenden "kaum noch Kontakte untereinander" gebe, werde "nicht mehr so individuell auf die Lebensverhältnisse der Menschen" eingegangen, so Eikenbusch: "Wenn Dinge unklar sind, gibt‘s keine Rückfrage, sondern es erfolgt eine Entscheidung" nach Aktenlage. Und die sei oft genug falsch.
Beratung bräuchten die Antragsteller auch bei der Frage, ob ihnen neben den Hartz-IV-Zahlungen noch weitere Leistungen zuständen. Diese müssten oft separat beantragt werden, sagte Eikenbusch. Erschwerend komme hinzu, dass die Gesetzeslage nicht immer eindeutig sei: "Gerade beim Bildungs- und Teilhabegesetz ist immer die Frage: Welche Leistung gehört in den Bereich SGB II - also Hartz IV -, und was gehört zum Bildungs- und Teilhabegesetz? Da haben wir Beispiele von Eltern, die sagen: "Da blicken wir nicht mehr durch."
Leidtragende sind hier am Ende Kinder aus finanzschwachen Familien, denen Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz beispielsweise die Teilnahme an Schulausflügen und mehrtägigen Klassenfahrten oder an einem Nachhilfeunterricht ermöglichen sollen. Doch das Personal in den Offenen Ganztagsschulen sei schon rein zeitlich nicht in der Lage, den Eltern bei der Antragstellung zu helfen, so Eikenbusch. "Und so bleiben dann Anträge liegen, die eigentlich gute Aussichten auf Erfolg hätten."