Soziale Ungleichheit kann zu Populismus führen
„Das hohe Engagement vieler Menschen, gerade auch in den Kirchengemeinden, in deren Umfeld sowie in den Caritasverbänden, war und ist nach wie vor beeindruckend. Die Kirche und ihre Caritas werden als gesellschaftliche Kraft wahrgenommen, die sich tatkräftig für die Flüchtlinge engagiert und sich gleichzeitig für faire und menschenwürdige Verfahren politisch einsetzt.“, so Caritaspräsident Peter Neher.Nicole Cronauge | Bistum Essen
Die Mittelschicht, die über Jahrzehnte hinweg "Garant eines gesellschaftlichen Zusammenhalts" gewesen sei, drohe nach unten abzusinken. Overbeck beklagte bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ein wachsendes "Auseinanderklaffen von Arm und Reich". 40 Prozent des gesamten Vermögens liege in den Händen von nur 10 Prozent der Bevölkerung. Zugleich schrumpfe die Mittelschicht, die ihre Chancen und die ihrer Kinder gefährdet sehe, so der Vorsitzende der Sozialkommission der Bischofskonferenz. "Soziale Ungleichheit kann Wohlstand, Demokratie und den Zusammenhalt unseres Gemeinwesens gefährden", betonte der Bischof. Dieser Zusammenhalt schwinde, wenn der Eindruck vorherrsche, der Aufschwung komme nur bei den Reichen an und es gehe nicht gerecht zu.
Zugleich wandte sich Overbeck gegen eine "Neiddebatte". In Deutschland sorgten hart arbeitende Menschen in der gesellschaftlichen Mitte für einen breiten Wohlstand und hohen Lebensstandard. Das gelte es wertzuschätzen, ohne dabei jene aus dem Blick zu verlieren, die nicht ausreichend Anteil am Wohlstand hätten.
Abstiegsängste der Mittelschicht
Die Mitte der Gesellschaft dürfe jedoch nicht den Eindruck haben, dass der von ihr steuerfinanzierte Sozialstaat seiner Aufgabe nicht gerecht werde. Neben den vermeintlich oder tatsächlich zu kurz Gekommenen gäben auch Menschen in gefestigten beruflichen und sozialen Verhältnissen ihrem Unmut dadurch Ausdruck, dass sie etwa Pegida und AfD unterstützten: "Wer den Populisten das Wasser abgraben will, sollte das Thema soziale Ungleichheit ernst nehmen", sagte Overbeck.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher. Abstiegsängste der Mittelschicht könnten dazu führen, dass sich die Mitte "nach unten" abschotte und die Bereitschaft zur Solidarität mit Schwächeren sinke. Armut und Ausgrenzung könnten begünstigende Faktoren für populistische Tendenzen und diffuse Ängste sein, die oft auch an Flüchtlingen abgearbeitet würden.
Die ungleiche Verteilung der Vermögen erkläre sich auch durch große Erbschaften und die Spreizung der Bruttoeinkommen, so Neher. Er verlangte eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, einen höheren Steuertarif für Zinseinkünfte und eine wirksamere Besteuerung großer Erbschaften.
Der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip führte aus, viele Menschen fühlten sich benachteiligt. Ihre Empörung führe sie dazu, sich dazu legitimiert zu sehen, nur noch an sich selbst zu denken. "So erodiert Solidarität", warnte Kruip.
KNA