Kein Grund zu feiern
„25 Jahre Rechtliche Betreuung“ – Fast 60 Geschäftsführer/-innen von Betreuungsvereinen des Caritas-Netzwerkes in NRW kamen jüngst zur Tagung ins Haus der Caritas nach Essen. Prof. Dr. Dagmar Brosey von der TH Köln berichtete aus einem aktuellen Forschungsprojekt „Qualität in der rechtlichen Betreuung“. Barbara Dannhäuser referierte zu den notwendigen Veränderungen in den Strukturen und Voraussetzungen rechtlicher Betreuung. Prof. Dr. Reiner Adler von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena stellte Ansätze vor, um die Betreuungsvereine für die Zukunft neu auszurichten und deren Profil zu schärfen. Prof. Dr. Paul-Stefan Roß blickte auf veränderte Bedingungen für die Beteiligung in Betreuungsvereinen.Christoph Grätz
Das ist nun 25 Jahre her. Einen Grund zu feiern haben wir - die Betreuungsvereine - nicht. Sicher brachten die 25 Jahre den Betroffenen mehr Rechte. Ob sie tatsächlich immer so umgesetzt werden, wie es der Gesetzgeber wollte, ist fraglich. Tatsächlich brachten die letzten Jahre steigende Betreuungszahlen, steigende Kosten, eine neue Berufsgruppe der freien Berufsbetreuer mit immer mehr Betreuungen, weniger Ehrenamtliche und Familienangehörige, aber auch mehr Vollmachten.
Aktuell kämpfen die Betreuungsvereine ums Überleben. Die Vergütungssätze für die beruflich geführten Betreuungen (und darunter fallen Vereinsbetreuer auch) sind seit 2005 nicht angepasst worden. Die Kosten, insbesondere die Personalkosten, sind im gleichen Zeitraum aber um über 20 Prozent gestiegen.
Der Bundesrat blockiert
Der Bundestag hat am 18. Mai 2017 nach langer politischer Lobbyarbeit unserer Verbände endlich die Erhöhung der Vergütung für beruflich geführte Betreuung beschlossen. Das haben die Vereine mit großer Erleichterung aufgenommen. Das Gesetz musste anschließend im Bundesrat bestätigt werden. Das wird bislang verweigert. Die Abstimmung wurde im Juli 2017 kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Immerhin wurde das Gesetz damit nicht abgelehnt. Aber die Zukunft ist ungewiss. Wir erwarten in diesen Tagen die Veröffentlichung einer Studie des Bundesjustizministeriums, die Aufschluss über die Qualität der rechtlichen Betreuung und Erkenntnisse über die Vergütungssituation geben soll. Die Auswertung der Ergebnisse und die Diskussion um gesetzliche Umsetzungserfordernisse werden sicherlich auch einige Jahre dauern. Zeit, die unsere Betreuungsvereine nicht mehr haben. Hinderlich für die aktuelle Lobbyarbeit ist der derzeitige Schwebezustand im politischen Berlin. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Koalitionsverhandlungen noch bis ins neue Jahr gehen. Erst danach wird feststehen, wie die neue Bundesregierung aussieht und welche Akzente ein neuer Justizminister setzen wird. Von unserer Seite ist alles vorbereitet, um das Thema frühzeitig platzieren zu können. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat ein entsprechendes Forderungspapier bereits unmittelbar nach der Bundestagswahl an die Generalsekretäre der im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der AfD) verschickt.
Neues Leistungsprofil
Wichtigste "Stellschraube" sind derzeit die Bundesländer. Wir sind über die verschiedenen Ebenen weiter mit ihnen und den zuständigen Ministerien im Gespräch. Besonders zu nennen sind hier NRW, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bayern und Schleswig-Holstein. Aber auch hier bekommen wir immer wieder die Rückmeldung, dass man die Erkenntnisse aus der Studie abwarten wolle. Man sei sich aber bewusst, dass Kosten auf die Länder zukommen würden. Hoffen wir, dass unsere Betreuungsvereine das noch erleben werden. Das vom Bundestag im Mai 2017 beschlossene Gesetz muss hinsichtlich seiner benannten Fristen (Inkrafttreten) ohnehin noch einmal angepasst werden und deshalb erneut durch den Bundestag.
Langfristig arbeiten wir in der verbandlichen Caritas an einem neuen Leistungsprofil der Betreuungsvereine, das unsere Kernkompetenz der Begleitung Ehrenamtlicher und Familienangehöriger deutlicher in den Vordergrund stellt. Unsere Zukunft als Betreuungsverein sehen wir in einem Kompetenzzentrum in Sachen Vorsorge und rechtlicher Betreuung, das Angebote für und mit Bürgern im Sozialraum bereitstellt. Um das zu verwirklichen, muss auch eine neue Finanzierungsstruktur entwickelt werden. Dafür benötigen wir Zeit.
Bei aller Mutlosigkeit, die sich bei einigen einstellen will: Wir müssen dranbleiben und auf Landes- und Bundesebene die Gelegenheiten, die es derzeit noch gibt oder in Kürze wieder geben wird, wahrnehmen.
Wir haben gar keine Alternative!