Jung und neu: die digitale Caritas-Aktion zur Bundestagswahl
Caritas in NRW: Was war das Ziel der Aktion "Wählt Menschlichkeit" und welche Schritte wurden geplant?
Teresa Wieland: Die Aktion war ein Versuch, die Menschen auf Facebook zu erreichen, die vor der Wahl unschlüssig waren, wen sie wählen sollen oder ob sie überhaupt wählen gehen. Wir haben dabei keine Wahlempfehlung gegeben, aber daran erinnert, was für eine Demokratie wichtig ist: Dialog, Toleranz und Respekt im Gespräch miteinander und natürlich Menschlichkeit. Im Vorfeld haben wir zusammen mit den Fachreferaten eine Handreichung geschrieben mit Antworten zu möglichen Fragen und Vorurteilen. Außerdem gab es Webinare, einen Themenplan, einen Zeitplan und vieles mehr. Am wichtigsten war jedoch, dass sich rund 80 Caritas-Kolleginnen und -kollegen aus dem ganzen Bundesgebiet bereit erklärt hatten, in den sechs Aktionswochen ehrenamtlich unsere Online-Redaktion zu unterstützen.
Caritas in NRW: Und das Ergebnis?
Teresa Wieland: Wir haben auf Facebook und Twitter mehr als 40 Postings (kleine Interview-Filme, kurze Spots und Texttafeln) veröffentlicht. Damit haben wir allein auf Facebook 3,2 Millionen Menschen erreicht. Ob wir alle zum Nachdenken gebracht haben, wissen wir nicht. Innerhalb der Caritas haben wir auch viele Menschen erreicht: Allein bei der Fotoaktion "Ich wähle Menschlichkeit" kamen über 1000 Fotos zusammen! Viele Caritas-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter haben sich engagiert und uns Fotos von Menschen innerhalb und außerhalb der Caritas geschickt. Die große Zahl hat uns sehr gefreut.
Erfolg heißt, im Dialog zu bleiben
Caritas in NRW: Wie bewerten Sie die Aktion, was sind dabei die Maßstäbe für einen Erfolg?
Teresa Wieland: Erfolg ist in den sozialen Medien bei so einem Thema schwierig zu messen. Wir wissen, dass wir in den sechs Wochen über 7800 Kommentare auf unserer Facebook-Seite hatten. Das sind wesentlich mehr, als wir sonst haben. Uns ging es aber nicht um Zahlen, sondern darum, Menschen zum Nachdenken und Diskutieren zu motivieren. So etwas lässt sich kaum messen.
Die stillen Mitleser erreichen
Teilweise wurden wir auch angefeindet oder Vorurteile gegenüber der Caritas, der Kirche, gegenüber Migranten und Flüchtlingen geäußert. In so einer Situation ist es dann schon ein Erfolg, wenn wir trotzdem mit einzelnen Personen diskutieren können. Manche wollten das dann nicht. Das ist schade. Aber mit einigen konnten wir uns ernsthaft austauschen. Bei so vielen Kommentaren wäre das ohne die Freiwilligen nicht möglich gewesen.
Caritas in NRW: Vor allem bei Facebook und Twitter erleben viele Menschen Polemik, Hetze, unglaubliche Aggressivität, Kirchenfeindlichkeit. Warum muss man sich das antun?
Teresa Wieland: Als Caritas setzen wir uns für diejenigen ein, die keine Stimme haben oder kaum gehört werden. Das wollen wir auch dann tun, wenn Vorurteile und Ausgrenzungen zum Vorschein kommen. Darauf zu reagieren ist nicht leicht. Wir wollen allerdings auch dazu Mut machen, nicht zu schweigen, sondern Stellung zu beziehen. Sowohl im Netz als auch offline. Denn es geht nicht allein um die Person, die ein Vorurteil ausspricht, sondern auch um diejenigen, die zuhören. Viele glauben sonst, weil keiner widerspricht, dass diese Person recht hat. Wenn wir dann sagen, dass wir damit nicht einverstanden sind, erreichen wir auch diese stillen Zuhörer oder Mitleser.
Caritas in NRW: Diese Aktion war für die deutsche Caritas in gewisser Weise eine neue Form der Zusammenarbeit jenseits verbandlicher Strukturen - vielleicht sollte man besser sagen "strukturübergreifend". Vorbildhaft?
Teresa Wieland: Wir haben gemerkt, dass wir mit den ehrenamtlichen Unterstützern sehr viel bewirken konnten - und es möglich ist, dass über verbandliche und fachliche Grenzen hinweg gemeinsam digital an Aufgaben und Zielen gearbeitet wird. Klar ist auch, dass kurze Aktionszeiträume eine sehr zeit-intensive Vorbereitung benötigen.
www.caritas-digital.de (Blogbeitrag)
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