Placebo-Politik
Ende September war die Situation bei den Offenen Ganztagsangeboten in den nordrhein-westfälischen Grundschulen eine ganze Woche lang Dauerthema auf fast allen Kanälen des WDR. Laut Erlass soll die freiwillige Nachmittagsbetreuung ja ein hochwertiges und umfassendes Erziehungsangebot liefern und für individuelle Förderung und Chancengleichheit sorgen. Doch diesen Anspruch löse die OGS nicht ein, hat der WDR herausgefunden und sprach von großen Qualitätsunterschieden.
Der Sender stützt sich dabei auf eine Umfrage, die er selbst durchgeführt hat. Kronzeugen seiner Analyse sind die Grundschulrektoren. Von 2812 angeschriebenen Schulen haben 754 geantwortet. Die Hauptkritikpunkte der Schulleitungen: Oft muss der Ganztag mit engen, schlecht ausgestatteten Räumen vorliebnehmen. Geld fehlt für pädagogisch gut ausgebildetes Personal, weil oft keine Tariflöhne gezahlt werden. Es gibt zu wenig qualifizierte Fachkräfte für die Hausaufgabenbetreuung, die Zusammenarbeit zwischen Grundschule und OGS funktioniert oft nicht gut. Es gibt keine landesweiten Standards zu Kosten, Betreuungsstandards und Qualifikation des eingesetzten Personals. Und es gibt nicht genügend Plätze.
Von Kommune zu Kommune ist die OGS unterschiedlich. Ausschreibungen führen manchmal dazu, dass Anbieter ohne Tarifbindung vorne liegen. Kommunale Zuschüsse liegen nach den Recherchen des WDR mal bei 2000 Euro pro Kind im Jahr, in der Nachbarstadt dagegen nur bei 0 Euro. Gute Qualität ist oft Glückssache.
Damit bestätigt der WDR die Klagen der Freien Wohlfahrtspflege, Träger von 80 Prozent der Einrichtungen (vgl. Caritas in NRW, Heft 3/2016 zum Thema OGS). Und weil der WDR nicht im Verdacht steht, eigene Interessen zu verfolgen, wird endlich auch die Politik unruhig, die ja "kein Kind zurücklassen" will. Schulministerin Löhrmann (Grüne) beeilte sich, zu versichern, man habe ja schon die Zuschüsse für die OGS erhöht.
Doch Frau Löhrmanns Antwort überzeugt nicht. Die OGS, ursprünglich als Betreuungsangebot konzipiert, erfüllt nämlich längst wichtige soziale Funktionen. Sie dient der Behebung von Bildungsnachteilen, ist ein Instrument für soziale Gerechtigkeit. Entsprechend müsste sie finanziert werden. Das weiß so kurz vor der Landtagswahl auch die Landesregierung.