Streit mit verdi-Chef Bsirske
Im Ton konziliant, in der Sache knallhart: verdi-Chef Frank BsirskeMichael Kreuzfelder
Der Essener Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes betonte beim 2. Kirchlichen Dienstgebertag, den der Unternehmerverband Soziale Dienste und Bildung sowie die Caritas im Ruhrbistum im Duisburger Haus der Unternehmer veranstalteten, das kirchliche Arbeitsrecht müsse den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts angepasst werden, habe sich aber auch für die Mitarbeiter bewährt. verdi-Chef Frank Bsirske hatte zuvor ein Streikrecht für die 1,3 Millionen Mitarbeiter der Kirchen in Deutschland gefordert. "Der Dritte Weg der Kirchen ist für uns keine akzeptable Alternative", sagte er. "Wir wollen Tarifverträge für alle Beschäftigten." Bsirske betonte, es sei unbestritten, dass die Kirchen laut Grundgesetz ihre eigenen Angelegenheiten regeln dürften. Niemand wolle sich in Fragen des Ritus, der Liturgie oder der Dogmatik einmischen, so der Gewerkschaftschef. "Unser Anliegen richtet sich nicht gegen Kirchlichkeit oder Religiosität. Aber Streikrecht und Tarifverträge richten sich nicht gegen den Sendungsauftrag der Kirchen." Wenn es um das Arbeitsrecht, die Arbeitszeiten oder die Vergütung für die Mitarbeiter etwa eines kirchlichen Krankenhauskonzerns gehe, dann seien das keine "eigenen Angelegenheiten" der Kirchen, sondern allgemeine Fragen.
Bsirske: "Faire Löhne bei der Caritas"
Bsirske verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass katholische Unternehmen in anderen europäischen Staaten Tarifverträge abschlössen und auch Streiks im kirchlichen Bereich üblich seien. Die deutsche Praxis vertrage sich auch nicht mit der katholischen Soziallehre. Nach Darstellung des Gewerkschaftschefs haben sich insbesondere die Betriebe der evangelischen Diakonie im Sozialwettbewerb auf die Praxis von Lohndumping und Absenken der arbeitsrechtlichen Standards eingelassen. Ausdrücklich lobte er das Vorgehen der katholischen Caritas, die sich um faire Bezahlung in Anlehnung an Tarifverträge bemühe.
Als denkbaren Weg bezeichnete er den Tarifabschluss zwischen der Gewerkschaft verdi und den großen diakonischen Trägern in Niedersachsen vom Herbst 2014. Dabei sei die Grundsatzfrage des Streikrechts bewusst offengelassen worden, um einen flächendeckenden Tarifvertrag zu entwickeln, der in Zukunft auch allgemein verbindlich werden könne. Bsirske bot den Kirchen eine konstruktive Zusammenarbeit an: "Wir wollen gemeinsam mit der katholischen Kirche die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in den kirchlichen Einrichtungen weiterentwickeln. Wir wollen Wege finden, wie man in Respekt der gegenseitigen Position zu Tarifverträgen kommt." Kirchen und Gewerkschaften stünden gemeinsam für moralische Werte und soziale Gerechtigkeit. "Wir wollen da, wo wir gemeinsame Interessen und Ziele verfolgen können, zusammenarbeiten", unterstrich Bsirske.
Empfang des Gewerkschaftsführers vor dem HAUS DER UNTERNEHMER (v. l. n. r.): Heinz D. Diste (Contilia GmbH, St. Elisabeth Stiftung e. V.), Martin Jonetzko (Unternehmerverband), Frank Bsirske (Verdi), Elisabeth Schulte (Unternehmerverband) und Andreas Meiwes (Caritas).Unternehmerverband
"Solange verdi den Dritten Weg nicht akzeptiert, können die Gewerkschaften nicht erwarten, dass wir sie mit offenen Armen empfangen", konterte Andreas Meiwes, Direktor des Caritasverbandes für das Bistum Essen. "Der Dritte Weg hat sich bewährt, er muss verändert werden, und dazu sind die Gewerkschaften eingeladen", so Meiwes. Die katholische Kirche habe die Einbindung der Gewerkschaften in den Dritten Weg bereits geregelt. "Es ist ein Märchen, dass bei kirchlichen Dienstgebern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen. In der Regel liegt der Caritas-Tarif sehr nah am TVöD - und ist im Schnitt sogar besser als die Bedingungen, die Gewerkschaften in diesen Bereichen bislang verhandelt haben."
Heinz D. Diste, Hauptgeschäftsführer der Contilia GmbH und St. Elisabeth-Stiftung e. V.Essen/Mülheim: "Wir hätten im harten Wettbewerb überhaupt keine Chance, wenn wir schlechte Arbeitsbedingungen hätten." Darüber hinaus sei die Caritas "die Mutter des Flächentarifvertrages - es gibt im Sozialbereich keine größere tarifliche Abdeckung. Die Kirchen nennen es nur nicht ‚Tarifvertrag‘", so Diste. Bislang seien seitens der Mitarbeitenden Forderungen nach einer gewerkschaftlichen Beteiligung nicht zu erkennen. "Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dem Dritten Weg und den daraus resultierenden Arbeitsbedingungen zufrieden", so Diste.
In einem waren sich die Caritas und der verdi-Chef übrigens einig: Soziale Arbeit muss besser bezahlt werden.
cde