Unkalkulierbare Risiken
Alte Frauen und Männer wie auch ihre Angehörigen erwarten dreierlei: Sie möchten auch in dieser Situation möglichst selbstbestimmt leben, also aus verschiedenen Möglichkeiten die für sie passende aussuchen können. Sie möchten sicher leben. Das heißt, sie brauchen gute und verlässliche Versorgungs- und Unterstützungsangebote. Und sie möchten in einem vertrauten Lebensraum bleiben und nicht alle ihre sozialen Bindungen kappen müssen.
Das neue Altenpflegegesetz, das sich in der parlamentarischen Beratung befindet, schafft den Rahmen, damit Anbieter von Pflege- und Versorgungsleistungen diesen Bedürfnissen in guten Teilen entgegenkommen können. Die Vielfalt der künftigen Versorgungsmöglichkeiten wird betont und gefördert. Die quartiersbezogene Pflege und Betreuung werden zur Leit-Idee für die Gestaltung der künftigen Infrastruktur. Bei der Frage der Verlässlichkeit und der Optionenvielfalt wird es schon schwieriger: Nach gegenwärtiger Einschätzung wird eine große Zahl von Trägern insbesondere stationärer Einrichtungen mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risiken konfrontiert, und folglich werden sie den Anspruch, insbesondere ihre Infrastruktur dauerhaft auf hohem qualitativem Niveau zu halten, nicht mehr verlässlich garantieren können. Außerdem wird dem deutlichen Rückgang der Heimplätze, den das Gesetz aufgrund der Finanzierungsbedingungen zumindest billigend in Kauf nimmt, kein entsprechend nachlassender Bedarf gegenüberstehen, auch wenn die Landesregierung (teilweise durchaus im Einklang mit vielen potentziell Betroffenen) sich das so wünscht. Es gibt weiterhin Lebenssituationen im hohen Alter, wo ein stationäres Wohnen den Interessen aller Betroffenen am nächsten kommt.
Zusammengefasst: Die Landesregierung handelt zukunftsgerichtet. Sie möchte allerdings diese Zukunft bestimmen. Dabei könnten existenzielle Bedürfnisse von Betroffenen und berechtigte Interessen der Anbieter auf der Strecke bleiben. Wenn dahinter vor allem finanzielle bzw. fiskalische Zwänge stehen, möge die Regierung das ihren Bürgern offen sagen. Wenn es der Landesregierung dagegen wirklich daran gelegen ist, gemeinsam mit den Betroffenen und den Anbietern insbesondere aus der Freien Wohlfahrtspflege die besten Lösungen für die Folgen des demografischen Wandels zu finden, sollte sie
- nicht mutwillig die Existenz der bestehenden Einrichtungen bzw. ihre gesicherte Fortentwicklung gefährden
- den freien Trägern der stationären und ambulanten Altenhilfe so viel Luft zum Atmen lassen, dass diese sich mit Elan an der Entwicklung neuer Versorgungsmodelle beteiligen können.