"Selbst Erzieherinnen, Pflegefachkräfte oder Heilerziehungspfleger mit solidem Einkommen haben oft Anspruch auf geförderten Wohnraum - und finden immer öfter keine Wohnung", erklärt Dominique Hopfenzitz für die Caritas in NRW. "Gleichzeitig stehen sie damit auch in Konkurrenz um bezahlbare Wohnungen zu den verletzlichsten Gruppen, den wohnungslosen und obdachlosen Menschen. Das ist belastend für beide Seiten - und schwächt sowohl die soziale Infrastruktur als auch den solidarischen Zusammenhalt, auf den diese Gesellschaft angewiesen ist."
Ein Blick in die Realität macht die Probleme deutlich:
- Eine Erzieherin (alleinverdienend in Lebenspartnerschaft) mit rund 40.000-46.000 Euro brutto im Jahr hat in einer Stadt wie Köln Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS). Dennoch findet sie keine bezahlbare Wohnung - gleichzeitig suchen dort alle Träger von sozialen Diensten händeringend pädagogisches Personal.
- Eine alleinerziehende Pflegefachkraft im ersten Berufsjahr verdient etwa 45.000-48.000 Euro brutto im Jahr. Auch sie fällt in Münster unter die WBS-Grenze. Aber trotz Anspruch bleibt sie wohnungslos auf dem Markt - während Kliniken und Heime Personalnot haben.
- Dortmund: Ein Paar mit zwei Kindern, bei dem nur ein Elternteil voll arbeitet und der andere wegen Pflege der eigenen Eltern teilzeitbeschäftigt ist, liegt ebenfalls unter der Einkommensgrenze von 43.130 € netto im Jahr. Auch hier: Anspruch auf WBS, aber keine Wohnung in Sicht.
Diese Beispiele lassen sich fortführen: "Die Folge ist eine weitere Belastung der sozialen Infrastruktur: Kitas, Pflege, Behindertenhilfe", mahnt Hopfenzitz, der Diözesan-Caritasdirektor im Bistum Münster ist.
Die Caritas in NRW fordert daher:
- Mehr sozial geförderte Mietwohnungen und langfristig gefördertes Eigentum im Ersterwerb, etwa über KfW-Programme.
- Schnellere Bauverfahren und den Abbau unnötiger Standards. Klimaschutz ja - aber bezahlbar und finanziell unterstützt, damit er nicht zum Blockierer dringend benötigten Wohnraums wird.
- Baugrund für Familien zu fairen Konditionen.
- Stärkung gemeinwohlorientierter Wohnungsbaugesellschaften, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sichern.
Laut aktuellen Schätzungen leben in NRW rund 122.000 wohnungslose und 10.000 obdachlose Menschen. Zugleich steigt die Zahl derer, die trotz eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) keine Wohnung finden. Nach Berechnungen der NRW-Bank fallen zudem bis 2030 rund 40 Prozent der Sozialwohnungen aus der Preisbindung und damit aus dem Bestand. Betroffen sind zunehmend Berufsgruppen, die nicht zu den klassischen Zielgruppen gehören.
Nach Angaben der Bundesregierung haben sich die Mieten in NRW innerhalb von zehn Jahren um fast 50 Prozent erhöht - besonders stark in Städten wie Köln (14,15 €/m²) oder Münster (13,81 €/m²). Gleichzeitig fehlt es an Neubauten sowie dauerhaft geförderten Wohnungen und Gewerbeflächen sind ungenutzt.
Jetzt müssten die Kommunen die Möglichkeiten nutzen, die der jüngst beschlossene "Bau-Turbo" der Bundesregierung eröffne, fordert Hopfenzitz. "Wohnraumpolitik ist Daseinsvorsorge. Wenn Erzieherinnen, Pflegekräfte oder Sozialarbeiter keine Wohnung mehr finden, hat das direkte Auswirkungen auf Kinderbetreuung, Pflege und Teilhabe. Wohnungsnot gefährdet den sozialen Frieden und letztlich auch unsere Demokratie."