Werkstätten im „politischen Niemandsland“?
Bei ihrer Herbstkonferenz begrüßten die Vertreter der Caritas-Werkstätten in NRW und Niedersachsen die neue Landesbeauftragte für die Belange der Menschen mit Behinderung, Elisabeth Veldhues.Konferenz der Caritas-Werkstätten für behinderte Menschen in NRW und Niedersachsen
Macht die Inklusion die Werkstätten für Menschen mit Behinderung überflüssig? Wie können sich die Werkstätten zukünftig positionieren, um ihr Profil zu schärfen und ihre gesellschaftliche Aufgabe weiterhin zu übernehmen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Caritas-Werkstätten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen jetzt bei ihrer Herbstkonferenz in Paderborn. Vertreter aus 29 Werkstätten nahmen daran teil.
Aktuell befinden sich die Werkstätten im "politischen Niemandsland", stellte der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig fest. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung fordere eine "schrittweise Abschaffung" der Werkstätten. Doch derzeit gebe es dazu keine verlässliche Alternative - und damit keine Wahlmöglichkeit für die bundesweit rund 300.000 Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind.
Diese Ansicht unterstützt ein im September veröffentlichtes Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung: Werkstätten sichern auch den Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben, die keine formale Qualifikation vorweisen können, zum Beispiel eine abgeschlossene Berufsausbildung, und das ohne zeitliche Begrenzung des Arbeitsverhältnisses, wie sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt heute üblich sind.
Die dauerhafte Vermittlung von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sei ein langfristiger Prozess, betonte Thomas Tenambergen vom Paritätischen Landesverband NRW. Derzeit werden nur etwa ein Prozent der Werkstattbeschäftigten in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. "Es bedarf einer großen Kraftanstrengung, Arbeitgeber zu motivieren, Menschen mit schweren Behinderungen einzustellen." Hier können die Werkstätten ihre Rolle des Unterstützers noch verstärken. Alle Bemühungen müssten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein: "Projekte und Sonderprogramme wirken immer nur befristet. Was oft fehlt, ist eine dauerhafte Unterstützung, auch finanziell."
Die neue Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Landes NRW, Elisabeth Veldhues, nutzte die Konferenz, um sich den Vertretern der Werkstätten vorzustellen. Auch sie sprach sich für einen Erhalt der Werkstätten aus. "Wenn wir von einem schrittweisen Ausstieg sprechen, dann müssen wir damit meinen, wie jeder einzelne Mensch mit Behinderung mit individueller Förderung schrittweise den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gehen kann", sagte Veldhues. Ohnehin schaffe die moderne Arbeitswelt den größten Zustrom neuer Werkstattbeschäftigter: "56 Prozent der Neuzugänge in den Werkstätten kommen aus dem ersten Arbeitsmarkt, vor allem mit psychischen Erkrankungen. Das sind Menschen, die dem enormen Druck nicht mehr standhalten können." Den Werkstätten empfiehlt die Landesbehindertenbeauftragte, sich "Schaufenster" zu schaffen, mit denen sie der Öffentlichkeit ihre Arbeit und ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren können.
Wie die Arbeitswelt der nahen Zukunft aussehen kann, stellte Welf Schröter, Leiter des Forums Soziale Technologiegestaltung, den Konferenzteilnehmern vor. Unter dem Titel "Für ein am Menschen orientiertes Leitbild der Industrie 4.0" warf er einen kritischen Blick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt, die für ihn "die Grenze der Selbstbestimmung des Menschen erreicht" hat, weil nicht mehr der Mensch, sondern das Produkt selbst die Produktion steuere. "Es fehlen engagierte Akteure, die deutlich machen, dass nicht die Technik, sondern der Mensch im Zentrum aller Betrachtungen stehen muss", stellte Schröter fest. Doch bei aller Kritik bringe die "Industrie 4.0" für die Werkstätten auch einige Vorteile, zum Beispiel intelligente Assistenzsysteme für Menschen mit Behinderung und damit eine flexible individuelle Anpassung von Arbeitsplätzen.