Was bringt das Bundesteilhabegesetz?
Die Digitalisierung wird die Arbeit in den Werkstätten verändern.Caritas
"Im BGB stand, dass sich nunmehr auch Menschen, die nicht von Adel waren, Fabriken kaufen konnten. Die Hafenarbeiter hatten aber ohnehin nicht das Geld, sich eine Fabrik zu kaufen." Für die meisten Menschen mit Behinderung sei das Bundesteilhabegesetz "nicht schlimm". Ihre Situation werde sich aber auch nicht wesentlich verändern - so lautet das kurze und prägnante Fazit des Juristen.
Mit dem Bundesteilhabegesetz beschäftigte sich jetzt die Konferenz der Caritas-Werkstätten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bei ihrer Herbsttagung in Essen. 36 Werkstätten für behinderte Menschen haben sich zu dieser Konferenz zusammengeschlossen. Im Detail betrachtet hat das Gesetz natürlich Auswirkungen auf ihre Arbeit, wie Prof. Bernzen den Teilnehmern der Tagung erläuterte. "Um die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben so personenzentriert erbringen zu können, wie das Gesetz es fordert, ist ein wirklich funktionierendes Case Management erforderlich." Case Manager planen gemeinsam mit den Menschen mit Behinderung die Leistungen der Werkstatt und koordinieren die Leistungserbringung.
Eine Herausforderung wird die Öffnung des Marktes für so genannte "andere Leistungsanbieter". Das sind Anbieter, die keine Anerkennung als Werkstatt für behinderte Menschen haben, die aber in Zukunft Werkstattleistungen erbringen können. Bei den Vertretern der Caritas-Werkstätten gab es dazu bei der Tagung in Essen ein gemischtes Meinungsbild. Einige sehen ihre Werkstätten für diesen Wettbewerb gut aufgestellt und fürchten potenzielle neue Konkurrenten nicht. Andere befürchten, dass die neuen Anbieter vor allem die leistungsstärksten Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten regelrecht abwerben und damit ein wesentliches Merkmal der Caritas-Werkstätten außer Kraft setzen: die Solidargemeinschaft, in der Stärkere und Schwächere gemeinsam erfolgreich im Sinne aller Beteiligten arbeiten.
Eine Chance für bestehende Werkstätten sieht Prof. Bernzen darin, neue Märkte zu erschließen. Ein Beispiel: "In den neuen Pastoralen Räumen haben viele Kirchengemeinden kein Pfarrsekretariat mehr. Das könnte ein Arbeitsfeld für Menschen mit Behinderung werden." Wie innovativ die Träger der Werkstätten dabei schon seit Jahren sind, betonte Hubert Vornholt, Geschäftsführer des Josefsheims Bigge: "Viele Integrationsfirmen sind Beispiele dafür, wie Teilhabe am Arbeitsleben mit guten Ideen unter Marktbedingungen verwirklicht werden kann."
Die Konferenz der Caritas-Werkstätten beschäftigte sich auch mit den Themen Digitalisierung und Personalpolitik. "Die moderne Technik eröffnet neue Märkte und ermöglicht neue Geschäftsmodelle", betonte Stefan Löwenhaupt, Geschäftsführer der Unternehmensberatung xit aus Nürnberg, in seinem Vortrag. Als Beispiele nannte er den Verkauf gebrauchter Bücher über das Internet als Arbeitsfeld für Werkstätten sowie eine Werkstatt in Hamburg, die eine eigene Computermarke auf den Markt gebracht hat. "Menschen mit Behinderung haben dabei kaum Berührungsängste", sagte Löwenhaupt. Auch bei den Hilfsmitteln schreite die Technik immer weiter voran. Implantate und so genannte Exo-Skelette, vor 20 Jahren nur aus Science-Fiction-Filmen bekannt, seien inzwischen alltagstauglich und ermöglichten Menschen mit Behinderung, am Arbeitsleben teilzuhaben.
Einen Blick in die Zukunft der Personalpolitik wagte Prof. Dr. Rüdiger Piorr vom Studienzentrum Düsseldorf. Wie werden Unternehmen zukünftig Fachkräfte gewinnen? Wie können sie diese an sich binden und durch das Arbeitsleben begleiten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt seines Vortrags. Die "Generation Z", also die Menschen, die ab ca. 1995 geboren wurden, stelle Unternehmen vor besondere Herausforderungen, so Prof. Piorr. "Sie strebt nach Spaß im Hier und Jetzt. Typisch ist ein schneller Wandel, auch im Arbeitsleben." Arbeitnehmer würden zu "Arbeitskraftunternehmern", die ihre Arbeitskraft vermarkten und ihre Leistungen immer dort zur Verfügung stellen, wo es ihnen am meisten Spaß mache. Piorr empfahl den Werkstätten, eine "nach innen und außen wirkende, glaubwürdige Arbeitgebermarke" aufzubauen: "Machen Sie deutlich, für welche Werte sie stehen und warum es erstrebenswert ist, bei Ihnen zu arbeiten."