Zusatzversorgung der Caritas: Einstandspflicht der Dienstgeber für Versorgungsleistungen
Sie haben auch für die Erfüllung der zugesagten Leistungen nach der Regelung in Anlage 8 zu den AVR einzustehen. Deshalb sind sie gesetzlich verpflichtet, Rentenkürzungen der Pensionskasse der Caritas (PKC) in vollem Umfang auszugleichen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG).
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat am 15.06.2022 einen nicht-kirchlichen Arbeitgeber, der ein Caritas-Krankenhaus gemäß § 613 BGB übernommen hatte, verurteilt, seit dem 01.01.2020 monatlich 288 Euro brutto an eine frühere Arzthelferin zu zahlen, deren Versorgungsrente von zunächst 1.270 Euro von der PKC gekürzt worden war. Eine Revision gegen das Urteil war zugelassen, aber vom Dienstgeber nicht eingelegt worden.2
Es hat ausdrücklich eine Absenkung der Ausgleichszahlungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB abgelehnt, obwohl das Krankenhaus u. a. eine Mehrbelastung von voraussichtlich 465.000 Euro und die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit infolge der Verpflichtung zu langjährigen Zahlungen an 19 ehemalige Mitarbeitende geltend gemacht hatte.3
Zahlungs- und Fürsorgepflicht
Die gesetzliche Pflicht der Dienstgeber, ehemaligen Mitarbeitenden, deren Zusatzversorgungsrente seit dem 01.01.2020 gekürzt wurde, Ausgleichszahlungen zu leisten, ist nicht von einem Antrag des Mitarbeiters abhängig.
Ist eine Einrichtung von einem anderen Träger übernommen worden, hat dieser die Ausgleichszahlungen zu leisten, auch wenn es sich nicht um einen kirchlichen Träger handelt (§ 613a BGB).4
Existiert der Dienstgeber des Mitarbeitenden nicht mehr und gibt es keine Nachfolgeeinrichtung, hat der ehemalige Mitarbeitende keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Auch freiwillig Versicherte haben keinen Anspruch.
Verjährungsfrist
Die Ausschlussfrist von sechs Monaten nach § 23 AVR-AT erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht die Ansprüche des ehemaligen Mitarbeitenden auf monatlich zu zahlende Versorgungsleistungen. Für diese gilt die regelmäßige gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Anspruch auf Leistungen aus der Zusatzversorgung verjährt in 30 Jahren (§ 18a BetrAV in Verbindung mit § 195 BGB).5
Nachvertragliche Fürsorgepflicht
Der Dienstgeber ist verpflichtet, unverzüglich Ausgleichzahlungen an alle ihm bekannten, in den letzten 30 Jahren ausgeschiedenen Mitarbeitenden zu leisten.
Sind in der Einrichtung keine ausreichenden Unterlagen vorhanden, hat der Dienstgeber aufgrund seiner nachvertraglichen Fürsorgepflicht, die auch die Vermögensinteressen der Mitarbeitenden umfasst, sich im zumutbaren Maße zu bemühen, die Mitarbeiter ausfindig zu machen, um seine Leistungspflicht erfüllen zu können. Welche Bemühungen zumutbar sind, hängt im Einzelfall insbesondere von der Schwierigkeit und dem Kostenaufwand der Suche sowie der Höhe der drohenden Nachteile ab.6
Die Mitarbeitervertretung hat darauf zu achten, dass alle Mitarbeitenden nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Deshalb hat sie den Dienstgeber bei der Suche zu unterstützen und alle ihr bekannten ehemaligen Mitarbeiter über mögliche Ausgleichsansprüche zu informieren.
Beispiele: Ist die aktuelle Anschrift des Mitarbeitenden nicht bekannt, hat der Dienstgeber diese beispielsweise durch Befragung der früheren Kollegen oder Einholung einer Meldeauskunft zu ermitteln.
Besteht Unsicherheit über die Höhe des Ausgleichsanspruchs, ist der Dienstgeber zu einer nachprüfbaren Rentenberechnung verpflichtet, die er bei der Pensionskasse anfordern kann.7
Auskunft über eine frühere Beschäftigung kann evtl. auch das Diözesanarchiv bzw. die Deutsche Rentenversicherung erteilen.
Unterlässt der Dienstgeber es trotz seiner Informations- und Zahlungspflicht bewusst, den Mitarbeitenden zu suchen, zu informieren und den Ausgleichsbetrag zur Zusatzversorgung zu zahlen, der dem Mitarbeitenden gesetzlich nach der neuen Rechtsprechung zusteht, setzt er sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung wegen Betrugs aus (§ 263 Strafgesetzbuch).
1 Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 14.03.2023 - 3 AZR 176/22 und 179/22;
Begründungen noch nicht veröffentlicht.
2 Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 21.03.2022 - 2 Sa 443/20.
3 Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2022 - 12 Sa 569/20, Rn 31, 54ff.
4 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.11.2017 - 6 AZR 683/16, Rn 35ff.
5 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.05.2009 - 3 AZR 797/07, Leitsätze 1-3.
6 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.01.2014 - 3 AZR 807/11, Rn. 16.
7 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2006 - 3 AZR 85/05, Rn 23.