Wohnungslose Menschen: Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte
Mindestfläche der Unterkunft: 10 qm pro Person bei bereits länger andauernder und nicht kurzfristig endender Obdachlosigkeit.
Für die Annahme einer Mindestfläche von 10 qm als "Faustformel": VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 3. Juni 2014 - 5 L 469/14.NW -, juris Rn. 19, und VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2015 - Au 7 E 14.1792 -, juris Rn. 42.
Unterbringung von Einzelpersonen: Einzelpersonen ist grundsätzlich eine Unterbringung in Sammelunterkünften für mehrere Personen zumutbar. Zusätzlich zum Schlafraum müssen Küche und Tagesraum zur Verfügung stehen.
Nur in Ausnahmefällen kann bei Vorliegen besonderer Einzelfallumstände ein Anspruch auf Versorgung mit einem Raum, der dem Betreffenden für sich allein zur Verfügung steht, bestehen.
Liegen besondere Umstände wie etwa Alter, körperliche und psychische Erkrankungen sowie Pflegebedürftigkeit vor, bedarf es einer Prüfung, ob eine Obdachlosenunterkunft auch für den jeweiligen Antragsteller zumutbar ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2016 - 9 E 73/16 -, juris Rn. 15).
Unterbringung von Familien: Familienmitgliedern oder jüngeren Personen gleichen Geschlechts und Alters ist es zumutbar, auf engerem Raum zu leben als Personen, die weder durch Familienzusammengehörigkeit noch durch vergleichbare Lebensumstände verbunden sind.
Vgl. schon OVG NRW, Beschluss vom 9. August 1996 - 9 B 1779/96: Noch eben zumutbar sei die Unterbringung von Eltern mit 6 Kindern zwischen einem Monat und 15 Jahren in einer aus vier getrennten Räumen - einer Küche, zwei Schlafräumen für je 4 Personen und einem Aufenthaltsraum - bestehenden Unterkunft von 60 qm zzgl. Sanitärräumen.
Bauordnungs-, gesundheitsrechtliche Mindestanforderungen: Die Unterkunft muss den Anforderungen des Bauordnungsrechts, des Brandschutzes, des Gesundheitsrechts (Feuchtigkeit, Schimmel, Ratten) und der Unfallverhütung (steile ungesicherte Treppen) entsprechen. Sie muss vor Witterung schützen und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lassen. Deshalb darf auch ein "umgangsschwieriger" Flüchtling nicht in ein Einmannzelt mit Schlafsack und Thermomatte verwiesen werden (VG Münster, Beschluss vom 25. November 2015 - 1 L 1429/15).
Wohnraum muss insbesondere über folgende funktionsfähige und nutzbare Mindestausstattung verfügen. Dazu gehören:
- ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung,
- Schutz gegen Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit,
- Anschluss von Energie-, Wasserversorgung und Entwässerung,
- Feuerstätte oder Heizungsanlage,
- Anschluss für eine Kochküche oder Kochnische,
- sanitäre Einrichtungen.
Darüber hinaus muss die zugewiesene Unterkunft den schutzwürdigen Belangen von minderjährigen Kindern Rechnung tragen und nach ihrem Zuschnitt Rückzugsmöglichkeit für einzelne (erwachsene) Familienangehörige bieten.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. September 2018 - 9 E 803/18 und vom 17. Mai 2018 - 9 E 344/18
Barrierefreie Unterkunft: Der Anspruch eines obdachlosen Rollstuhlfahrers auf eine menschenwürdige, barrierefreie Unterkunft umfasst, dass er selbstbestimmt und unter weitgehender Wahrung seiner Intimsphäre seinen unvermeidbaren körperlichen Bedürfnissen nachkommen kann.
Eine Toilette, die wegen des Vorhandenseins von Stufen oder wegen der geringen Breite der Türöffnung bzw. geringen Größe des Toilettenraums, die ein Verschließen der Tür zum gemeinschaftlich genutzten Waschraum nicht zulässt, nicht benutzbar ist, genügt diesen Anforderungen nicht; denn die Verrichtung des Stuhlgangs ist grundsätzlich nicht - auch nicht vorübergehend - aufschiebbar. Sie ist jedenfalls im hiesigen Kulturkreis auch nicht auf andere Weise als durch Benutzung einer Toilette zumutbar.
OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2018 - 9 E 129/18, Rn 13ff.
Schwangere Asylsuchende: Aufhebung der Pflicht zum Aufenthalt in der Zentralen Unterbringungseinrichtung
Die Pflicht einer schwangeren Asylsuchenden, in einer Sammelunterkunft zu wohnen, ist zu beenden, wenn die Anforderungen der Coronaschutzverordnung nicht eingehalten werden (Mindestabstand von 1,50 m, Mitbenutzung von Sanitäranlagen, Fehlen von Reinigungsmitteln).
VG Münster, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 6a L 365/20