Unfallversicherung von Beschäftigten und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Nordrhein-Westfalen
Übersicht
1. Gesetzliche Unfallversicherung
1.1 Beschäftigte und Gleichgestellte
1.2 Unentgeltlich im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege tätige Personen
1.3 Ehrenamtlich für Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder für öffentlich-rechtliche
Religionsgemeinschaften oder deren privatrechtliche Organisationen tätige Personen
1.4 Wie-Beschäftigte
1.5 Gemeinnützig bzw. mildtätig ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte
1.6 Freiwillige gesetzliche Unfallversicherung von gewählten oder beauftragten
ehrenamtlich Tätigen
2. Unfall-Sammelversicherung des Landes NRW
2.1 Vorrang der gesetzlichen Unfallversicherung und der Unfallversicherung des Trägers
2.2 Leistungen der Unfallversicherung des Landes
2.3 Zuständige Stelle für die Schadensbearbeitung
1. Gesetzliche Unfallversicherung
Die gesetzliche Unfallversicherung schützt nicht nur Beschäftigte, sondern darüber hinaus auch zahlreiche andere Personen, die sich sozial oder gemeinnützig engagieren.
1.1 Beschäftigte und Gleichgestellte
Gesetzlich unfallversichert sind Beschäftigte, insbesondere alle Arbeitnehmer, die eine betriebliche Tätigkeit ausüben, und die Personen, die ohne wirksamen Arbeitsvertrag beschäftigt werden (§ 2 SGB VII).
1.1.1 Versicherte Tätigkeiten der Arbeitnehmer
Versichert sind Arbeitnehmer bei Ausübung ihrer Tätigkeit und beim Zurücklegen des Weges von und zum Ort der Tätigkeit (§ 8 SGB VII). Im Falle von Home-Office ist der Weg innerhalb des Hauses zum Computer ein (mit)versicherter Betriebsweg.1
Nicht erfasst vom Versicherungsschutz werden nach der Rechtsprechung Unfälle bei nichtbetrieblichen Tätigkeiten.
Beispiele: Der Mitarbeiter verletzt sich während einer Zigarettenpause, der Einnahme einer Mahlzeit, auf der Toilette.
Hin- und Rückweg zum Raucherraum, zur Kantine bzw. zur Toilette sind versichert.
1.1.2 Gleichgestellte gesetzlich versicherte Personen
In den gesetzlichen Versicherungsschutz sind u. a. folgende Personen einbezogen (§ 2 Abs. 1 SGB VII).
- Aus- und Fortzubildende,
- Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres,
- Praktikanten,
- Behinderte Menschen in Werkstätten,
- Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen,
- Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen,
- Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind,
- Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
- Personen, die Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden, oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
- Personen, die sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
- Personen, die nach dem SGB II oder III der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, oder eines anderen zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen,
- Personen, die nach den Regelungen in § 1 Nrn 14-17 SGB VII
a) an Maßnahmen der Bundesagentur oder eines kommunalen Trägers teilnehmen.
b) der stationären, teilstationären oder ambulanten medizinischen Rehabilitation bzw. auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen teilnehmen.
c) Pflegepersonen bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2.
1.2 Beschäftigte und Gleichgestellte
Gesetzlich unfallversichert sind alle ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Einrichtungen der Caritas und deren Mitgliedsverbänden. Es kommt nicht darauf an, welche Aufgaben sie übernehmen. Der gesetzliche Schutz erfasst sie auch dann, wenn sie in der Rezeption, der Hauswirtschaft oder Verwaltung tätig werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII).
Ehrenamtlich mitarbeitende Mitglieder der Verbände und Einrichtungen, die nicht zur Wohlfahrtspflege gehören, wie beispielsweise die Katholische Frauengemeinschaft, die KAB, die Katholische Junge Gemeinde, das Kolpingwerk usw. sind nicht nach dieser Vorschrift gesetzlich unfallversichert: Sie können aber bei der Unfallkasse NRW gesetzlich bzw. vom Land NRW privat unfallversichert sein (sehen Sie hierzu Abschnitt 2).
Die Mitarbeiter, die Leitungsfunktionen ausüben bzw. denen wichtige Aufgaben übertragen sind, können von ihrem Verband freiwillig versichert werden bzw. sich selbst versichern (sehen Sie hierzu Abschnitt 1.6).
1.3 Ehrenamtlich für Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder deren privatrechtliche Organisationen tätige Personen
Gesetzlich unfallversichert sind auch ehrenamtlich Tätige der (staatlichen) Gemeinden, Städte und Kreise in jeder Tätigkeit (Wahlhelfer, Schöffe, Elternvertreter in Schulen).
Wird ein freier Träger im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung des öffentlichen Trägers tätig, besteht der gesetzliche Unfallversicherungsschutz für alle ehrenamtlich Mitarbeitenden.
Beispiele: Mitarbeit bei einer Ferienmaßnahme des Jugendamts, einer Müllsammelaktion der Gemeinde, Elternvertretung in Schulen.
Gesetzlich unfallversichert sind auch alle ehrenamtlich Tätigen der Kirchengemeinden und Diözesen sowie der dem Deutschen Caritasverband angeschlossenen Verbände und Einrichtungen:
Beispiele: Messdiener, Kirchenvorstand, Mitglied im Kirchenchor, Hausaufgabenbetreuerin beim SKF.
Sind katholische Verbände, die nicht wie der Caritasverband der kirchlichen Aufsicht unterliegen, in einer Kirchengemeinde nicht nur für ihre Mitglieder aktiv, kann der gesetzliche Unfallversicherungsschutz dadurch gesichert werden, dass der Kirchenvorstand oder Pfarrer einen entsprechenden Auftrag erteilt oder - auch nachträglich - ausdrücklich (schriftlich) anerkennt, dass die gesamte Arbeit des Verbandes, bestimmte Teilaufgaben oder Aktionen bzw. die von einem oder mehreren ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistete Arbeit dem kirchlichen Auftrag entspricht.
Beispiel: Ein Mitglied der Frauengemeinschaft stürzt bei der Vorbereitung der für alle Gemeindemitglieder offenen Karnevalsveranstaltung von der Leiter. Der Kirchenvorstand bestätigt, dass die Mitarbeiterin bei dem Unfall im Interesse der Kirchengemeinde tätig war.
1.4 Wie-Beschäftigte
Einbezogen in die gesetzliche Unfallversicherung sind auch die Wie-Beschäftigten, die sich uneigennützig über das übliche Maß hinaus für andere einsetzen. Eine Wie-Beschäftigung setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgendes voraus:2
- Es wird eine Tätigkeit ausgeübt, die in der Regel von einem weisungsgebundenen Arbeitnehmer verrichtet wird und wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit, ihres Umfangs und ihrer Dauer über den Rahmen einer bloßen Gefälligkeit hinausgeht. Die Merkmale einer leitenden unternehmerischen, selbstständigen Tätigkeit dürfen nicht überwiegen.
Beispiel: Ein Nachbar übernimmt für eine alte Frau die regelmäßige Gartenpflege. - Die Arbeit muss für den Leistungsempfänger nützlich sein. Die gesetzliche Regel verlangt keinen wirtschaftlichen Vorteil. Aus Sicht des Leistungsempfängers ist auch jede Tätigkeit sinnvoll und nützlich, die zu einer nicht in Geld umzurechnenden Verbesserung der Lebenssituation des Leistungsempfängers führt beispielsweise durch Gespräche, die einem alten Menschen über seine Einsamkeit hinweghelfen.
- Eine Sonderbeziehung ist nicht der wesentliche Grund für die Tätigkeit (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Eine Sonderbeziehung schließt die Annahme einer Wie-Beschäftigung aus, wenn die Tätigkeit nicht über die übliche Hilfe und Unterstützung bei Bestehen familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher oder mitgliedschaftlicher Beziehungen hinausgeht.
Bei ehrenamtlich Mitarbeitenden in Vereinen/Verbänden, die nicht der kirchlichen Aufsicht unterliegen und ihre christliche Verantwortung eigenständig wahrnehmen, kommt es darauf an, ob die konkrete Tätigkeit als übliche Tätigkeit eines Vereinsmitglieds zu bewerten ist. Hierbei sind der zeitliche Umfang der Verrichtung, der Grad der Gefährlichkeit oder eine besondere Fachkompetenz des Handelnden zu berücksichtigen.
Übersteigt im Einzelfall die konkrete Tätigkeit das Maß dessen nicht, was im Rahmen enger Verwandtschafts- oder Freundschaftsbeziehungen oder einer Vereinsmitgliedschaft üblicherweise und selbstverständlich getan oder erwartet wird, liegt keine Wie-Beschäftigung vor. Wer sich als Mitglied ständig erheblich einsetzt, ist deshalb nicht gesetzlich versichert.3
1.5 Gemeinnützig bzw. mildtätig ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte
Die Unfallkasse NRW hat in ihrer Satzung bestimmt, dass ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte beitragsfrei versichert sind (§ 5 Abs. 1 der Satzung):
- Die Tätigkeit muss unentgeltlich ausgeübt werden. Eine "begrenzte Vergütung" ist unschädlich.
- Die Aufgaben müssen im öffentlichen Interesse, d. h. im Interesse der staatlichen Gemeinschaft liegen oder gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke fördern.
- Die Tätigkeit muss für eine Organisation mit Sitz in NRW erfolgen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben ausführt. Eine bestimmte Rechtsform ist nicht erforderlich, eine Einzelaktivität allerdings ausgeschlossen.
Die Unfallkasse leistet nur, wenn für eine ehrenamtlich tätige Person ein Versicherungsschutz kraft Gesetzes oder eine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nicht besteht (sehen sie hierzu Abschnitt 1.6).
Eine Anmeldung der Personen, die nicht kraft Gesetzes bzw. kraft freiwilliger Versicherung über ihre Organisation bei der Unfallkasse NRW versichert sind, ist nicht erforderlich.
1.6 Freiwillige gesetzliche Unfallversicherung von gewählten oder beauftragten ehrenamtlich Tätigen
Freiwillig versichern (lassen) können sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII
- Gewählte Ehrenamtsträger, die mit ihrer Wahl ein durch Satzung vorgesehenes offizielles Amt unentgeltlich für eine privat-rechtliche Organisation ausüben (z. B. Vorstand eines Vereins, Kassenwart, Schriftführer).
- Beauftragte Ehrenamtsträger, die im Auftrag oder mit Einwilligung des Vorstands in der Organisation herausgehobene Aufgaben wahrnehmen. Diese Aufgaben müssen nicht in der Satzung verankert sein, z. B. leitende, planende oder organisierende Tätigkeiten, die über einen längeren Zeitraum oder im Rahmen eines definierten Projekts ausgeübt werden.
Diese freiwillige Versicherung ist nicht erforderlich für Ehrenamtsträger in kirchlichen bzw. caritativen Einrichtungen und Verbänden, weil diese gesetzlich unfallversichert sind (sehen sie hierzu Abschnitt 1.3).
2. Unfall-Sammelversicherung des Landes NRW
Das Land NRW hat eine private Unfallversicherung zugunsten der nicht gemeinnützig und nicht mildtätig ehrenamtlich Tätigen abgeschlossen, die nicht gesetzlich unfallversichert und z. B. in Initiativen, Gruppen oder Projekten engagiert sind. Der Schutz umfasst auch die direkten Wege von und zu den Einsätzen sowie ehrenamtliche Tätigkeit, die ausgehend von NRW in einem anderen Bundesland oder im Ausland ausgeübt wird.
2.1 Vorrang der gesetzlichen Unfallversicherung und der Unfallversicherung des Trägers
Die Unfallversicherung des Landes erbringt keine Leistungen, wenn der ehrenamtlich Tätige gesetzlich unfallversichert oder über seine Trägerorganisation abgesichert ist. Fällt die Leistung der Unfallversicherung eines Trägers jedoch geringer aus als die der Landesversicherung, wird der Unterschiedsbetrag ausgeglichen.
2.2 Leistungen der Unfallversicherung des Landes
Die Leistungen der Unfallversicherung des Landes werden zusätzlich zu denen einer privaten Unfallversicherung des ehrenamtlich Tätigen erbracht.
Sie sind auf folgende Höchstbeträge beschränkt:
- 175.000 Euro für den Fall vollständiger Invalidität,
- 10.000 Euro für den Todesfall/Bestattungskosten,
- 2.000 Euro für Heilkosten (subsidiär, wenn und so weit nicht ein anderer zahlt),
- 1.000 Euro für Bergungskosten (subsidiär, wenn und so weit nicht ein anderer zahlt).
2.3 Zuständige Stelle für die Schadensbearbeitung
Für die Beantwortung von Fragen und die Bearbeitung von Schäden zur Unfallversicherung des Landes ist zuständig: Union Versicherungsdienst GmbH (E-Mail: ehrenamt@union-verdi.de).
Muster für die Schadenanzeige: www.engagiert-in-nrw.de/sites/default/files/documents/pdf_versicherung_schadenanzeige_unfall.pdf
1 Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2021 - B 2 U 4/21 R.
2 Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2023 - B 2 U 13/20 R, Rn 26ff.;
Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.09.2013 - L 2 U 248/12.
3 Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2021 - B 2 U 3/19 R, Rn 22ff.