Stärkerer Schutz vor Sperrung von Strom- und Gaslieferungen
§§ 19 der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung stärken den Schutz der Strom- und Gasbezieher, indem sie die Informationspflichten der Versorger ausweiten und eine Liefersperre nur zulassen, wenn ein erheblicher Zahlungsrückstand besteht.
1. Neuer Schwellenwert = zwei Monatszahlungen
Der Schwellenwert, ab dem eine Sperre zulässig ist, wird von bisher 100 Euro auf das Doppelte des monatlichen Abschlags oder einem Sechstel der voraussichtlichen Jahresrechnung angehoben (Absatz 2 Satz 6).
2. Informationspflichten des Grundversorgers
Der Beginn der Unterbrechung der Grundversorgung ist dem Kunden acht Werktage im Voraus durch briefliche Mitteilung anzukündigen. Zusätzlich soll die Ankündigung nach Möglichkeit auch auf elektronischem Wege in Textform per E-Mail, SMS usw. erfolgen (Absatz 4).
Die Sperre wegen Nichtzahlung der monatlichen Abschlags-/Vorauszahlungen setzt eine vorherige Mahnung und außerdem voraus, dass der Grundversorger
- gleichzeitig mit der Mahnung oder später die Unterbrechung der Grundversorgung nach Ablauf von vier Wochen angedroht hat (Abs. 2 Satz 1),
- den Kunden mit der Androhung der Unterbrechung über die Möglichkeit informiert hat, Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung, insbesondere eine Gefahr für Leib und Leben, in Textform vorzutragen,
- außerdem in Textform über Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung, die für den Kunden keine Mehrkosten verursachen, informiert hat (Absatz 3),
- klar und verständlich sowie in hervorgehobener Weise auf den Grund der Unterbrechung sowie darauf hingewiesen hat, welche voraussichtlichen Kosten infolge einer Unterbrechung und infolge einer nachfolgenden Wiederversorgung in Rechnung gestellt werden können,
- dem Kunden spätestens mit der Ankündigung einer Unterbrechung der Grundversorgung zugleich in Textform den Abschluss einer Abwendungsvereinbarung angeboten hat (Abs. 5).
Alle Informationen sind in einfacher und verständlicher Weise zu erläutern.
2.1 Unverhältnismäßige Unterbrechung
Unverhältnismäßig kann die Unterbrechung in folgenden Fällen sein:
- Im Haushalt lebenden Personen drohen Gesundheitsschädigungen durch die Sperre, beispielsweise kleinen Kindern, kranken, behinderten oder alten Menschen oder Schwangeren.
- Durch die Sperre wird die Existenzgrundlage gefährdet, z. B. weil ohne Strom Heimarbeit, Home-Office, Online-Schulunterricht und Online-Studium nicht möglich sind.
2.2 Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung ohne Mehrkosten
Je nach den Verhältnissen im Einzelfall bestehen verschiedene Möglichkeiten, eine Sperre zu vermeiden:
- Empfänger von Sozialleistungen, Hartz-IV-Empfänger sowie Erwerbsunfähige und Sozialleistungsempfänger im Alter können bei der zuständigen Behörde (Jobcenter oder Sozialamt) eine Übernahme der Energieschulden als Darlehen beantragen.
- Schuldner-, Verbraucher- oder Sozialberatungsstellen können über örtliche oder gesetzliche und Selbsthilfemöglichkeiten informieren und beraten.
- Wenn der Energieversorger eine Ratenvereinbarung ablehnt oder die Versorgung trotz Unverhältnismäßigkeit einstellt, kann beim Amtsgericht ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt werden.
- Bestehen weitere Schulden, können im Rahmen einer außergerichtlichen Schuldenregulierung Ratenzahlungen festgelegt werden. Notfalls kann ein privates Insolvenzverfahren beantragt werden.
2.3 Angebot einer Abwendungsvereinbarung
Spätestens mit der Sperrankündigung muss der Grundversorger eine Ratenzahlungsvereinbarung anbieten, die vorsieht, dass Zahlungsrückstände in einem Zeitraum von sechs bis 18 Monaten zinsfrei ausgeglichen werden.
Wird ein derartiges Angebot vor Durchführung der Unterbrechung angenommen, darf der Grundversorger die Energieversorgung nicht unterbrechen.
3. Pflicht des Grundversorgers zur unverzüglichen
Wiederherstellung
Sind die Energieschulden beglichen, die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt worden und ist der Grund für die Sperre entfallen, muss die Versorgung mit Strom bzw. Gas sofort wieder aufgenommen werden. Auf Verlangen des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen. Der Nachweis geringerer Kosten ist dem Kunden zu gestatten (Absatz 7).