SGB II: Rechtsprechung zur Sicherung des Lebensunterhalts
Die Entscheidungen sind auf bestimmte Fallsituationen bezogen und deshalb nicht auf andere Fälle übertragbar, können aber dazu beitragen, Erfolgschancen realistisch einzuschätzen bzw. Anträge entsprechend zu begründen.
Kosten der Unterkunft: Privathaftpflichtversicherung
Ist der Mieter einer Wohnung durch den Mietvertrag zum Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung verpflichtet, gehören deren Kosten zu den Kosten der Unterkunft und sind vom Jobcenter zu übernehmen. Der Vermieter hat ein berechtigtes Interesse sicherzustellen, dass alle Schäden, die der Mieter bzw. dessen Angehörige in der Wohnung verursachen, ersetzt werden.
Bundessozialgericht, Urteil vom 30.06.2021 - B 4 AS 76/20 R
Kosten der Unterkunft: Ablehnung der Übernahme zu hoher Heizkosten nur nach Kostensenkungsaufforderung aufgrund einer Angemessenheitsprüfung
Eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, zog mit Zustimmung des Jobcenters in eine kleinere Wohnung um. Später machte der frühere Vermieter eine hohe Heizkostennachforderung geltend. Das Jobcenter bewilligte lediglich die Übernahme von ca. 1/3 der Forderung, weil die Heizkosten den Maximalwert des "bundesweiten Heizspiegels” deutlich überstiegen.
Die Übernahme unangemessen hoher Heizkosten darf das Jobcenter grundsätzlich nur nach Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens ablehnen. Vorausgehen muss der Ablehnung aber die genaue Angabe der angemessenen Heizkosten und die Warnung, dass unangemessen hohe Heizkosten nicht mehr übernommen werden. Sind diese unterlassen worden, muss das Jobcenter auch die unangemessenen Heizkosten in voller Höhe übernehmen.
Bundessozialgericht, Urteil vom 19.05.2021 - B 14 AS 57/19 R
Kosten der Unterkunft: Miete für Zeltplatz auf dem Campingplatz
Ein Hartz-IV-Leistungsbezieher aus Bonn hatte nach einem längeren Klinikaufenthalt vorübergehend keine Wohnung. Von Juni bis September mietete er daher einen Zeltplatz auf einem Campingplatz und wohnte dort in einem Zelt. Als Miete wurden insgesamt 1.100 Euro in Rechnung gestellt.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen stellte fest: Ein Zelt auf einem Campingplatz ist eine Unterkunft, wenn es von einem wohnungslosen Leistungsberechtigten benutzt wird. Jobcenter müssen deshalb die angemessenen Stellplatzkosten als "Kosten der Unterkunft” erstatten.
Landessozialgericht NRW, Urteil vom 01.04.2022 - L 19 AS 1201/21
Kosten der Unterkunft: Beheizung eines Zelts durch einen Gasheizstrahler
Wohnungslose Hartz-IV-Bezieher, die während der Wintermonate in ihrem Zelt übernachten, können vom Jobcenter zur Deckung ihres existenziellen grundrechtlichen Heizbedarfs die Übernahme der Kosten für den Betrieb eines Camping-Gasheizstrahlers verlangen.
Wohnungslose Hartz-IV-Bezieher, die während der Wintermonate in ihrem Zelt übernachten, können vom Jobcenter zur Deckung ihres existenziellen grundrechtlichen Heizbedarfs die Übernahme der Kosten für den Betrieb eines Camping-Gasheizstrahlers verlangen.
Sozialgericht Freiburg, Beschluss vom 13.01.2022 - S 9 AS 84/22 ER
Kosten der Fahrten zum Besuch der schwerstkranken Mutter in einer Intensiv-Pflegeeinrichtung
Auch zwischen Erwachsenen können verwandtschaftliche Bindungen für die personale Existenz von herausgehobener Bedeutung sein. Ein Härtefallmehrbedarf ist aber nur anzuerkennen, wenn eine nachweisbar enge verwandtschaftliche Beziehung besteht und eine besondere Situation vorliegt.
Anerkannt wurden die Kosten der günstigsten Nahverkehrstickets für zwei Besuche wöchentlich. Dem arbeitslosen Antragsteller sei eine tägliche Fahrzeit von 4 Stunden zumutbar.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.02.2020 - L 2 AS 3963/19 ER-B
Kosten eines mehrmaligen täglichen Toilettenganges: Keine höhere Regelsatzfestsetzung
Ein Rentner, der aufstockende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII bezieht hat keinen Anspruch auf Erhöhung seines Regelsatzes, wenn ihm monatlich 180 Euro Kosten wegen des täglich dreimaligen Aufsuchens kostenpflichtiger öffentlicher Toiletten entstehen.
Für einen derartigen Anspruch gibt es keine Rechtsgrundlage, wenn der Rentner altersentsprechend durchschnittlich gesund ist.
Landessozialgericht NRW, Urteil vom 31.01.2022 - L 20 SO 174/21
Kosten der Anschaffung eines PKW zum Erreichen des Arbeitsplatzes: Fahrrad bei weniger als 10 Kilometern Entfernung zumutbar
Der Antrag eines 28-jährigen Mannes auf Zahlung von 4.500 Euro zur Anschaffung eines PKW zum Erreichen des 35 Kilometer entfernten Arbeitsplatzes wurde abgelehnt: Einem gesunden Erwachsenen könne es durchaus zugemutet werden, Wegstrecken von weniger als zehn Kilometern zum nächsten Bahnhof, von dem der Arbeitsplatz erreichbar ist, auch in den Wintermonaten und in der Dunkelheit zweimal täglich mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.09.2019 - L 15 AS 200/19 B ER