SGB II: Einkommensanrechnung und Absetzbeträge bei Bürgergeldbezug (ab 1. Juli 2023)
1. Einkommen
Grundsätzlich sind alle Einnahmen in Geld bzw.in Geldeswert zu berücksichtigen (§ 11 SGB II).
Zu den Einnahmen in Geld gehören:
- Arbeitslohn und Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit,
- Kindergeld,
- Unterhaltszahlungen,
- Unterhaltsvorschuss,
- Elterngeld und ElterngeldPlus,
- Ausbildungsförderung,
- Krankengeld und Krankengeldzuschüsse,
- Verletztengeld und Verletztengeldzuschüsse,
- Übergangsgeld,
- Kurzarbeitergeld,
- Arbeitslosengeld I
- Weiterbildungsgeld, Weiterbildungsprämie, Bürgergeldbonus,
- Verdienstausfallentschädigungen anderer öffentlicher Stellen,
- Renten, auch die Verletztenrente der Unfallversicherung,
- Zinsen, Dividenden und andere Kapitalerträge, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich übersteigen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Bürgergeld-Verordnung).
Der Wert der vom Arbeitgeber bereitgestellten Vollverpflegung ist mit täglich ein Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden monatlichen Regelbedarfs anzusetzen. Wird Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen davon auf das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40 Prozent des Tagesbedarfs (§ 2 Bürgergeld-VO).
2. Nicht zu berücksichtigendes Einkommen
Aus sozialen Gründen werden zahlreiche Einnahmen nicht als Einkommen berücksichtigt:
- Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.
Die Leistungen zur sozialen Entschädigung nach dem SGB XIV dienen mit Ausnahme der Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 93 SGB XIV sämtlich der Entschädigung für Kriegsfolgen, Gewalttaten usw. und sind deshalb nicht als Einkommen anzurechnen.
Bei Pflegeeltern der Vollzeitpflege ist zu unterscheiden. Der Aufwendungsersatz gehört nicht zum Einkommen. Dagegen wird der Erziehungsbeitrag für die Betreuungstätigkeit gezahlt und ist deshalb für das erste und zweite Kind gar nicht, für das dritte Kind in Höhe von 75 Prozent und für das vierte Kind zu 100 Prozent als Einkommen zu berücksichtigen. - die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, gehören für Leistungsberechtigte, die sich ab 2024 für weitere Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz entschieden haben, nicht zum Einkommen.
- die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz Personen, die infolge nationalsozialistischer Verfolgung Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erlitten haben, gewährt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
- nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Bürgergeld-VO),
- Aufwandspauschalen für Betreuer nach § 1878 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zur Höhe von 3.000 Euro jährlich (der in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannte Betrag),
- Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten ("Übungsleiterpauschale" und "Ehrenamtspauschale"), die nach § 3 Nr. 12, Nr. 26 und 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3.000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten,
- Mutterschaftsgeld für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Entbindung nach §19 des Mutterschutzgesetzes.
- Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 Bürgergeld-VO),
- Erbschaften werden nicht als Einkommen berücksichtigt, müssen aber nach § 12 SGB II als Vermögen eingesetzt werden, wenn die Vermögensfreigrenzen überschritten werden.1 Unklar ist, ob das auch für Vermächtnisse und Pflichtteile gilt oder ob diese als Einkommen zu behandeln sind.2
- Entschädigungen, die dem Leistungsberechtigten wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen (Schmerzensgeld, immaterieller Schaden). Jedoch gehören die Zinsen zum Einkommen.
Beispiele: Schmerzensgeld wegen Beleidigung, wegen Körperverletzung, wegen sexuellen Missbrauchs, wegen Verletzung der informationellen Selbstbestimmung. - Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind alle Hilfen mit Geldwert, die von Personen und Stellen ohne rechtliche Verpflichtung geleistet werden (Wohlfahrtsverbände, Initiativen usw.). Sie werden nur als Einkommen angerechnet, soweit sie die Lage der Betroffenen so günstig beeinflussen, dass daneben existenzsichernde Leistungen nicht gerechtfertigt wären.
Nicht anzurechnen sind deshalb alle Zuwendungen, die unzureichende gesetzliche Leistungen ergänzen oder Lücken ausfüllen.
Beispiele: Lebensmittelspenden der Tafeln, Möbel- und Kleiderspenden, Geldspenden zur Ersatzbeschaffung unbrauchbar gewordener Einrichtungsgegenstände (Herd, Waschmaschine, Bettzeug usw.). - Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3.100 Euro nicht überschreiten (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 Bürgergeld-VO). Wegen dieser Regelung ist unklar, ob - wie bisher - auch übliche Geschenke zum Geburtstag, zu Weihnachten, wegen guter Schulzeugnisse, bestandener Führerscheinprüfungen usw. anrechnungsfrei bleiben.
Nicht anrechenbar sind wie bisher zweckgebundene Zuwendungen, wenn diese nicht für den Unterhalt eingesetzt werden können.
Beispiel: Die Patentante schenkt ihrem Patenkind einen Gaming-PC im Wert von 2.000 Euro. - Schließlich können Geschenke und Zuwendungen verschiedenster Spender ohne besonderen Anlass bzw. aus den verschiedensten Anlässen anrechnungsfrei bleiben.
Beispiele: Altersjubiläum, Firmenjubiläum oder Tombola, Spendenaktionen von Tageszeitungen, Lokalrundfunk, Sport-, Gesangs- , -Karnevalsvereinen usw.
3. Vom Einkommen abzusetzende allgemeine
Absetzbeträge (§ 11b SGB II)
Leistungsberechtigte, die Einkommen erzielen, können vom Einkommen absetzen
- aus dem Brutto-Einkommen entrichtete Lohn-Einkommensteuer,
- Arbeitnehmerpflichtbeiträge zur Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung,
- Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, aber nur, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind.
b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht vom Jobcenter nach § 26 SGB II bezuschusst werden,
- geförderte zertifizierte Altersvorsorgebeiträge, soweit sie den Mindesteigenbeitrag in Höhe von 4 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Einnahmen bzw. der bezogenen Renten wegen voller Erwerbsminderung/Dienstunfähigkeit im vorigen Kalenderjahr nicht überschreiten (§§ 82 86 EStG).
- Werbungskosten d. h. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
- für erwerbstätige Leistungsberechtigte ferner ein Betrag nach Abschnitt 4,
- Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
- bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag (Vierter Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 SGB III).
- Trinkgelder, die 10 Prozent des maßgebenden Regelsatzes nicht übersteigen. Übersteigt das Trinkgeld die 10 Prozent Grenze, ist der übersteigende Betrag auf den Regelbedarf anzurechnen.3
4. Zusätzliche Freibeträge für erwerbsfähige
Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind
Der Grundfreibetrag von 100 Euro erhöht sich für erwerbsfähige Leistungsberechtigte
- für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 520 Euro beträgt, auf 20 Prozent,
- für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 520 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.000 Euro beträgt, auf 30 Prozent und
- für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 1.000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 Prozent. Die Freigrenze erhöht sich auf 1.500 Euro für Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben.
Beispiele: Bei einer geringfügig Beschäftigten mit monatlich 520 Euro brutto/netto bleiben 20 Prozent von 420 Euro = 84 Euro anrechnungsfrei. Ihre Nettoeinnahmen erhöhen sich um 436 Euro.
Bei einer erwerbstätigen Mitarbeitenden mit einem Bruttoeinkommen von 800 Euro monatlich = 632 Euro netto, werden 268 Euro auf die Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet. Sie würde durch ihre Arbeitsleistung 364 Euro Mehreinnahmen erzielen.
5. Besondere Freibeträge für junge Menschen
Junge Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen das Einkommen bis zur Minijob-Grenze (z. Z. 520 Euro) anrechnungsfrei behalten, wenn sie
- eine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung, eine nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine förderungsfähige berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder eine geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen (§§ 57, 51 54a SGB III),
- einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligengesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz leisten. Für über 25-jährige Dienstleistende bleiben 250 Euro monatlich anrechnungsfrei.
- als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen während der Schulferien erwerbstätig sind.
Die Freibeträge gelten nach dem Besuch allgemeinbildender Schulen auch bis zum Ablauf des dritten auf das Ende der Schulausbildung folgenden Monats.
1 www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba015849.pdf
2 Bredemeyer, ZEV, 2023, 435.
3 Bundessozialgericht, Urteil vom 13.07.2022 - B 7/14 AS 75/20 R.