Sexueller Missbrauch: Kirchliche Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids
Durch die in der Ordnung vorgesehenen materiellen Leistungen soll gegenüber den Betroffenen zum Ausdruck gebracht werden, dass die deutschen Bistümer Verantwortung für erlittenes Unrecht und Leid übernehmen. Der Täter soll vorrangig zu Zahlungen herangezogen werden.
1. Persönlicher Anwendungsbereich
Die Ordnung gilt für Anträge von Betroffenen auf materielle Leistungen/Übernahme von Therapie-/Paarberatungskosten, die in der (Erz-)Diözese als Minderjährige oder als schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene sexuellen Missbrauch im Sinne dieser Ordnung im kirchlichen Kontext erlitten haben (Abschnitt 1.3).
1.1 Schutz- oder hilfsbedürftige Erwachsene
Schutz- oder hilfebedürftig sind Menschen, die Beschäftigten zur Fürsorge und Obhut anvertraut sind oder weil bei ihnen allein aufgrund ihrer Schutz- oder Hilfebedürftigkeit beispielsweise eine besondere Gefährdung im Sinne dieser Ordnung besteht. Ferner gehören dazu Personen, die einem besonderen Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis unterworfen sind. Ein solches besonderes Macht- und/oder Abhängigkeitsverhältnis kann in therapeutischen Beziehungen, aber auch im seelsorglichen Kontext gegeben sein oder entstehen.
Auf den sexuellen Missbrauch von Erwachsenen, die nicht schutz- oder hilfebedürftig sind, ist die Ordnung nicht anzuwenden.
1.2 Kirchlicher Kontext
Ein kirchlicher Kontext im Sinne der Ordnung ist gegeben, wenn der sexuelle Missbrauch begangen wurde von einer im (Erz-)Bistum tätigen Person, die der Jurisdiktionsgewalt des Bischofs unterliegt: Kleriker, Ordensangehörige in einem Gestellungsverhältnis, Kandidaten für das Weiheamt, Kirchenbeamte der (Erz-)Diözese, Mitarbeiter caritativer und anderer kirchlicher Einrichtungen, zu ihrer Berufsausbildung oder nach dem Bundesfreiwilligengesetz (BFDG) oder dem Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG) oder in vergleichbaren Diensten tätige Personen sowie Praktikanten, Ehrenamtliche.
1.3 Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch im Sinne der Ordnung liegt nicht nur vor, wenn eine nach dem Strafgesetzbuch strafbare sexualbezogene Straftat begangen wurde, sondern schon dann, wenn Handlungen eine sexualbezogene Grenzverletzung oder einen sonstigen sexuellen Übergriff darstellen, weil sie im pastoralen oder erzieherischen sowie im betreuenden, beratenden oder pflegenden Umgang mit Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen unangemessen sind.
2. Materielle Leistungen
Betroffene können auf Antrag Anerkennungsleistungen in Form von Geldzahlungen bzw.Übernahme der Kosten für Therapie und Paarberatung erhalten.
Für Geldzahlungen sieht der Zahlungsrahmen Leistungen bis 50.000 Euro vor. In besonders schweren Härtefällen können höhere Leistungen oder anderweitige Unterstützungen festgelegt werden.
Kosten einer Therapie werden auf der Grundlage eines von einem approbierten Psychotherapeuten vorgelegten Behandlungsplans für maximal 50 Sitzungen bis zur Höhe des Stundensatzes für eine verhaltenstherapeutische Behandlung entsprechend der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP) erstattet.
Kosten einer Paartherapie werden auf der Grundlage des von einem Paarberater, der Psychologe oder Psychotherapeut sein muss, vorgelegten Behandlungsplans für 25 Sitzungen für einen Stundensatz in Höhe von max. 125 Euro übernommen.
3. Antrag
Der Antrag auf Geldzahlungen bzw. Übernahme von Therapiekosten ist in der Regel auf den vorgesehenen Formularen an die Ansprechpersonen der Institutionen zu richten, bei der der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt beschäftigt war. Besteht die Institution nicht mehr, kann der Antrag an die Geschäftsstelle "Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistung" (UKA) gerichtet werden (Abschnitt 5).
Die Prüfung der Plausibilität des Antrags erfolgt in dem in Abschnitt 6 beschriebenen Verfahren.
Die Höhe der Leistung wird durch die Unabhängige Kommission unter Beachtung der Orientierungspunkte in Abschnitt 7 festgelegt.