Schulpflicht und Schulzwang in NRW
Übersicht
1. Schulstufen und Schulformen
1.1 Primarstufe - § 11
1.2 Sekundarstufe I - § 12
1.3 Sekundarstufe II - § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 2, § 18 Abs.1 , § 22 Abs.2
1.4 Sonderpädagogische Förderung - § 19
1.5 Klinikschule (§ 21 Abs. 2)
1.6 Hausunterricht (§ 21 Abs. 1)
2. Schulpflicht (§ 34)
2.1 Beginn der Schulpflicht
2.2 Erfüllung der Schulpflicht in Einrichtungen der Jugendhilfe
2.3 Dauer der Schulpflicht in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I
2.4 Dauer der Schulpflicht in der Sekundarstufe II
2.5 Ruhen der Schulpflicht
3. Pflichten aus dem Schulverhältnis (§ 41)
3.1 Regelmäßiger Schulbesuch
3.2 Verhinderungsgründe
3.2.1 Verhinderung wegen Krankheit oder anderen nicht vorhersehbaren
Gründen
3.2.2 Schwangerschaft
3.2.3 Beurlaubung aus wichtigem Grund
3.2.4 Beurlaubung hochbegabter Kinder
4. Maßnahmen bei Schulpflichtverletzung
4.1 Beratungspflicht der Schule unter Beteiligung der Schulsozialarbeit, des
Jugendamts und der Schulpsychologie
4.2 Erörterungs- und Gefährdungseinschätzungspflichten der Lehrer
4.3 Bußgeldverfahren
1. Schulstufen und Schulformen
Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und Herkunft sowie sein Geschlecht ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung (§ 1 Abs. 1 Schulgesetz NRW).
Durch das Schulgesetz verpflichtet das Land Nordrhein-Westfalen die Eltern, ihrem Kind den Schulbesuch zu ermöglichen. Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilzunehmen.
www.schulministerium.nrw/schulgesetz-fuer-das-land-nordrhein-westfalen
Das Schulministerium NRW informiert umfassend über alle sonstigen Rechtsgrundlagen des Schulrechts in NRW:
www.schulministerium.nrw/schule-bildung/recht/schulrecht
1. Schulstufen und Schulformen
Das Schulwesen ist nach Schulstufen aufgebaut und in Schulformen gegliedert (§ 10).
1.1 Primarstufe - § 11
Die Primarstufe besteht aus der Grundschule. Diese umfasst die Klassen 1 bis 4. Die Klassen 1 und 2 werden als Schuleingangsphase geführt. Diese dauert in der Regel zwei Jahre. Sie kann aber auch in einem Jahr oder in drei Jahren durchlaufen werden. Die Grundschule erstellt mit dem Halbjahreszeugnis der Klasse 4 eine zu begründende Empfehlung für die Schulform, die für die weitere schulische Förderung geeignet bzw. mit Einschränkungen geeignet erscheint. Eltern, die ihr Kind an einer Schule einer Schulform anmelden, für die es keine und auch keine eingeschränkte Schulformempfehlung erhalten hat, nehmen während des Anmeldeverfahrens an einem Beratungsgespräch der weiterführenden Schule teil.
1.2 Sekundarstufe I - § 12
Die Sekundarstufe I umfasst die Hauptschule, die Realschule, die Sekundarschule sowie die Gesamtschule und das Gymnasium bis Klasse 10. Das Gymnasium kann in der Sekundarstufe I auch bis Klasse 9 geführt werden.
Der Erste Schulabschluss wird nach Klasse 9, der Erweiterte Erste Schulabschluss und der Mittlere Schulabschluss (Fachoberschulreife) nach Klasse 10 vergeben.
Der Erweiterte Erste Schulabschluss und der Mittlere Schulabschluss werden an der Hauptschule, der Realschule, der Sekundarschule, der Gesamtschule und dem Gymnasium mit neunjährigem Bildungsgang in einem Abschlussverfahren erworben, das sich aus den schulischen Leistungen in der zehnten Klasse und einer Prüfung zusammensetzt. Für die schriftliche Prüfung werden landeseinheitliche Aufgaben gestellt.
Besondere Regelungen befassen sich mit der Erprobungsstufe (§ 13), der Hauptschule (§ 14), der Realschule (§ 15), dem Gymnasium (§ 16), der Gesamtschule (§ 17) und der Sekundarschule (§ 18).
1.3 Sekundarstufe II - § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 2, § 18 Abs.1 , § 22 Abs. 2
Die Sekundarstufe II umfasst das Berufskolleg, die gymnasiale Oberstufe des Gymnasiums und der Gesamtschule. Das Gymnasium und die Gesamtschule werden in der Regel als Schulen der Sekundarstufen I und II geführt.
1.4 Sonderpädagogische Förderung - § 19
Schülerinnen und Schüler, die auf Grund einer Behinderung oder wegen einer Lern- oder Entwicklungsstörung besondere Unterstützung benötigen, werden nach ihrem individuellen Bedarf sonderpädagogisch gefördert.
Orte der sonderpädagogischen Förderung sind die allgemeinen Schulen (allgemein bildende Schulen und Berufskollegs), die Förderschulen und die Klinikschulen (§ 21 Abs. 2).
www.schulministerium.nrw/sonderpaedagogische-foerderung
Die Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF regelt die sonderpädagogische Förderung von Schülerinnen und Schülern an allgemeinen Schulen (allgemeinbildende Schulen und Berufskollegs), Förderschulen sowie Klinikschulen.
www.schulministerium.nrw/ausbildungsordnung-sonderpaedagogische-foerderung-ao-sf
1.5 Klinikschule (§ 21 Abs. 2)
Die Klinikschule unterrichtet Schülerinnen und Schüler, die wegen einer stationären Behandlung im Krankenhaus oder einer vergleichbaren medizinisch-therapeutischen Einrichtung mindestens vier Wochen nicht am Unterricht ihrer Schule teilnehmen können. Sie unterrichtet auch kranke Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
www.schulministerium.nrw/klinikschule
1.6 Hausunterricht (§ 21 Abs. 1)
Beim Hausunterricht kommt ein Lehrer zum kranken Schüler nach Hause und erteilt mit begrenzter Stundenzahl Unterricht in den Kernfächern. Eltern können bei der vom Kind besuchten Schule unter Beifügung eines ärztlichen Gutachtens Hausunterricht beantragen, wenn ihr Kind
- wegen einer körperlichen oder seelischen Krankheit (z. B. Beinbruch, Leukämie, Schulphobie) voraussichtlich länger als sechs Wochen ihre Schule nicht besuchen kann,
- wegen einer längerdauernden Erkrankung den Schulbesuch mindestens einen Tag in der Woche langfristig und regelmäßig versäumen wird.
- schwanger ist und sich in den Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz befindet (sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Geburt und acht Wochen nach der Geburt).
2. Schulpflicht (§ 34)
Schulpflichtig sind deutsche und ausländische Kinder, die in Nordrhein-Westfalen ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben (§ 34 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 3).
Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und alleinstehende Kinder und Jugendliche, die einen Asylantrag gestellt haben, sind schulpflichtig, sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind und solange ihr Aufenthalt gestattet ist. Für ausreisepflichtige ausländische Kinder und Jugendliche besteht die Schulpflicht bis zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht (§ 34 Abs. 6 Satz 1 und 2).
2.1 Beginn der Schulpflicht
Die Schulpflicht beginnt für Kinder, die bis zum Beginn des 30. September das sechste Lebensjahr vollendet haben, am 1. August desselben Kalenderjahres (§ 35).
- Vorzeitiger Beginn bei Schulfähigkeit: Kinder, die nach dem 30. September das sechste Lebensjahr vollenden, können auf Antrag der Eltern zu Beginn des Schuljahres in die Schule aufgenommen werden, wenn sie die für den Schulbesuch erforderlichen körperlichen und geistigen Voraussetzungen besitzen und in ihrem sozialen Verhalten ausreichend entwickelt sind (Schulfähigkeit); sie werden mit der Aufnahme schulpflichtig. Die Entscheidung trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter unter Berücksichtigung des schulärztlichen Gutachtens (§ 35 Abs. 2).
- Zurückstellung wegen erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigung: Schulpflichtige Kinder können aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein Jahr zurückgestellt werden. Die Entscheidung trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter auf der Grundlage des schulärztlichen Gutachtens. Die Eltern sind anzuhören. Die Prüfung kann auch auf Antrag der Eltern erfolgen. Die Zeit der Zurückstellung wird in der Regel auf die Dauer der Schulpflicht nicht angerechnet. Das Schulamt kann in Ausnahmefällen auf Antrag der Eltern die Zeit der Zurückstellung auf die Dauer der Schulpflicht anrechnen (§ 35 Abs. 3).
2.2 Erfüllung der Schulpflicht in Einrichtungen der Jugendhilfe
Kinder und Jugendliche mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung können, wenn das Bildungsziel in anderer Weise nicht erreicht werden kann und Hilfen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches erforderlich sind, auf Vorschlag des Jugendamtes und mit Zustimmung der Eltern durch die Schulaufsichtsbehörde auch in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden, um dort ihre Schulpflicht zu erfüllen (§ 37 Abs. 4).
2.3 Dauer der Schulpflicht in der Primarstufe und in der
Sekundarstufe I
Die Schulpflicht in der Primarstufe und der Sekundarstufe I (Vollzeitschulpflicht) dauert insgesamt zehn Schuljahre, am Gymnasium mit achtjährigem Bildungsgang neun Schuljahre. Sie wird durch den Besuch der Grundschule und einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule erfüllt (§ 37 Abs. 1).
In der Primarstufe besteht Vollzeitschulpflicht zum Besuch der Grundschule.
In der Sekundarstufe I besteht ebenfalls Vollzeitschulpflicht: Der Schüler ist zum Besuch einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule bis Klasse 10 verpflichtet (Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium).
Die Schulpflicht der Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an zieldifferenter sonderpädagogischer Unterstützung dauert unabhängig vom Ort der sonderpädagogischen Förderung zehn Schuljahre (§ 37 Abs. 3).
Zu weiteren Einzelheiten siehe § 7 Schulgesetz NRW
2.4 Dauer der Schulpflicht in der Sekundarstufe II
Nach der Schulpflicht in der Primarstufe und der Sekundarstufe I beginnt die Pflicht zum Besuch der Berufsschule (§ 22 Abs. 4) oder eines anderen Bildungsganges des Berufskollegs oder einer anderen Schule der Sekundarstufe II.
Wer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt, ist bis zu dessen Ende schulpflichtig (§ 38 Abs. 2).
Für Jugendliche ohne Berufsausbildungsverhältnis dauert die Schulpflicht bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem sie das achtzehnte Lebensjahr vollenden. Die Schulaufsichtsbehörde kann Schulpflichtige, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, vom weiteren Besuch der Schule befreien. Die Schulpflicht endet vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres mit dem erfolgreichen Abschluss eines Bildungsganges der Sekundarstufe II (§ 38 Abs. 3).
Die Schulpflicht endet vor den in Absatz 2 und 3 festgelegten Zeitpunkten, wenn nach Festlegung in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung die bisherige Ausbildung den weiteren Schulbesuch entbehrlich macht oder die obere Schulaufsichtsbehörde im Einzelfall eine entsprechende Feststellung trifft (§ 38 Abs. 4).
Wer nach dem Ende der Schulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt, ist berechtigt, die Berufsschule zu besuchen, solange das Berufsausbildungsverhältnis besteht (§ 38 Abs. 5).
2.5 Ruhen der Schulpflicht
Die Schulpflicht ruht u. a.
- während des Besuchs einer anerkannten Ausbildungseinrichtung für Heil- oder Heilhilfsberufe,
- während eines Bundesfreiwilligendienstes,
- während eines freiwilligen ökologischen oder sozialen Jahres,
- vor und nach Geburt des Kindes einer Schülerin, wenn nach dem Mutterschutzgesetz eine Beschäftigung nicht zulässig ist,
- wenn der Nachweis geführt wird, dass durch den Schulbesuch die Betreuung des Kindes der Schülerin oder des Schülers gefährdet wäre,
- für Personen mit Aussiedler- oder Ausländerstatus während des Besuchs eines anerkannten Sprachkurses oder Förderkurses,
- während des Besuchs des Bildungsgangs der Abendrealschule oder eines Vollzeitkurses einer Weiterbildungseinrichtung zum nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses (§ 40 Abs. 1).
Für Kinder und Jugendliche, die selbst nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Unterstützung nicht gefördert werden können, ruht die Schulpflicht. Die Entscheidung trifft die Schulaufsichtsbehörde; sie holt dazu ein Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde ein und hört die Eltern an (§ 40 Abs. 2).
Die Zeit des Ruhens der Schulpflicht wird auf die Dauer der Schulpflicht angerechnet (§ 40 Abs. 3).
3. Pflichten aus dem Schulverhältnis (§ 41)
Durch die Aufnahme in eine öffentliche Schule entsteht ein öffentlich-rechtliches Schulverhältnis, aus dem sich Rechte und Pflichten für die Schule, die Eltern und die Schüler/innen ergeben. Dies erfordert vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 41 Abs. 1).
Schüler/innen haben das Recht, ihrem Alter entsprechend an der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mitzuwirken und ihre Interessen wahrzunehmen. Sie sind über die Unterrichtsplanung zu informieren und an der Gestaltung des Unterrichts und sonstiger schulischer Veranstaltungen zu beteiligen (§ 41 Abs. 2).
Schüler/innen haben die Pflicht sich auf den Unterricht vorzubereiten, sich aktiv daran zu beteiligen, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu erledigen. Sie haben die Schulordnung einzuhalten und die Anordnungen der Lehrerinnen und Lehrer, der Schulleitung und anderer dazu befugter Personen zu befolgen (§ 41 Abs. 3; § 43 Abs. 1).
Eltern sorgen dafür, dass ihr Kind seine schulischen Pflichten erfüllt. Sie sollen sich aktiv am Schulleben, in den Mitwirkungsgremien und an der schulischen Erziehung ihres Kindes beteiligen. Die Schule hat dafür zu sorgen, dass alle Eltern in die Kommunikation einbezogen werden (§ 41 Abs. 4).
Schule, Schüler/innen und Eltern sollen sich auf gemeinsame Erziehungsziele und -grundsätze verständigen und wechselseitige Rechte und Pflichten in Erziehungsfragen festlegen (§ 41 Abs. 5).
Bei Schülerinnen und Schülern im Bildungsgang der Berufsschule obliegt die Verantwortung für die regelmäßige Teilnahme auch dem Ausbildenden oder dem Arbeitgeber (Mitverantwortliche für die Berufserziehung). Sie zeigen der Berufsschule den Beginn und die Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses an.
Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter sind verpflichtet, Schulpflichtige, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen, zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten und auf die Eltern sowie auf die für die Berufserziehung Mitverantwortlichen einzuwirken.
Die Schule hat jedem Anschein von Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch oder Misshandlung nachzugehen. Sie entscheidet rechtzeitig über die Einbeziehung des Jugendamtes oder anderer geeigneter Stellen (§ 41 Abs. 6).
3.1 Regelmäßiger Schulbesuch
Zum regelmäßigen Schulbesuch gehört insbesondere die Teilnahme an allen pflichtmäßigen Schulveranstaltungen:
- Sportunterricht,
- Biologie- und Sexualkundeunterricht,
- Ausflüge,
- Besuche von Einrichtungen im Rahmen des Unterrichts,
- Praktika,
- Schulfahrten,
- Sprachförderkurse.
Die Meldung zur Teilnahme an einer freiwilligen Unterrichtsveranstaltung verpflichtet zur regelmäßigen Teilnahme mindestens für ein Schulhalbjahr (§ 43 Abs. 1).
3.2 Verhinderungsgründe
Zum Besuch einer Schule sind Schüler/innen nicht verpflichtet, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt (§ 43 Abs. 2):
3.2.1 Verhinderung wegen Krankheit oder anderen nicht vorhersehbaren Gründen
Bei Verhinderung wegen Krankheit oder aus anderen nicht vorhersehbaren Gründen haben die Eltern unverzüglich
- die Schule zu unterrichten (z. B. telefonisch oder per E-Mail) und
- schriftlich den Grund für das Schulversäumnis mitzuteilen.
Die Schule kann nur bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Krankmeldung ein ärztliches Attest verlangen und in besonderen Fällen ein amtsärztliches Gutachten einholen.
Nicht vorhersehbare Gründe sind beispielsweise: Schwerer Unfall eines Familienangehörigen, Unwetter, Eisglätte, große Hitze usw.
3.2.2 Schwangerschaft
Schwangere sind während der gesetzlichen Schutzfristen vor und nach der Geburt eines Kindes nicht zum Schulbesuch verpflichtet (§ 3 Mutterschutzgesetz).
3.2.3 Beurlaubung aus wichtigem Grund
Die Schulleitung kann Schülerinnen und Schülern auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund bis zur Dauer eines Schuljahres vom Unterricht beurlauben oder von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreien.
Längerfristige Beurlaubungen und Befreiungen bedürfen der Zustimmung der Schulaufsichtsbehörde.
Eine Beurlaubung ist auch aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen möglich beispielsweise an hohen religiösen Feiertagen.
3.2.4 Beurlaubung hochbegabter Kinder
Dauerhafte Beurlaubungen und Befreiungen hochbegabter Schülerinnen und Schülern zur Förderung wissenschaftlicher, sportlicher oder künstlerischer Hochbegabungen setzen voraus, dass für andere geeignete Bildungsmaßnahmen gesorgt wird.
4. Maßnahmen bei Schulpflichtverletzung
Bei Verletzung der Schulpflicht durch das Kind haben Hilfemaßnahmen Vorrang vor Zwangsmaßnahmen.
Die Schulpflicht wird beispielsweise verletzt durch unentschuldigte einmalige, wiederholte oder dauerhafte ganztägige Nichtteilnahme am Unterricht bzw. am Unterricht einzelner Fächer sowie Nichtteilnahme an Schulfahrten und sonstigen schulischen Veranstaltungen.
Das Schulministerium NRW hat in Erlassen die Teilnahmepflicht und deren Überwachung ausführlich erläutert.
- Bass 12-52 Nr. 1: Teilnahme an Schulveranstaltungen -
https://bass.schul-welt.de/15402.htm#menuheader - Bass 12-51 Nr. 5: Überwachung der Schulpflicht -
https://bass.schul-welt.de/6958.htm
Schulen und Lehrer dürfen sich nicht auf die regelmäßig wirkungslosen Zwangsmittel zur Förderung der Schullust beschränken.
4.1 Beratungspflicht der Schule unter Beteiligung der
Schulsozialarbeit, des Jugendamts und der Schulpsychologie
Die Ursachen von Schulpflichtverletzungen liegen häufig im sozialen Umfeld der Schülerin oder des Schülers innerhalb oder außerhalb von Schule. Die Schule soll daher zunächst versuchen, durch umfassende Beratung und Hilfeangebote eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
Angst vor der Schule |
Allgemeine psychische Störung |
Bewusstes Fehlen |
Elternverhalten |
Angst vor allgemeiner oder spezieller Leistungsüberforderung Angst vor Prüfungen z. B. vor Tests Angst vor Lehrern |
Schulphobie Trennungsängste ohne Schulbezug Andere psychische Erkrankungen z. B. Depression |
Allgemeines Desinteresse am Lernen Desinteresse an einzelnen Fächern/Veranstaltungen Psychische Überforderung Mobbing /Konflikte mit Mitschülern oder Lehrern Sprach-und/oder Verständnisprobleme Benachteiligung durch Lehrer Fehlende Lebensperspektive |
Allgemeines Desinteresse Sprach-und/oder Verständnisprobleme Bewusster Verstoß gegen die gesetzliche Schulpflicht |
Die Schule soll deshalb möglichst frühzeitig Fachkräfte für Schulsozialarbeit im Hinblick auf sozialpädagogische Hilfen, das Jugendamt und die Schulpsychologie beteiligen, damit - falls erforderlich - geeignete Angebote der Jugendhilfe und der sozialen Dienste gemacht werden können (§ 5 SchulG)."
- Bass 21-13 Nr. 6: Schulsozialarbeit -
https://bass.schul-welt.de/8598.htm - Bass 21-01 Nr 15: Schulpsychologie -
https://bass.schul-welt.de/6914.htm#menuheader - Bass 21-13 Nr. 9: Soziale Arbeit an Schulen zur Integration durch Bildung für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler (Multiprofessionelle Teams) -
https://bass.schul-welt.de/16909.htm - Bass 21-13 Nr. 10: Sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase -
https://bass.schul-welt.de/17868.htm
4.2 Erörterungs- und Gefährdungseinschätzungspflichten der Lehrer
Lehrer sollen mit dem Kind/Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn ihnen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt werden z. B. Schulunlust, Benachteiligung durch Lehrer, Angst vor der Schule, Trennungsangst, Mobbing in der Klasse, Zurückhalten der Eltern, Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch).
Lehrer haben zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Jugendamt Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Allerdings dürfen sie Daten zur Kindeswohlgefährdung zunächst nur in anonymisierter oder pseudonymisierter Form an die Fachkraft/Beratungsstelle übermitteln (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz).
4.3 Einschaltung des Jugendamts
Falls die Bemühungen der Schule erfolglos geblieben sind oder aussichtslos erscheinen, darf der Lehrer - grundsätzlich erst nach vorheriger Information der Betroffenen - das Jugendamt offen informieren. Das Jugendamt wird dann prüfen, ob es mit dem Angebot bzw. der Vermittlung beispielsweise sozialpädagogischer, therapeutischer, medizinischer Hilfen für das Kind und dessen Familie die Gefährdung abwenden kann.
4.4 Anrufung des Familiengerichts
Das Jugendamt hat das Familiengericht anzurufen, wenn seine Möglichkeiten nicht ausreichen (§ 8a Abs. 2 SGB VIII). Das Gericht kann den Eltern bestimmte Verhaltensgebote hinsichtlich der Schulpflicht auferlegen und notfalls das Sorgerecht ganz oder teilweise entziehen, um Hilfsmaßnahmen für das Kind auch ohne Zustimmung der Eltern zu ermöglichen (§ 1666 BGB).
4.5 Einsatz von Zwangsmitteln
Die Eltern können von der Schulaufsichtsbehörde durch Zwangsmittel zur Erfüllung ihrer Pflichten angehalten werden.
Zwangsgeld - § 41 Abs. 5
Die Schulaufsichtsbehörde kann Zwangsgeld bis zu 5000 Euro den Eltern und den Arbeitgebern auferlegen, die nicht dafür sorgen, dass der Schulpflichtige am Schulunterricht regelmäßig teilnimmt. Das Zwangsmittel kann beliebig oft wiederholt werden.
Wird das Zwangsgeld nicht gezahlt, kann Ersatzzwangshaft angeordnet werden (§§ 57, 60 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW).
Zwangsweise Zuführung - § 41 Abs. 4
Der Schulpflichtige kann auf Ersuchen der Schule oder der Schulaufsichtsbehörde von der für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Ordnungsbehörde der Schule zwangsweise zugeführt werden (§§ 66 bis 73 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW).
Das Jugendamt ist über die beabsichtigte Maßnahme zu unterrichten.
4.6 Bußgeldverfahren
Ist im Einzelfall die Einschaltung des Jugendamtes nicht ausreichend bzw. nicht sinnvoll, kann ein Ordnungswidrigkeitenverfahren (Bußgeldverfahren) gegen
- Erziehungsberechtigte,
- berufsschulpflichtige Schülerinnen und Schüler,
- Schülerinnen und Schüler, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, sowie
- Ausbilder
eingeleitet und ein Bußgeld bis zu 1.000 Euro festgesetzt werden (§ 126 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 5 Schulgesetz NRW).
4.6.1 Festsetzung des Bußgeldes
Die Anhörung derjenigen, gegen die das Bußgeldverfahren eingeleitet werden soll, erfolgt durch die Schule. Diese leitet dann die Versäumnisanzeige, eine Kopie des Anhörungsschreibens und eine Kopie des evtl. ausgefüllten Anhörungsbogens an die Bezirksregierung weiter.
Die Bezirksregierung wägt ab, ob ein Bußgeldverfahren geeignet ist, das Ziel eines regelmäßigen Schulbesuchs zu erreichen, und ob der Einsatz der dazu erforderlichen Mittel in einem angemessenen Verhältnis zu den Erfolgsaussichten steht (§126 Abs. 3 SchulG i.V. m. § 47 Abs. 1 OWiG).
Das Bußgeld kann bis 1.000 Euro festgesetzt werden. Bei unzulässiger Ferienverlängerung ist mit einem Bußgeld von 10 bis 80 Euro je unentschuldigtem Fehltag zu rechnen.
4.6.2 Verfahren bei Nichtzahlung des Bußgeldes
Wenn das von der Bezirksregierung festgesetzte Bußgeld von den Betroffenen nicht fristgerecht gezahlt wird, ergeben sich folgende Konsequenzen:
- von Schüler/innen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und noch eine Vollzeitschule besuchen, werden die Unterlagen dem örtlichen Jugendrichter zugeleitet, der durch Beschluss eine Arbeitsauflage verhängen kann (§ 98 OWiG: Ableisten von Sozialstunden). Jugendarrest kann verhängt werden, wenn die Sozialstunden nicht geleistet werden;
- ebenso wird bei berufsschulpflichtigen Schüler/innen verfahren, die kein Berufsausbildungsverhältnis eingegangen sind;
- bei berufsschulpflichtigen Schüler/innen, die eine Berufsausbildung durchlaufen, erfolgt diese Maßnahme bis zum 21. Lebensjahr;
- bei berufsschulpflichtigen Schüler/innen, die älter als 21 Jahre sind, wird versucht, durch Mahnverfahren der Landeskasse und Einschalten des Gerichtsvollziehers die Zahlung zu erreichen. Dabei sind die Pfändungsschutzvorschriften einzuhalten;
- Eltern oder Arbeitgeber werden ebenfalls durch das Mahnverfahren und - im Fall der Nichtzahlung - durch den Gerichtsvollzieher zur Zahlung aufgefordert.
Sofern ein Betroffener Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt, leitet die Bezirksregierung die Unterlagen an das Amtsgericht weiter, wenn sie dem Einspruch nicht stattgibt. In diesem Fall entscheidet das Amtsgericht.
Der Beitrag wurde im Dezember 2023 umfangreich aktualisiert und inhaltlich deutlich erweitert. Somit weicht er auch inhaltlich von der gedruckten Fassung der Ausgabe 1/2014 (Januar 2014) des Recht-Informationsdienstes ab.