Schlichtung statt Klage – Alternative Streitbeilegung durch Schlichtungsstellen
Verbraucher im Sinne des Gesetzes sind u. a. alle Personen, die einen Vertrag, meist mit einem Unternehmer, abschließen, um eine oder mehrere Waren oder Dienstleistungen zur eigenen privaten Bedürfnisbefriedigung, zu erlangen, meist von einem Unternehmer (§§ 13, 14 BGB). Deshalb gehören zu den Verbrauchern nicht nur die Käufer von Bedarfsgegenständen, sondern auch alle Menschen, die mit caritativen Trägern Verträge abschließen bzw. vertragsähnliche Beziehungen begründen, um beraten, betreut, gepflegt oder behandelt zu werden.
Beispiele: Beratung in einer Erziehungsberatungsstelle, Betreuung in einem Altenheim, in einer Einrichtung für Kinder, Jugendliche oder behinderte Menschen.
Ausgenommen aus dem Geltungsbereich des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes sind insbesondere
- Gesundheitsdienstleistungen: Zuständig sind Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärzte- und den Psychotherapeutenkammern,
- arbeitsvertragliche Streitigkeiten: Kirchliche Mitarbeiter können Schlichtungsstellen der Diözesan-Caritasverbände bzw. Generalvikariate anrufen.
- Streitigkeiten, für die Schlichtungsstellen nach anderen Rechtsvorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet werden.
Die nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz anerkannten Schlichtungsstellen und deren Zuständigkeiten sind in einem Verzeichnis zusammengestellt (www.bundesjustizamt.de: siehe Anhang).
Für Streitigkeiten mit einem Unternehmer aus einem anderen EU-Staat ist das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland zuständig (www.evz.de). Für Verbraucher gibt es auch eine Online-Streitbeilegungsplattform.
Die gesetzliche Regelung gewährleistet, dass Verbraucher in jedem Fall, in dem eine Streitigkeit mit einem Unternehmen besteht, eine Schlichtungsstelle anrufen können, wenn sie der Meinung sind, dass ein Unternehmen sich nicht rechtmäßig verhält. Im Schlichtungsverfahren wird der Fall neutral von einer unabhängigen, fachlich kompetenten Instanz bewertet mit dem Ziel, eine Einigung zu erreichen. Damit wird Verbrauchern eine Alternative zu einem häufig finanziell risikoreichen und langwierigen Gerichtsverfahren geboten.
Schlichtungsstellen
Der Verbraucher kann eine Schlichtungsstelle erst anrufen, wenn er sich erfolglos bemüht hat, mit dem Unternehmer eine Einigung zu erreichen.
Besteht für sein Anliegen eine sachlich und örtlich zuständige branchenspezifische Verbraucher-schlichtungsstelle, hat diese Vorrang vor der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle.
Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle ist nur dann zuständig, wenn keine Branchen-schlichtungsstelle zuständig ist.
Verfahren
Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens setzt meist eine schriftliche Eingabe - online oder offline -
voraus. Näheres bestimmen die Verfahrensordnungen der einzelnen Schlichtungsstellen.
Beide Seiten können sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Meist hat der Verbraucher ein Antragsformular auszufüllen Er hat dabei verschiedene Fragen zu beantworten und darzustellen, was sich zugetragen hat und was er erreichen will, z. B. Schadensersatz in Höhe von 1.200 Euro.
Die Beteiligung am Verfahren ist nach der gesetzlichen Regelung für beide Seiten freiwillig.
Informationspflichten des Unternehmers
Der Unternehmer muss den Verbraucher/Bewohner bei Vertragsabschlüssen ab dem 1. April 2016 im Vertrag darüber in Kenntnis setzen, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Unternehmer sind verpflichtet, auf ihrer Webseite und/oder in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich darauf hinzuweisen, inwieweit sie sich freiwillig bereit erklärt haben, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen (§ 36 Absatz 1 Nr. 1 VSBG). Die Teilnahme kann auch auf bestimmte Konflikte oder bis zu einer bestimmten Wertgrenze beschränkt werden.
Sind Unternehmer allgemein nicht bereit, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, müssen sie ihre künftigen Vertragspartner darüber ebenfalls auf ihrer Webseite und/oder in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen informieren.
Unabhängig von dieser allgemeinen Informationspflicht müssen Unternehmer dann, wenn es zu einem Streit mit einem Verbraucher kommt, diesen in Textform darüber unterrichten, an welche Schlichtungsstelle er sich wenden kann (§ 37 VSBG). Gleichzeitig müssen sie mitteilen, ob sie zur Teilnahme am Verfahren dieser Stelle bereit oder verpflichtet sind.
Ablauf des Verfahrens
Erkennt die Schlichtungsstelle auf den ersten Blick, dass der Antrag des Verbrauchers nicht begründet ist, teilt sie das dem Verbraucher mit.
Im Regelfall gibt sie den begründeten Antrag des Verbrauchers dem Unternehmen bekannt. Dadurch wird die Verjährung des Anspruchs für die Dauer des Schlichtungsverfahrens gehemmt.
Gleichzeitig fragt sie, ob sich das Unternehmen an dem Verfahren beteiligen möchte. Für diesen Fall, wird das Unternehmen aufgefordert, sich zu dem Fall zu äußern. Der Verbraucher kann eine Gegenäußerung formulieren.
Der Verbraucher kann seinen Antrag jederzeit zurücknehmen oder auch der weiteren Durchführung des Verfahrens widersprechen (per E-Mail, Fax, Brief oder online über sein Konto).
Die Schlichtungsstelle erarbeitet auf der Basis des Sachvortrags der Beteiligten einen Schlichtungsvorschlag, falls nicht schon vorher eine Einigung erzielt wurde.
Beide Parteien werden in jedem Fall über den Verfahrensausgang informiert. Dies erfolgt in der Regel per E-Mail. Der Schlichtungsvorschlag ist für beide Seiten nicht verpflichtend. Kommt es nicht zu einer Einigung, kann das Gericht angerufen werden.
Dauer des Verfahrens
Der Schlichtungsvorschlag soll in der Regel innerhalb von 90 Tagen ab Eingang der vollständigen Beschwerdeakte den Parteien vorgelegt werden; lediglich in begründeten Ausnahmefällen kann er später vorgelegt werden.
Kosten
Nur von dem Unternehmer erhebt die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. ein Entgelt in Höhe von
- 50 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro,
- 75 Euro bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro,
- 150 Euro bei Streitwerten von 200,01 Euro bis einschließlich 500 Euro,
- 300 Euro bei Streitwerten von 500,01 Euro bis einschließlich 2.000 Euro,
- 380 Euro bei Streitwerten von 2.000,01 Euro bis einschließlich 5.000 Euro,
- 600 Euro bei Streitwerten von über 5.000 Euro.
Erkennt der Unternehmer den geltend gemachten Anspruch sofort vollständig an, so ermäßigt sich das Entgelt bei Streitwerten von über 200 Euro auf 75 Euro, bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro auf 50 Euro und bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro auf 40 Euro.
Der Verbraucher hat keine Verfahrensgebühr zu zahlen. Lässt er sich in dem Verfahren vertreten, trägt er die Kosten ihres Vertreters selbst.
Von Verbrauchern darf nur bei missbräuchlicher Anrufung ein Schlichtungsentgelt in Höhe von 30 Euro verlangt werden, beispielsweise wenn die Anrufung auch aus der Sicht eines juristischen Laiens offensichtlich unbegründet ist und nur den Zweck verfolgt, den Unternehmer in Misskredit zu bringen.
Anhang: Liste der anerkannten Schlichtungsstellen
nach § 33
- Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung
- undenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und
Raiffeisenbanken e. V. - Ombudsmann der Privaten Banken
- Ombudsmann Immobilien IVD/VPB - Grunderwerb und Verwaltung
- Ombudsstelle für Investmentfonds
- Ombudsstelle für Sachwerte und Investmentvermögen
- Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung
- Schlichtungsstelle Bausparen
- Schlichtungsstelle bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
- Schlichtungsstelle bei der Deutschen Bundesbank
- Schlichtungsstelle beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V.
- Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
- Schlichtungsstelle Energie
- Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz
- Schlichtungsstelle Post der Bundesnetzagentur
- SNUB - Die Nahverkehr-Schlichtungsstelle
- söp_Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
- Verbraucherschlichtungsstelle beim Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e. V. (VÖB)
- Verbraucherschlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur
- Versicherungsombudsmann e. V.
- VuV-Ombudsstelle beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland
Außerdem gibt es Schlichtungsstellen der Handwerkskammern und Innungen, die entweder für alle Streitigkeiten mit Handwerkern oder nur für bestimmte Bereiche, beispielsweise für das KFZ-Gewerbe oder für Bausachen zuständig sind.
Die Schlichtungsstelle nach § 16 Bundesgleichstellungsgesetz hat die Aufgabe, Streitigkeiten zwischen Menschen mit Behinderungen und Trägern öffentlicher Gewalt zum Thema Barrierefreiheit außergerichtlich beizulegen.