Rechtsprechung zur Grundsicherung
SGB II und SGB XII: Anspruch auf Zuschuss zur Erstausstattung nach Entsorgung der Möbel
Bundessozialgericht, Urteil vom 16.02.2022 - B 8 SO 14/20
Die alleinstehende Klägerin, die an paranoider Schizophrenie litt, hatte im Zuge eines akuten Krankheitsschubs weite Teile ihrer Wohnungseinrichtung entsorgt.
Nach Entlassung aus einer Fachklinik bezog sie Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Auf ihre Klage wurde der zuständige Sozialhilfeträger verurteilt, ihr die übliche Erstausstattung zu zahlen. Seine Berufung und Revision blieben erfolglos. Das Bundessozialgericht stellte fest:
- Eine Wohnungserstausstattung ist auch dann zu gewähren, wenn die bisherige Einrichtung aufgrund eines zeitlich eingrenzbaren außergewöhnlichen Umstandes unvorhergesehen untergeht.
- Der Anspruch besteht nicht nur bei Brand, Unwetter und anderen "von außen" einwirkenden Umständen, sondern auch bei Erkrankung des Leistungsberechtigten.
- Der Anspruch kann auch durch Gewährung einer in der Verwaltungspraxis üblichen Pauschale erfüllt werden, wenn diese angemessen ist.
SGB II und XII: Kein Anspruch auf eine Waschmaschine
Bundessozialgericht, Urteil vom 19.05.2022 - B 8 So 1/21 R
Die alleinstehende Klägerin bezog Leistungen nach dem SGB XII. Sie hatte im Rahmen eines Umzugs ihre nicht mehr funktionstüchtige Waschmaschine entsorgt. Seitdem hat sie drei Jahre die Wäsche mit der Hand und gelegentlich auch in einem Waschsalon gewaschen. Im Herbst 2015 beantragte sie einen Zuschuss in Höhe von 100 Euro für die Anschaffung einer Waschmaschine, da ihr gesundheitsbedingt die Handwäsche nicht mehr möglich sei. Antrag und Klage hatten keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht stellte u. a. fest:
- Für die Ersatzbeschaffung einer Waschmaschine sind monatlich 1,60 Euro Regelbetrag vorgesehen. Vom Leistungsempfänger wird erwartet, dass er diesen Betrag über viele Jahre anspart, um im Bedarfsfall eine Waschmaschine kaufen zu können.
- Bei notwendigen Gebrauchsgütern kann der Sozialhilfeträger nur ein Darlehen gewähren und monatlich zur Rückzahlung fünf Prozent des Regelsatzes = 25,10 Euro einbehalten (§ 37 Abs. 4 SGB XII). Der Regelsatz von 502 Euro verringert sich für viele Monate auf 477 Euro.
Anmerkung: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in 2015 geltenden gesetzlichen Regelungen waren u. a. vom Bundesrat geltend gemacht worden. Seit 01.01.2023 gilt die gesetzliche Regelung in § 30 Abs. 10 SGB XII, die auch einen Zuschuss nur in sehr engen Grenzen zulässt. Deshalb ist zu hoffen, dass es bald zu einer verfassungsrechtlichen Prüfung kommt, ob diese Regelung dem Anspruch der Bundesrepublik Deutschland entspricht, ein sozialer Rechtsstaat zu sein.