Rechtsgrundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts
Übersicht
1. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts
der Kirche
2. Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts für den
kirchlichen Dienst
2.1 Kollektivarbeitsrecht
2.2 Individualarbeitsrecht
3. Kirchliche Ordnungen der kirchlichen Arbeitsverhältnisse
4. Kirchliches Kollektivarbeitsrecht
4.1 Mitwirkung und Mitbestimmung der Mitarbeiter in der Einrichtung
(Mitarbeitervertretungsordnung - MAVO)
4.2 Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse in
Arbeitsrechtlichen Kommissionen
5. Kirchliches Individualarbeitsrecht und staatliches Arbeitsrecht
5.1 Inhalt kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen
5.2 Rechtsqualität kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen
Der Arbeitsvertrag ist für die meisten Menschen der wichtigste Vertrag; denn er sichert die materielle Lebensgrundlage.
Für Arbeitnehmer gelten zahlreiche staatliche Schutzvorschriften.
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und der freien Wirtschaft haben mit Gewerkschaften in Tarifverträgen Arbeitsbedingungen vereinbart, die günstiger als die gesetzlichen sind. Von Arbeitnehmern gewählte Betriebsräte/Personalräte stehen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu.
Für die Kirche stellte sich die Frage, welche Rechte und Pflichten die Menschen haben sollen, die im kirchlichen Dienst arbeiten.
1. Verfassungsrechtliche Grundlagen des
Selbstbestimmungsrechts der Kirche
Den Kirchen und den ihnen zugeordneten Vereinigungen und Verbänden ist durch das Grundgesetz die Freiheit garantiert, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten.
Das Grundgesetz enthält keine eigene Regelung des Verhältnisses des Staats zur Kirche. Es verweist in Artikel 140 auf Regelungen der Weimarer Reichsverfassung. Für das kirchliche Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der kirchlichen Dienste ist Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung einschlägig:
"Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes." (Art. 137 Abs. 3 WRV)
Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist somit nicht schrankenlos, sondern im Rahmen des "für alle geltenden Gesetzes" garantiert.
Die Europäische Union hat in Art. 17 des "Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status der Kirche in der Bundesrepublik nicht antastet.
"Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht."
2. Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts
für den kirchlichen Dienst
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche erstreckt sich auf das Kollektivarbeitsrecht und - in eingeschränktem Maße - auf das Individualarbeitsrecht.
2.1 Kollektivarbeitsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass der Bischof als kirchlicher Gesetzgeber seiner Diözese aufgrund des vom Grundgesetz gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die Organisation und Verwaltung der kirchlichen Dienststellen und Einrichtungen selbst regeln kann. Deshalb ist es dem staatlichen Gesetzgeber untersagt, Regelungen zu erlassen, die den Arbeitnehmern in kirchlichen Einrichtungen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte an Entscheidungen des kirchlichen Arbeitgebers einräumen.
Die Kirche kann den dadurch entstandenen Freiraum durch Regelungen ausfüllen, die ihrem Selbstverständnis entsprechen.1 Sie hat in der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) bestimmt, dass der kirchliche Arbeitgeber zahlreiche Entscheidungen nur treffen darf, wenn er die von den Arbeitnehmern gewählte Mitarbeitervertretung vorher angehört hat bzw. wenn die Mitarbeitervertretung Einwendungen erhebt, die Angelegenheiten mit der Mitarbeitervertretung beraten hat.
Beispiel: Kündigt der kirchliche Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Mitarbeiters, ohne die Mitarbeitervertretung vorher über seine Kündigungsgründe umfassend informiert zu haben, ist die Kündigung unwirksam.
Für einige wichtige Maßnahmen bedarf er der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Verletzt der kirchliche Arbeitgeber seine Beteiligungspflichten, kann die Mitarbeitervertretung das Kirchliche Arbeitsgericht anrufen und den Mitarbeiter beispielsweise zwingen, eine Maßnahme zu unterlassen bzw. die unterlassene Beteiligung nachzuholen.
Beispiel: Das Kirchliche Arbeitsgericht Freiburg verurteilte einen kirchlichen Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer trotz verweigerter Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu niedrig eingruppiert hatte, zu einer Geldbuße.2
2.2 Individualarbeitsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 04.06.1985 und vom 22.10.2014 festgestellt, dass die Kirchen aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts besondere kirchliche Regelungen für den kirchlichen Dienst entwickeln, aber auch aufgrund der "jedermann offenstehenden Privatautonomie" Arbeitsverträge abschließen können:
"Die Kirchen sind nicht darauf beschränkt, für den kirchlichen Dienst besondere Gestaltungsformen zu entwickeln; sie können sich auch der jedermann offenstehenden Privatautonomie bedienen, um ein Dienstverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung; hierbei bleibt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wesentlich. Das ermöglicht den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen."3
Daraus folgt u. a.
- Schließt eine kirchliche Stelle Arbeitsverträge ab, gilt das staatliche Arbeitsrecht. Jedoch darf die Kirche spezifische Verhaltensanforderungen stellen ("Loyalitätsobliegenheiten").
- Kirchliche Regelungen für Arbeitsverträge sind unwirksam, wenn und soweit sie gegen staatliches Recht, insbesondere gegen staatliches Arbeitsrecht oder gegen Grund- oder Menschenrechte verstoßen.
3. Kirchliche Ordnung der kirchlichen
Arbeitsverhältnisse
Im kirchlichen Dienst stehen Priester, Ordensleute und Laienmitarbeiter.
Für die Rechte und Pflichten der Priester und Ordensangehörigen im Verhältnis zur Kirche bzw. zum Orden gelten die kirchenrechtlichen Vorschriften.
Für die Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis haben die deutschen Bischöfe in ihrer "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" vom 27.04.2015 Grundsätze zur Eigenart des kirchlichen Dienstes aufgestellt.
Diese Grundsätze sind in die "Grundordnung für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" vom 27.04.2015 übernommen und u. a. von den Bischöfen in NRW für ihren Bereich als kirchliches Gesetz zum 1. August 2015 in Kraft gesetzt worden.
Die Grundordnung hat kirchenrechtliche Verbindlichkeit für kirchliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer (= normative Wirkung). In der Grundordnung werden u. a.
- die besonderen Pflichten und Obliegenheiten der Dienstgeber und der Mitarbeiter bestimmt, die durch die kirchlichen Aufgaben und Ziele gegeben sind, und
- die kirchlichen Dienstgeber zur Einhaltung der Grundnormen der katholischen Soziallehre für Arbeits- und Lohnverhältnisse verpflichtet.
4. Kollektivarbeitsrecht
Das kirchliche Kollektivarbeitsrecht umfasst das Mitarbeitervertretungsrecht (MAVO) und das Recht der Kommissionen zur Ordnung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts (KODA-Ordnungen).
Im Bereich des Kollektivarbeitsrechts gilt ausschließlich das kirchliche Recht.
Im staatlichen Bereich umfasst das kollektive Arbeitsrecht das Betriebsverfassungsrecht, das Personalvertretungs- und das Tarifvertragsrecht einschließlich des Arbeitskampfrechts.
4.1 Mitwirkung und Mitbestimmung der Mitarbeiter in der Einrichtung
(Mitarbeitervertretungsordnung - MAVO)
Der Staat muss im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts das kirchliche Selbstbestimmungsrecht respektieren.4 Aus diesem Grunde sind die kirchlichen Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsgesetzes ausgenommen (§ 118 BetrVG; § 120 PersVG NRW).
Die Bischöfe haben den dadurch geschaffenen Freiraum ausgefüllt und zur Sicherung der Mitwirkung der im kirchlichen Dienst Beschäftigten die Mitarbeitervertretungsordnungen als kircheneigene Regelungen erlassen:
"Die Mitbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist geboten, weil diese den Dienst der Kirche verantwortlich mitgestalten. Die Unterschiede zum staatlichen Recht haben ihren Grund in der Sendung der Kirche" (Erklärung zum kirchlichen Dienst, Abschnitt V).
4.2 Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer
Arbeitsverhältnisse in Arbeitsrechtlichen Kommissionen
Der zuständige Bischof könnte Regelungen der Vergütung, der Arbeitszeit, des Erholungsurlaubs usw. für kirchliche Arbeitsverhältnisse ohne Beteiligung der Mitarbeiter erlassen, weil er nach kirchlichem Recht die Rechtssetzungsbefugnis hat und das staatliche Recht nicht entgegensteht (Erster Weg).
Die deutschen Bischöfe haben diesen ersten Weg nicht gewählt. Sie halten auch den "Zweiten Weg" der Regelung von Arbeitsbedingungen durch das Tarifvertragssystem für nicht gangbar, weil er Streik und Aussperrung einschließt, was unvereinbar mit der Idee der Dienstgemeinschaft ist (Erklärung zum kirchlichen Dienst, Abschnitt V.1).
Die deutschen Bischöfe haben sich deshalb für einen "Dritten Weg" entschieden:
V. Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen
- In der Bundesrepublik Deutschland hat die Kirche das verfassungsmäßig gewährleistete Recht, ein eigenes Regelungsverfahren zu schaffen, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse zu beteiligen. Das Tarifvertragssystem mit dem zu seinen Funktionsvoraussetzungen gehörenden Arbeitskampf sichert nicht die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Tarifverträge kirchlicher Einrichtungen mit verschiedenen Gewerkschaften sind mit der Einheit des kirchlichen Dienstes unvereinbar. Streik und Aussperrung widersprechen den Grunderfordernissen des kirchlichen Dienstes. Für die Einrichtungen der Glaubensverkündigung und die Werke der Nächstenliebe gäbe daher die Kirche ihren Sendungsauftrag preis, wenn sie ihren Dienst den Funktionsvoraussetzungen des Tarifvertragssystems unterordnen würde.
- Die Dienstgemeinschaft als das maßgebende Strukturelement des kirchlichen Dienstes gebietet es, dass unterschiedliche Interessen bei Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Beachtung des Grundkonsenses aller über den kirchlichen Auftrag ausgeglichen werden. Diesem Zweck dient es, dass die Kirche mit paritätisch besetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen einen eigenen Weg zur Regelung der Vergütung und anderen Arbeitsbedingungen geht. Die Kompetenz der arbeitsrechtlichen Kommission eröffnet die Möglichkeit, dass jeder Interessenkonflikt Gegenstand einer Schlichtung sein kann. Dabei bleibt die Hirtenaufgabe des Bischofs unberührt, die fassende Verantwortung für alle ihm anvertrauten Gläubigen wahrzunehmen. Das kirchenspezifische Arbeitsrechtsregelungsverfahren des Dritten Weges sichert und fördert die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen. Es leistet damit zugleich einen Beitrag für die vom Kirchenverständnis getragene Dienstgemeinschaft.
4.2.1 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Dritten Wegs
Das Bundesarbeitsgericht hat den "Dritten Weg" als verfassungsgemäß anerkannt, allerdings nur, wenn die Kirche das Grundrecht der Arbeitnehmer auf Koalitionsfreiheit respektiert und die Gewerkschaften in das kirchliche Arbeitsrechtsregelungsverfahren organisatorisch einbindet. Solange dies nicht erfolgt, sind Streik und Aussperrung zulässig.5 Gegen das Urteil hat die Gewerkschaft ver.di Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird.
Die Bischöfe haben die gewerkschaftliche Betätigung der Mitarbeiter und die Mitwirkung tariffähiger Gewerkschaften in den arbeitsrechtlichen Kommissionen in einem von der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder abhängigen Umfang zugelassen:
VII. Koalitionsfreiheit kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kirchlichen Dienstes können sich in Ausübung der Koalitionsfreiheit als kirchliche Arbeitnehmer zur Beeinflussung der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in Vereinigungen (Koalitionen) zusammenschließen, diesen beitreten und sich in ihnen betätigen. Die Koalitionen sind berechtigt, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen innerhalb der kirchlichen Einrichtung für den Beitritt zu diesen Koalitionen zu werben, über deren Aufgabe und Tätigkeit zu informieren sowie Koalitionsmitglieder zu betreuen. Die Mitwirkung von tariffähigen Arbeitnehmerkoalitionen (Gewerkschaften) in den arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges ist gewährleistet. Die Koalitionsfreiheit entbindet die Vertreter der Koalition nicht von der Pflicht, das verfassungsmäßige Selbstbestimmungsrecht der Kirche zur Gestaltung der sozialen Ordnung ihres Dienstes zu achten und die Eigenart des kirchlichen Dienstes zu respektieren (Abschnitt VII der Erklärung zum kirchlichen Dienst).
4.2.2 Kollektivarbeitsrechtliche Mitwirkung der Mitarbeiter
Die kollektivarbeitsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitarbeiter werden durch Ordnungen für die Kommissionen bestimmt, die über das Arbeitsvertragsrecht im kirchlichen Dienst beschließen (KODA-Ordnungen):
- Zentral-KODA-Ordnung: Ordnung für die Zentrale Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes im kirchlichen Dienst.
Die Zentral-KODA beschließt u. a. über Regelungen, die für alle kirchlichen Dienstgeber und Mitarbeiter gelten und nimmt allgemeine Koordinations- und Beobachtungsaufgaben wahr.
→ www.zentralkoda.de
- AK-O: Ordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes.
Die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes beschließt die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR-Caritas).
Sie besteht aus einer Bundeskommission (2 x 28 Mitglieder) und sechs Regionalkommissionen (RK NRW: 2 x 10 Mitglieder).
Die Bundeskommission hat die allgemeine Beschlusskompetenz, bestimmt aber für Vergütung, Arbeitszeit und Erholungsurlaub nur Bandbreiten (§ 10 AK-O). Die Regionalkommission NRW bestimmt Vergütung, Arbeitszeit und Erholungsurlaub innerhalb der Bandbreiten und lässt einrichtungsspezifische Regelungen zu (§ 11 AK-O).
→ www.caritas.de/glossare/arbeitsrechtliche-kommission
- Regional-KODA-NRW
Die Regional-KODA-NRW beschließt die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO-NRW) in den (Erz-)Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfä-lischer Teil) und Paderborn.
→ www.regional-koda-nw.de
5. Kirchliches Individualarbeitsrecht und staatliches
Arbeitsrecht
Für die individualarbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten der Mitarbeiter/-innen, mit denen ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, gelten die von den kirchlichen Kommissionen zur Ordnung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts beschlossenen Regelungen der
- AVR-Caritas = Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes
Die AVR gelten für alle Mitarbeiter im caritativen Dienst. Ausgenommen sind die Mitarbeiter, die vom Geltungsbereich der KAVO-NRW erfasst werden.
→ www.schiering.org - KAVO-NRW = Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung für die (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil) und Paderborn
Die KAVO gilt u. a. für die Mitarbeiter in der kirchlichen Verwaltung, im pastoralen und im liturgischen Dienst, für Mitarbeiter in Kindertagesstätten, im Büchereiwesen und für Eheberater.
→ www.regional-koda-nw.de
Eine kirchliche Stelle, die einen Arbeitsvertrag abschließt, gestaltet ihre rechtliche Beziehung zum Mitarbeiter nicht nach kirchlichem Recht, sondern nach staatlichem Recht, und bindet sich dadurch an das staatliche Arbeitsrecht.
Deshalb gelten für die individualrechtlichen Rechte und Pflichten der Laien im kirchlichen Dienst grundsätzlich alle staatlichen Vorschriften über Dienst- und Arbeitsverhältnisse (→ Beitrag "Arbeitnehmer: Grundbegriffe und wichtige Rechtsgrundlagen des Arbeitsrechts").
Die staatlichen Vorschriften legen aber nur Mindestarbeitsbedingungen fest. Deshalb sind kirchliche Arbeitsrechtsregelungen zulässig, die Arbeitsbedingungen (Vergütung, Zuschläge, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigung usw.) abweichend vom Gesetz regeln. Diese Regelungen müssen aber - von gesetzlich zugelassenen Ausnahmen abgesehen - günstiger für die Mitarbeiter sein als die gesetzliche Regelung (Günstigkeitsprinzip).
Für Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind die staatlichen Arbeitsgerichte zuständig. Sie sind berechtigt, das entscheidungserhebliche kirchliche Recht auszulegen und anzuwenden. Der einzelne Mitarbeiter kann deshalb seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag bei dem staatlichen Arbeitsgericht einklagen. Das Arbeitsgericht wendet in diesen Fällen die AVR-Regelungen und die einschlägigen für alle Arbeitnehmer geltenden staatlichen Gesetze an.
Beispiele: Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Bezahlung von Überstunden, Klagen gegen rechtswidrige Weisungen, Abmahnungen, Kündigungen, Dienstzeugnisse.
Die staatlichen Arbeitsgerichte sind berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob kirchliche Regelungen mit dem staatlichen Recht vereinbar sind. Ist eine kirchliche Regelung für den Mitarbeiter ungünstiger als die staatliche, ist sie unwirksam (§ 134 BGB). In diesem Falle gilt die staatliche Regelung.6
5.1 Inhalt kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen
Für Mitarbeiter im Bereich der katholischen Kirche werden keine Tarifverträge abgeschlossen. Die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen - AVR-Caritas, KAVO-NRW - füllen die insoweit bestehende Lücke aus, indem sie eigene Regelungen treffen. Diese orientieren sich mehr oder weniger weitgehend an den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst und müssen für Mitarbeiter günstiger sein sind als die gesetzlichen Vorschriften.
5.2 Rechtsqualität kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen
Anders als Tarifverträge haben die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Normqualität, d. h. sie wirken nicht unmittelbar auf die Dienstverträge ein, sondern werden von den staatlichen Arbeitsgerichten nur berücksichtigt, wenn ihre Anwendung im Einzeldienstvertrag vereinbart wird. Eine derartige einzelvertragliche Bezugnahme erfolgt in § 2 des AVR-Musterdienstvertrags. Diese Bezugnahmeklausel ist eine von Dienstgebern für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung. Sie ist somit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 I 1 BGB7
Auf dem Dritten Weg ordnungsgemäß zustande gekommene Arbeitsvertragsregelungen sind aber Tarifverträgen weitgehend gleichgestellt und nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen. Sie besitzen dieselbe Richtigkeitsgewähr wie Tarifverträge, weil das Verfahren des Dritten Weges mit paritätischer Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommissionen und Weisungsungebundenheit ihrer Mitglieder gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann.8
Diese eingeschränkte Kontrolle ist grundsätzlich nicht mehr davon abhängig, dass einschlägige tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernommen werden.9
Jedoch dürfen kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nicht von gesetzlichen Regelungen abweichen, wenn das Gesetz Abweichungen zu Ungunsten der Mitarbeiter/-innen ausdrücklich nur durch Tarifverträge gestattet. Eine derartige Abweichung ist nur zulässig, wenn das Gesetz sie den Kirchen erlaubt. Eine sog. "Kirchenklausel" enthalten § 7 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz, § 3 Abs. 1 Satz 1 Altersteilzeitgesetz und § 21 a Jugendarbeitsschutzgesetz.10
Beispiel: Die Regelung in § 14 Abs. 2 TzBfG zur Zulässigkeit von Befristungen: "Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer abweichend von Satz 1 festgelegt werden", ist auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nicht entsprechend anwendbar.
1 BVerfG, Beschluss vom 25.03.1980 - 2 BvR 208/76, NJW 1980, 1895.
2 Kirchliches Arbeitsgericht Freiburg, Urteil vom 30.09.2011 - 8/2011,www.lambertus.de.
3 BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83, AP Nr. 24 zu Art. 140 GG
Beschluss vom 22.10.2014 - 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387.
4 BAG, Urteil vom 20.11.2012 - 1 AZR 179/11.
5 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.11.2012 - 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448.
6 BAG, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538.
7 BAG, Urteil vom 17.11.2005 - 6 AZR 160/05, AZR 983/07, NZA 2009, 538.
NZA 2006, 872 und Urteil vom 24.03.2009.
8 BAG, Urteil vom 22.07.2010 - 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634.
9 BAG, Urteil vom 22.07.2010 - 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634.
10 BAG, Urteil vom 25.03.2009 - 7 AZR 710/07, NZA 2009, 1417.