Prozesskostenhilfe
Übersicht
1. Bedeutung der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe
2. Anwendungsbereich
3. Prozesskostenhilfe für freie Träger
4. Voraussetzungen
4.1 Nichtbestehen einer anderen Möglichkeit der Kostendeckung
4.2 Einkommens- und Vermögensgrenzen
4.2.1 PKH ohne Kostenbeteiligung
4.2.2 Einsatz des Einkommens
4.2.3 Einsatz des Vermögens
4.2.4 Bagatellgrenze
4.3 Hinreichende Aussicht auf Erfolg
4.4 Keine Mutwilligkeit
5. Antrag
5.1 Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
5.2 Versicherung an Eides statt
5.3 Stellungnahme des Gegners
6. Bewilligung
6.1 Festsetzung von Zahlungen
6.2 Beiordnung eines Rechtsanwalts
7. Änderung der Bewilligung
7.1 Änderung der Regelsätze
7.2 Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse/Änderung der Anschrift
7.3 Verschlechterung der Einkommensverhältnisse
8. Aufhebung der Bewilligung
1. Bedeutung der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe
Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe haben besondere Bedeutung für Familiensachen. Rund 2/3 aller Bewilligungen beziehen sich auf Familiensachen und helfen insbesondere mittellosen Frauen, ihre Rechte zu wahren.
Allerdings besteht auch bei Bewilligung der Hilfe ein Kostenrisiko: Wer im gerichtlichen Verfahren verliert, hat die Anwaltskosten der Gegenseite zu tragen.
Außerdem kann das Gericht nach Abschluss des Verfahrens überprüfen, ob die Bewilligung geändert oder aufgehoben werden kann oder muss.
2. Anwendungsbereich
Prozesskostenhilfe (PKH) wird Klägern und Beklagten gewährt für Verfahren
- vor dem Zivilgericht (§§ 114 ff. ZPO),
- in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Verfahrens-kostenhilfe nach §§ 76ff FamFG),
- vor dem Arbeitsgericht (§ 11a ArbGG),
- vor dem Verwaltungsgericht (§ 166 VwGO),
- vor dem Sozialgericht (§ 73 a SGG),
- vor dem Finanzgericht (§ 142 FGO).
Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078 ZPO
3. Prozesskostenhilfe für freie Träger
Prozesskostenhilfe steht auch einer juristischen Person (e.V., GmbH, Stiftung) zu, wenn die Prozesskosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Nr. 2 ZPO). Das ist der Fall, wenn ein erheblicher Kreis von Personen betroffen sein würde.1
Beispiel: Der Trägerverein einer Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Jungen und Mädchen kann Prozesskostenhilfe beantragen, wenn er die einzige Fachberatungsstelle am Ort unterhält und sich gegen die Streichung der Personalkostenzuschüsse durch das Jugendamt wehren will.
4. Voraussetzungen
Prozesskostenhilfe wird gemäß § 114 ZPO auf Antrag gewährt, wenn
- der Antragsteller nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (siehe Abschnitt 4.2) und
- der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der Prozesskosten gegen einen Dritten hat (siehe Abschnitt 4.1) und
- die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (siehe Abschnitt 4.3) und
- der Prozess nicht mutwillig ist (siehe Abschnitt 4.4).
4.1 Nichtbestehen einer anderen Möglichkeit der Kostendeckung
Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Antragsteller Anspruch auf Übernahme der Prozesskosten gegen einen Dritten hat.
Kein Anspruch auf PKH besteht, wenn der Bürger Anspruch auf Kostentragung gegen einen Dritten hat, z.B. gegen
- den Ehegatten oder die Eltern (Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nach § 1360 BGB)2,
- seine Rechtsschutzversicherung3,
- seine Gewerkschaft oder
- eine andere zur gerichtlichen Vertretung verpflichtete Organisation.
Ist es aber dem Bürger nicht zumutbar, den kostenlosen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, muss Prozesskostenhilfe gewährt werden.4
4.2 Einkommens- und Vermögensgrenzen
Für Rechtssuchende mit geringem Einkommen und Vermögen ist völlige Kostenfreiheit vorgesehen, während bei höheren Einkommen bzw. Vermögen Prozesskosten zunächst vom Staat übernommen werden, aber vom Rechtsuchenden durch Ratenzahlungen ganz oder teilweise zu erstatten sind.
4.2.1 PKH ohne Kostenbeteiligung
PKH ohne Kostenbeteiligung erhalten die Personen, die Anspruch auf Beratungshilfe haben.
Rechtssuchende, deren Einkommen bzw. Vermögen die gesetzlich festgelegten Grenzen übersteigt, haben Monatsraten zu entrichten.
Die Einkommens- und Vermögensgrenzen sind beim Beitrag "Beratungshilfe" dargestellt.
4.2.2 Einsatz des Einkommens
Übersteigt das zu berücksichtigende Einkommen die Einkommensgrenze für die Beratungshilfe, so sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden.
Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen.
Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt.
Beispiel 1: Das einzusetzende Einkommen beträgt 230 Euro. Dann ist die Monatsrate in Höhe der Hälfte = 115 Euro festzusetzen.
Beispiel 2: Das "einzusetzende Einkommen" beträgt 950 Euro. Die Monatsrate ist in Höhe von 300 Euro zuzüglich des gesamten 600 Euro übersteigenden einzusetzenden Einkommens festzusetzen (300 + 350 = 650 Euro).
Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen. Falls die Prozesskosten damit noch nicht vollständig beglichen sind, wird der Restbetrag erlassen.
4.2.3 Einsatz des Vermögens
Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend (§ 115 Abs. 3 ZPO).
→ www.jm.nrw.de/BS/formulare/prozesskostenhilfe - In Abschnitt G der "Ausfüllhinweise" wird erläutert, was zum Vermögen gehört.
4.2.4 Bagatellgrenze
Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen (§ 115 Abs. 4 ZPO).
Beispiel: Sind Prozesskosten in Höhe von 1.600 Euro zu erwarten und würde eine Monatsrate von 500 Euro zu entrichten sein, wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt.
4.3 Hinreichende Aussicht auf Erfolg
Im Unterschied zur Beratungshilfe setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus, dass hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, d. h. dass der Rechtsuchende voraussichtlich mit seiner Klage/seinem Antrag Erfolg haben wird.
Das Gericht hat grundsätzlich nur summarisch zu prüfen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg besteht. Über zweifelhafte Rechtsfragen darf nicht vorweg entschieden werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden.
4.4 Keine Mutwilligkeit
Trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde (§ 114 Abs. 2 ZPO).
Beispiel: Es besteht durchaus Aussicht auf Erfolg. Jedoch betragen die zu erwartenden Kosten ein Mehrfaches der geltend zu machenden Forderung.5
Bei Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder dem SGB XII sind auch relativ kleine Beträge existenzsichernd. Deshalb kann ihnen nicht Mutwilligkeit vorgeworfen werden, wenn sie Prozesskostenhilfe beantragen, selbst wenn die Gerichts- und Anwaltskosten ein Mehrfaches des einzuklagenden Betrags betragen.6
Beispiel: Der Antragsteller nahm auf Aufforderung des Grundsicherungsträgers an zehn Beratungs-gesprächen teil. Ihm entstanden durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 42 Euro.
5. Antrag
Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen, d. h. bei dem Gericht, das für die beabsichtigte Klage zuständig ist.
Er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.
Das Gericht wird in der Regel folgende Unterlagen verlangen
- Personalausweis,
- Einkommensnachweis und/oder oder Bewilligungsbescheid über den Bezug von Sozialleistungen z. B. Arbeitslosengeld II, Grundsicherung, Wohngeld, Rente,
- aktueller Kontoauszug und ggf. Nachweise über sonstige Konten/Sparbücher usw.
- Mietvertrag oder Mietbescheinigung,
- Nachweise zu sonstigen Belastungen (Werbungskosten, kostenaufwendige Ernährung, Zahlungsverpflichtungen usw.).
5.1 Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse
Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen.
Die Erklärung ist auf dem vorgeschriebenen Formular abzugeben (§ 117 Abs. 4 ZPO) → www.jm.nrw.de/BS/formulare/prozesskostenhilfe.
Der Antragsteller ist zur Mitwirkung bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen.7
Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers.
Ein derartiger Anspruch kann insbesondere aufgrund familienrechtlicher Vorschriften bestehen (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580, 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stell-ungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.
5.2 Versicherung an Eides statt
Das Gericht kann die Abgabe einer Versicherung an Eides statt einfordern. Zur Vermeidung von Verzö-gerungen ist es zweckmäßig, die Versicherung bereits dem Antrag beizufügen (§ 118 Abs. 2 ZPO).
Das Gericht kann im Rahmen der Einkommensprüfung auch die Vorlage von ungeschwärzten Konto-auszügen für einen bestimmten Zeitraum anordnen.8 Kommt der Antragsteller dieser Auflage nicht nach, so kann das Gericht die Prozesskostenhilfe verweigern, auch wenn keine konkreten Anhaltspunkte für Falschangaben vorliegen.
5.3 Stellungnahme des Gegners
Dem Verfahrensgegner ist vor der Entscheidung über die Bewilligung in der Regel Gelegenheit zur Äußerung zur Erfolgsaussicht des Antrages und über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu geben ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
6. Bewilligung
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jede gerichtliche Instanz besonders (§§ 119, 122 ZPO).
Die Bewilligung umfasst die Befreiung von den
- entstandenen und noch entstehenden Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten, auch ein Kosten-vorschuss ist nicht zu zahlen,
- die erstattungsfähigen Kosten für einen beigeordneten Rechtsanwalt und
- Kosten der Zwangsvollstreckung
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 119 Abs. 2 ZPO).
Ausgenommen sind die Kosten, die im Falle des Unterliegens dem Gegner zu erstatten sind (§ 123 ZPO). Insoweit besteht auch bei Bewilligung von Prozess-kostenhilfe ein Restrisiko.
6.1 Festsetzung von Zahlungen
Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest (§ 120 ZPO).
6.2 Beiordnung eines Rechtsanwalts
Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechts-anwalt ihrer Wahl beigeordnet (§ 121 Abs. 1 ZPO; § 78 FamFG).
Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfor-derlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
"Ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist, beurteilt sich nicht nur nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, sondern auch der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Ein Rechtsanwalt ist beizuordnen, wenn die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der "Waffengleichheit" verletzt ist. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn im Kenntnisstand und den Fähigkeiten der Parteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht oder wenn Fragen im Streit sind, die möglicherweise durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden müssen."9
Richtet sich die Klage gegen eine Behörde, beispielsweise gegen die Bundesagentur für Arbeit, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in aller Regel die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich.
"Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Rechtssuchenden rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen. In einem solchen Fall wird ein vernünftiger Rechtsuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren in jedem Stadium durch sachdienlichen Vortrag und Anträge effektiv fördern zu können."10
7. Änderung der Bewilligung
Das Gericht soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben (§ 120a Abs. 1 ZPO).
Änderungen können eintreten durch Erhöhung oder Verringerung der Einkünfte, Geburt eines Kindes, Umzug, Nachzahlung von Arbeitslohn, Erbschaft.
7.1 Änderung der Regelsätze
Eine Änderung der abzusetzenden Beträge aufgrund der jährlichen Neufestsetzung der Regelsätze ist nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Auf Verlangen des Gerichts muss die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist.
Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
7.2 Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse/Ände-rung der
Anschrift
Verbessern sich vor Ablauf von vier Jahren nach Zugang der Bewilligung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
Beispiele: Hat ein Gericht einem Arbeitslosen Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen bewilligt, so kann es seine Entscheidung ändern und Ratenzahlungen festsetzen, sobald Arbeitseinkünfte erzielt werden.
Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen.
Für die Erklärung über die Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse muss die Partei das vorgeschriebene Formular benutzen.
Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch Vergleich oder Urteil in dem Verfahren, für das ihm PKH bewilligt wurde, Zahlungen erhält.
Beispiele: Der getrennt lebende Ehemann zahlt aufgrund des Urteils, das die Ehefrau in dem durch die Prozesskostenhilfe finanzierten Verfahren erwirkt hatte, Unterhalt in Höhe von 2.000 Euro monatlich.
Ein von einem Arbeitgeber entlassener Arbeitnehmer erhält aufgrund Vergleichs im Arbeitsgerichts-verfahren eine Abfindung in Höhe von 10.000 Euro. Das Bundesarbeitsgericht lässt in der Regel zu, dass wegen der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten ein Betrag in Höhe des Schonbetrags für Ledige in Höhe von 2.600 Euro nicht als Vermögen angerechnet werden.11
Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens stets prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist.
Eine Änderung der Entscheidung ist ausgeschlossen, soweit die Partei bei rechtzeitiger Leistung des durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten hätte.
7.3 Verschlechterung der Einkommensverhältnisse
Haben sich die Einkommensverhältnisse verschlechtert, sind gestiegen, sollte der Schuldner bei Gericht die Neufestsetzung bzw. Aufhebung der Monatsrate rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verschlechterung beantragen.
Beispiele: Wegfall des Arbeitslohns, Erhöhung von Unterhaltspflichten, Erhöhung der Miete.
8. Aufhebung der Bewilligung
Es ist für den Antragsteller höchst riskant, die streitige Angelegenheit unvollständig oder unrichtig darzustellen, einen Wohnungswechsel nicht unverzüglich mitzuteilen oder die festgelegten Raten nicht zu zahlen; denn in diesen Fällen wird das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in der Regel aufheben mit der Folge, dass die/der Betroffene die vollen Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen hat.
Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachter falscher Angaben setzt nicht voraus, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben, diese mithin auf den Falschangaben beruht.12
Das Gericht, das die Prozesskostenhilfe bewilligt hat, soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe in folgenden Fällen aufheben (§ 124 ZPO):
- Die Partei hat durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der eine Kündigung wegen ständigen Zuspätkommens erhalten hat, gibt im Antrag auf Bewilligung nicht an, dass er mehrere einschlägige Abmahnungen erhalten hat. - Die Partei hat absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder die vorgeschriebene Erklärung nicht oder ungenügend abgegeben.
Beispiel: Eine alleinerziehende Frau verschweigt Einkünfte aus einer Putztätigkeit. - Die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe haben zum Zeitpunkt der Bewilligung nicht vorgelegen; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind.
Die Aufhebung ist auch dann zulässig, wenn dem Betroffenen kein Schuldvorwurf gemacht werden kann. - Die Partei hat dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögens-verhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
- Die Partei ist länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand.
1 BGH, Beschlüsse vom 5.11.1985 - X ZR 23/85, NJW 1986, 2058 und vom 20.5.2010 III ZR 56/10,
juris, Rdnr. 2; OVG M.V., Beschluss vom 3.5.2012 2 O 152/11, NVwZ-RR 2012, 744.
2 BAG, 5.4.2006 - 3 AZB 61/04.
3 BSG, 14.6.2006 - B 7b AS 22/06 B.
4 BSG, 12.3.1996 - 9 RV 24/94.
5 BVerfG, Beschluss vom 21.3.2013 - 1 BvR 68/12 und 1 BvR 965/12.
6 BVerfG, Beschluss vom 24.3.2011- 1 BvR 1737/10.
7 BGH, Beschluss vom 10.10.2012 - IV ZB 16/12 - NJW 2013, 68 - Kroppenberg, NJW 2013, 71.
8 OLG Celle, Beschluss vom 9.3.2010 - 17 WF 28/10 - FamRZ 2010, 1751; OLG Schleswig,
Beschluss vom 22.12.2010 - 15 WF 305/10 - FF 2011, 260.
9 BVerfG, Beschluss vom 22.6.2007 - 1 BvR 681/07.
10 BVerfG, Beschluss vom 24.3.2011 - 1 BvR 1737/10.
11 BAG, Beschluss vom 24.4.2006 - 3 AZB 12/05, NZA 2006, 751.
12 BGH, Beschluss vom 10.10.2012 - IV ZB 16/12 - NJW 2013, 68; Kroppenberg, NJW 2013, 71.