Pflegezeitgesetz 2024
Übersicht
1. Arbeitsbefreiung und teilweise Freistellung nach dem
Pflegezeitgesetz
2. Anspruchsvoraussetzungen
2.1 Beschäftigte
2.2 Nahe Angehörige
2.3 Pflegebedürftigkeit und Nachweis
2.4 Pflege durch den Beschäftigten
2.5 Pflege in häuslicher Umgebung
3. Inanspruchnahme der Pflegezeit
3.1 Ankündigung der Pflegezeit: Form, Frist, Inhalt und Nachweis der
Pflegebedürftigkeit
3.2 Schriftliche Vereinbarung einer teilweisen Freistellung
4. Dauer der Inanspruchnahme der Pflegezeit (§ 4)
4.1 Dauer, Verlängerung und vorzeitige Beendigung
4.2 Verlängerung bis zur Höchstdauer
4.3 Vorzeitige Beendigung
4.4 Gesamthöchstdauer von Pflegezeit und Familienpflegezeit
5. Anspruch auf Förderung durch Darlehen (§ 3)
5.1 Anspruch auf ein Darlehen
5.2 Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers
5.3 Ende der Förderfähigkeit, Mitteilungspflicht
5.4 Rückzahlung des Darlehens (§ 6 FamPflegeG)
5.5 Sonstiges Verfahren
6. Flankierende arbeitsrechtliche Regelungen
6.1 Kündigungsverbot (§ 5 Abs. 1)
6.2 Erholungsurlaub (§ 4 Abs. 4)
6.3 Einstellung und Kündigung einer Vertretungskraft (§ 6 Abs. 3)
6.4 Anrechnung auf Berufsbildungszeiten (§ 4 Abs. 1 Satz 5)
7. Sozialversicherung
7.1 Vollständige Arbeitsbefreiung
7.2 Teilweise Freistellung
8. Familienpflegezeit anstelle oder im Anschluss an die Pflegezeit
9. Anspruch auf unbezahlte teilweise oder vollständige Freistellung
10. Ansprüche der Mitarbeiter von Caritas-Einrichtungen auf befristete
Verringerung der Arbeitszeit bzw. unbezahlten Urlaub
1. Arbeitsbefreiung und teilweise Freistellung nach
dem Pflegezeitgesetz
Ziel des Gesetzes ist, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen und damit die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern.
Arbeitnehmer haben zwar in aller Regel einen gesetzlichen Anspruch auf unbezahlte Freistellung, wenn sie einen pflegebedürftigen Angehörigen pflegen bzw. einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen betreuen. Jedoch verschafft die Inanspruchnahme der Pflegezeit dem Arbeitnehmer einige Vorteile:
- Kündigungsverbot: Von der Ankündigung bis zum Ende der sechsmonatigen Pflegezeit und einer anschließenden bis zu 24-monatigen Familienpflegezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen (siehe Abschnitt 6.1).
- Sozialversicherung: Der Arbeitnehmer kann den Sozialversicherungsschutz, der bei Wegfall der Beschäftigung entfällt, sichern und Nachteile vermeiden (siehe Abschnitt 7).
- Zinsloses Darlehen: Für die Dauer der Freistellungen gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein in monatlichen Raten zu zahlendes Darlehen, das u. a. nicht zurückzuzahlen ist, wenn der/die Beschäftigte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht (siehe Abschnitt 4).
Zum Ausgleich des Verdienstausfalls während der Pflegezeit wird dem Beschäftigten auf Antrag ein zinsloses Darlehen gewährt.
Bei Inanspruchnahme der Pflegezeit kann der Sozialversicherungsschutz teilweise erhalten werden. Allein wegen dieses Vorteils ist es für den Arbeitnehmer in der Regel zweckmäßig, zunächst die gesetzliche Pflegezeit in Anspruch zu nehmen und bei fortdauerndem Pflegebedarf anschließend die Familienpflegezeit zu beantragen.
Die Regelungen des Pflegezeitgesetzes, die sich nicht auf die Pflege von Angehörigen beziehen, sind in besonderen Beiträgen erläutert.
Organisation bzw. Sicherstellung der Pflege eines nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation für bis zu zehn Arbeitstage: Sehen Sie hierzu den Beitrag "Kurzzeitige pflegebedingte Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld"
Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung für bis zu sechs Monate (§ 3 Abs. 5). Sehen Sie hierzu den Beitrag "XX" (Beitrag folgt)
Begleitung eines nahen Angehörigen, wenn dieser an einer Erkrankung leidet, die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt (§ 3 Abs. 6 PflegeZG). Sehen Sie hierzu den Beitrag "XX" (Beitrag folgt)
2. Anspruchsvoraussetzungen
Anspruch auf Arbeitsbefreiung haben in Betrieben/Einrichtungen mit 16 oder mehr Beschäftigten
- Beschäftigte (= Arbeitnehmer) und die zu ihrer Ausbildung Beschäftigten,
- die einen nahen Angehörigen,
- der pflegebedürftig ist,
- in häuslicher Umgebung
- pflegen bzw. eine bedarfsgerechte Pflege organisieren oder eine pflegerische Versorgung sicherstellen.
Wird vom Beschäftigten teilweise Freistellung beantragt, haben Arbeitgeber und Beschäftigte über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Nur aus zwingenden betrieblichen Gründen darf der Arbeitgeber die teilweise Freistellung bzw. die den Wünschen des Beschäftigten entsprechende Verteilung der Arbeitszeit ablehnen.
2.1 Beschäftigte
Beschäftigte im Sinne des Gesetzes sind nach § 7 Abs. 1 PflegeZG und § 2 Abs. 3 FPFZG
- Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis, auch geringfügig Beschäftigte und leitende Mitarbeiter,
- zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte, Auszubildende, zur beruflichen Fortbildung bzw. Umschulung Beschäftigte, Praktikanten nach § 26 BBiG, ausgenommen Praktikanten in Pflichtpraktika,
- arbeitnehmerähnliche Personen wie z. B. die in Heimarbeit Beschäftigten.
Der Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung besteht nur, wenn der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Beschäftigte hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG).
Beschäftigte von Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten können bei ihrem Arbeitgeber den Abschluss einer Vereinbarung über eine Pflegezeit oder eine sonstige Freistellung nach Absatz 5 Satz 1 oder Absatz 6 Satz 1 beantragen. Der Arbeitgeber hat den Antrag innerhalb von vier Wochen nach Zugang zu beantworten. Eine Ablehnung des Antrags ist zu begründen (§ 3 Abs. 6a PflegeZG).
2.2 Nahe Angehörige
Nahe Angehörige im Sinne des Gesetzes sind nach § 7 Abs. 3 PflegeZG
- Eltern, Stiefeltern, Großeltern und Schwiegereltern,
- Ehegatten, Geschwister, Schwägerinnen und Schwager, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
Tanten und Onkel, Nichten und Neffen gehören nicht zu den nahen Verwandten. - Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Partner einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft,
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Beschäftigten, des Ehegatten oder des Lebenspartners sowie Schwiegerkinder und Enkelkinder (§ 7 Abs. 3 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG).
2.3 Pflegebedürftigkeit und Nachweis
Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind nur die Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können.
Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen und mindestens einem Grad der Pflegebedürftigkeit entsprechen (§ 7 Abs. 4 PflegeZG in Verbindung mit §§ 14 und 15 SGB XI).
Beispiel: Einer Arbeitnehmerin wird im Krankenhaus mitgeteilt, dass ihre Mutter nicht mehr wie bisher in ihrer Wohnung leben kann und voraussichtlich auf Dauer gepflegt werden muss.
Arbeitnehmer haben die Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes nachzuweisen. Privat-Pflege-Pflichtversicherte haben einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Die Bescheinigung muss der Ankündigung nicht beigefügt werden. Sie muss auch bei Beginn der Pflegezeit noch nicht vorliegen.1
Die Pflegebedürftigkeit und der Grad der Pflegebedürftigkeit werden auf Antrag des Pflegebedürftigen oder seines Vertreters von der Pflegekasse festgestellt. Der Antrag kann mündlich, fernmündlich, schriftlich oder in elektronischer Form gestellt werden.
Die Pflegekasse hat nach Prüfung des Betreuungs- und Pflegebedarfs durch den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachter dem Antragssteller ihre Entscheidung schriftlich mitzuteilen (§ 18 Abs. 2-4 Satz 1 SGB XI). In besonderen Fällen verkürzt sich die Frist auf zwei bzw. eine Woche seit Antragstellung.
2.4 Pflege durch den Beschäftigten
Der Anspruch auf Freistellung setzt voraus, dass der Beschäftigte die Pflege, Betreuung oder Begleitung des nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (§ 3 Abs. 1 PflegeZG) selbst tatsächlich durchführt.
Die Pflege umfasst pflegerische Maßnahmen in den Bereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (§ 14 Abs. 2 SGB XI).
Sie erfordert Tätigkeiten im Bereich der
- Körperpflege, beispielsweise Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege,
- Ernährung, wie Vor- und Zubereiten der Nahrung oder Hilfe bei der Nahrungsaufnahme,
- Mobilität, zum Beispiel Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Auskleiden, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung mit der pflegebedürftigen Person,
- hauswirtschaftliche Versorgung, wie einkaufen, kochen, reinigen der Wohnung, spülen, wechseln und waschen der Bettwäsche und der Kleidung sowie das Beheizen der Wohnung.
Der Pflege zuzuordnen sind auch Tätigkeiten außerhalb der Wohnung beispielsweise die Begleitung des Pflegebedürftigen bei Spaziergängen, Arztbesuchen, Einkauf von Medikamenten usw.2
2.5 Pflege in häuslicher Umgebung
Die Pflege ist in häuslicher Umgebung durchzuführen (§ 36 SGB XI): Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe).
Der Pflegebedürftige muss nicht in seiner eigenen häuslichen Umgebung gepflegt werden. Er kann auch von Verwandten in deren Haushalt aufgenommen werden.3
Der Pflegebedürftige kann auch in einer Wohngemeinschaft oder einer betreuten Wohneinheit einen eigenen Haushalt führen, wenn er eine eigene Kochmöglichkeit und einen eigenen Sanitärbereich hat.
3. Inanspruchnahme der Pflegezeit
Die Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege eines nahen Angehörigen muss vom Arbeitnehmer nicht beantragt und vom Dienstgeber nicht bewilligt werden; denn der Mitarbeitende hat einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung.
3.1 Ankündigung der Pflegezeit: Form, Frist, Inhalt und Nachweis der
Pflegebedürftigkeit
Arbeitnehmer sind verpflichtet, die Inanspruchnahme der Arbeitsbefreiung
- spätestens 10 Tage vor Beginn
- schriftlich anzukündigen und
- gleichzeitig zu erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang Pflegezeit in Anspruch genommen wird (§ 3 Abs. 3 Satz 1-2 PflegeZG).
Die 10-Tagefrist Frist kann nicht eingehalten werden, wenn der Arbeitnehmer mehr Zeit für die Klärung braucht, weil beispielsweise die pflegebedürftige Mutter es trotz aller Bemühungen während der 10-tägigen kurzzeitigen Arbeitsbefreiung ablehnt, der Unterbringung in einem Altenheim zuzustimmen und die Arbeitnehmerin sich dann entschließen muss, die Pflege selbst durchzuführen.
In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn und soweit die Ankündigungsfrist nicht eingehalten werden kann (§ 275 Abs. 3 BGB).
Enthält die Ankündigung der Mitarbeitenden keine eindeutige Festlegung, ob die oder der Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen will, und liegen die Voraussetzungen beider Freistellungsansprüche vor, gilt die Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit (§ 3 Abs. 3 Satz 3ff).
3.2 Schriftliche Vereinbarung einer teilweisen Freistellung
Die teilweise Freistellung eines Mitarbeitenden führt zu einer Reduzierung seiner Arbeitszeit und erfordert nicht selten Umsetzungen und organisatorische Veränderungen.
Der Arbeitgeber muss dem Verringerungs- und Neuverteilungswunsch des Beschäftigten entsprechen, wenn ihm keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 PflegeZG). Lehnt er die teilweise Freistellung ab, muss er beweisen, dass ihm diese nicht zumutbar ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer gewünschte Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit nur ablehnen, wenn "objektiv gewichtige Gründe" vorliegen, wenn beispielsweise das Organisationskonzept des Dienstgebers die Verringerung der Arbeitszeit beziehungsweise die Verteilung nach den Wünschen des Mitarbeiters nicht zulässt.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber sich selbst nicht an sein Organisationskonzept hält oder wenn durch eine zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Mitarbeiters zur Deckung gebracht werden kann. Deshalb ist eine Ablehnung des Wunsches des Mitarbeiters nur gerechtfertigt, wenn "zwingende dienstliche Gründe" entgegenstehen. In diesem Fall kommt es nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer wichtige oder sehr wichtige familiäre Pflichten wahrzunehmen hat.
Der Beschäftigte ist nicht verpflichtet, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeitreduzierung bzw. deren Verteilung berechtigt ablehnt, ihm aber wegen der notwendigen Pflege eines nahen Angehörigen die ungekürzte Arbeitszeit bzw. deren Lage nicht zugemutet werden kann (§ 275 Abs. 3 BGB). In diesem Fall ist der Dienstgeber nicht zur Entgeltzahlung verpflichtet.
Formulierungsvorschlag
Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag
- Die Mitarbeiterin wird vom ... bis zum ... zur häuslichen Pflege ihrer Mutter von der Arbeitsleistung teilweise freigestellt. Ihre wöchentliche Arbeitszeit verringert sich auf ... Stunden und ist jeweils von Montag bis Freitag zwischen ... Uhr und ... Uhr abzuleisten.
- Die Arbeitszeit erhöht sich nach Ablauf des in Nr. 1 genannten Zeitraums wieder auf die volle Stundenzahl.
- Ist die Mutter nicht mehr pflegebedürftig oder ist die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar geworden, so erhöht sich die Arbeitszeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände auf die vorher vereinbarte Stundenzahl. Die Mitarbeiterin hat den Arbeitgeber über die veränderten Umstände unverzüglich zu unterrichten.
4. Dauer der Inanspruchnahme der Pflegezeit (§ 4)
Die Höchstdauer der Pflegezeit ist in § 4 PflegezeitG geregelt.
4.1 Dauer, Verlängerung und vorzeitige Beendigung
Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen längstens sechs Monate (§ 4 Abs. 1 Satz 1). Pflegezeit und Familienpflegezeit nach § 2 des Familienpflegezeitgesetzes dürfen gemeinsam die Gesamtdauer von 24 Monaten je pflegebedürftigen nahen Angehörigen nicht überschreiten (§ 4 Abs. 1 Satz 4 PflZG).
Die Höchstdauer der Pflegezeit von sechs Monaten kann auch von mehreren Pflegenden für ein und denselben Angehörigen in Anspruch genommen werden, und zwar sowohl gleichzeitig als auch nacheinander.4
4.2 Verlängerung bis zur Höchstdauer
Der Arbeitnehmer kann die Pflegezeit für einen kürzeren Zeitraum als die Höchstdauer in Anspruch nehmen. In diesem Falle kann die Pflegezeit bis zur Höchstdauer nur verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 4 Abs. 1).
Eine Verlängerung bis zur Höchstdauer kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.
Beispiel: Die Schwester der Mitarbeiterin, die nach drei Monaten die Pflege übernehmen wollte, erleidet einen Schlaganfall.
Jedoch ist je pflegebedürftigen nahen Angehörigen nur eine Pflegezeitnahme mit unmittelbarer anschließender Verlängerungsmöglichkeit zulässig. In allen anderen Fällen ist eine Verlängerung bis zur Höchstdauer nur mit Zustimmung des Dienstgebers möglich.
Eine Stückelung der Pflegezeit für denselben Angehörigen ist ausgeschlossen. Das gilt auch, wenn die in Anspruch genommene Pflegezeit die Höchstdauer von sechs Monaten unterschreitet.5
Beispiel: Ein Arbeitnehmer nimmt Pflegezeit in Anspruch für zwei Wochen im Juli und eine Woche im Dezember.
4.3 Vorzeitige Beendigung
Die Pflegezeit endet vorzeitig, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist (§ 4 Abs. 2 Satz 1).
Beispiel: Der Pflegebedürftige stirbt, wird in ein Altenheim aufgenommen oder lehnt die Pflege durch den nahen Angehörigen ab.
Im Übrigen kann die Pflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt (§ 4 Abs. 2 Satz 3).
Der Arbeitgeber ist über die veränderten Umstände unverzüglich d. h. baldmöglichst zu unterrichten (§ 4 Abs. 2 Satz 2). In diesem Falle endet die Pflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Erfolgt die Mitteilung erst verspätet, endet die Pflegezeit vier Wochen nach Zugang der Unterrichtung beim Dienstgeber.
4.4 Gesamthöchstdauer von Pflegezeit und Familienpflegezeit
Die Gesamtdauer aller Arbeitsbefreiungen und Freistellungen nach dem Pflegezeitgesetz und nach dem Familienpflegezeitgesetz darf 24 Monate nicht überschreiten (§ 4 Abs. 1 Satz 3).
Beispiele: Ein Arbeitnehmer, der Pflegezeit für 6 Monate in Anspruch genommen hat, kann im Rahmen der Familienpflegezeit seine Arbeitszeit längstens 18 Monate verringern.
Nach 6 Monaten Pflegezeit kann beispielsweise 15 Monate Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden und später eine 3-monatige Freistellung zur Begleitung in der letzten Lebensphase genutzt werden (§ 4 Abs. 3).
Die bis zu 10-tägige kurzzeitige Arbeitsverhinderung wird auf die 24-monatige Gesamtdauer nicht angerechnet.
5. Anspruch auf Förderung durch Darlehen (§ 3)
Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis haben während der Pflegezeit, der Zeit einer Betreuung oder Begleitung nach § 3 keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder auf eine Sozialleistung.
Nur Mitarbeitern in Ausbildung und Praktikanten, die unter den Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes fallen, beispielsweise Berufspraktikanten, ist in diesen Fällen die Praktikumsvergütung bis zur Dauer von sechs Wochen fortzuzahlen (§§ 17 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) BBiG).
5.1 Anspruch auf ein Darlehen
Zur teilweisen Absicherung des Lebensunterhalts haben Arbeitnehmer Anspruch auf Förderung durch ein zinsloses Darlehen (§ 3 Abs. 7 in Verbindung mit §§ 3, 4, 5 Absatz 1 Satz 1).
Das Darlehen ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu beantragen (www.bafza.de).
Die monatlichen Darlehensraten decken grundsätzlich nur die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung ausfallenden Nettogehalts ab (§ 3 Ab. 2 FPfZG). Außerdem ist die monatliche Darlehensrate auf den Betrag begrenzt, der bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit während der Familienpflegezeit von 15 Wochenstunden zu gewähren ist (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 3 Abs. 4 FPfZG).
Darlehen: Pflegezeit von sechs Monate bei teilweiser Freistellung
Gesamtbruttolohn: 30.000,00 Euro (= 2.500 Euro monatlich brutto)
Steuerklasse: 3
Durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche
- vor Beginn der (teilweisen) Freistellung: 39 Stunden (= 1.980 Euro monatlich netto)
- während der Dauer der (teilweisen) Freistellung: 19,5 Stunden (= 1.005 Euro monatlich netto)
Dauer der (teilweisen) Freistellung in Monaten: 6
Monatlicher Darlehensbetrag: 489 Euro
Monatlicher Brutto-Arbeitslohn + Darlehen: 2.470 Euro
Gesamtdarlehen in der Pflegephase: 2.934 Euro
Rückzahlung des Darlehens bei 42 Monaten Laufzeit: 41 x 69,86 und 1 x 69,74 Euro6
Darlehen: Pflegezeit bis zu sechs Monate bei vollständiger Freistellung
Gesamtbruttolohn: 30.000,00 Euro (= 2.500 Euro monatlich brutto bzw. 1.980 Euro monatlich netto)
Steuerklasse: 3
Durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche
- vor Beginn der (teilweisen) Freistellung: 39 Stunden
- während der Dauer der (teilweisen) Freistellung: 0 Stunden
Dauer der (teilweisen) Freistellung in Monaten: 6
Monatlicher Darlehensbetrag: 609 Euro
Darlehensbetrag in der Pflegephase: 3.654 Euro
Rückzahlung des Darlehens in 42 Monatsraten von 87,00 Euro6
Abweichend vom Regelbetrag können Arbeitnehmer auch einen geringeren Darlehensbetrag in Anspruch nehmen, wobei die monatliche Darlehensrate mindestens 50 Euro betragen muss (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 3 Abs. 5 FPfZG).
Die Arbeitnehmer können nicht auf die Beantragung des Darlehens verzichten, um bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen wie beispielsweise ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II, Wohngeld oder Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen; denn nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung hat das Darlehen Vorrang vor dem Bezug von bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen. Reichen allerdings das Teilzeitarbeitsentgelt und das Darlehen zusammen zur Deckung des Lebensunterhalts nicht aus, kann ein Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen bestehen. Bei der Berechnung von Sozialleistungen sind die Zuflüsse aus dem Darlehen als Einkommen zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 3 Abs. 6 FPfZG).
Beispiel: Wird der Pflegende arbeitsunfähig wegen Krankheit, ist bei der Berechnung der Höhe des Krankengeldes außer seinem Teilzeitarbeitsentgelt der anteilige Darlehensbetrag zu berücksichtigen.
5.2 Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben für bei ihm Beschäftigte den Arbeitsumfang sowie das Arbeitsentgelt vor der Freistellung nach § 3 Absatz 1 zu bescheinigen, soweit dies zum Nachweis des Einkommens aus Erwerbstätigkeit oder der wöchentlichen Arbeitszeit der die Förderung beantragenden Beschäftigten erforderlich ist (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 4 FPfZG).
5.3 Ende der Förderfähigkeit, Mitteilungspflicht
Die Förderfähigkeit endet mit dem Ende der Arbeitsbefreiung/Freistellung. Dies gilt auch dann, wenn die Beschäftigten während der Familienpflegezeit den Mindestumfang der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund gesetzlicher oder kirchlicher Regelungen unterschreiten. Dagegen lässt die Unterschreitung des Mindestumfangs der wöchentlichen Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit oder eines Beschäftigungsverbotes, wie zum Beispiel durch die Regelungen des Mutterschutzgesetzes, die Förderfähigkeit unberührt (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 FPfZG).
Arbeitnehmer haben dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unverzüglich jede Änderung in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Darlehen erheblich sind, mitzuteilen (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 FPfZG).
Beispiel: Beendigung der häuslichen Pflege.
5.4 Rückzahlung des Darlehens (§ 6 FamPflegeG)
Der Arbeitnehmer ist nach Beendigung der Arbeitsbefreiung/Freistellung grundsätzlich verpflichtet, die erhaltenen Darlehensbeträge innerhalb von 48 Monaten nach Beginn dieser Freistellung zurückzuzahlen (§ 3 Abs. 7 PflegezeitG in Verbindung mit § 6 Abs. FPfZG).
5.5 Sonstiges Verfahren
Für das sonstige Verfahren gelten nach § 3 Abs. 7 PflegezeitG:
- § 8 FZGPf: Antrag auf Förderung,
- § 9 FPfZG: Darlehensbescheid und Zahlweise,
- § 10 FPfZG: Antrag und Nachweise in weiteren Fällen,
- § 7 FPfZG: Härtefallregelung,
- § 6 FPfZG: Rückzahlung des Darlehens.
6. Flankierende arbeitsrechtliche Regelungen
Während der Zeit der Arbeitsbefreiung nach dem Pflegezeitgesetz ruht das Arbeitsverhältnis d. h. der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeit und der Arbeitgeber nicht zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet. Bei teilweiser Freistellung wird das Arbeitsverhältnis mit lediglich verkürzter Arbeitszeit fortgesetzt.
Für Arbeitgeber und Beschäftigte bleiben alle Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis bestehen wie beispielsweise die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Pflicht des Beschäftigten, die Rechte und Interessen des Arbeitgebers zu beachten.
Beispiel: Eine Beschäftigte, die im Internet ihren Arbeitgeber oder Kollegen grob beleidigt, verletzt ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.
6.1 Kündigungsverbot (§ 5 Abs. 1)
Der Arbeitgeber darf das Beschäftigungsverhältnis nicht kündigen (§ 5 Abs. 1 PflegeZG).
6.1.1 Verbotene Kündigungen
Das Verbot erstreckt sich auf Kündigungen aller Art: Änderungs- und Beendigungskündigungen, außerordentliche und ordentliche Kündigungen. Nicht erfasst wird die Beendigung des Arbeitsvertrags infolge Befristung bzw. Aufhebungsvertrag.
Der Sonderkündigungsschutz gilt nicht für ein bei einem anderen Arbeitgeber während der Pflegezeit eingegangenes Arbeitsverhältnis.
6.1.2 Dauer des Kündigungsverbots
Der Sonderkündigungsschutz beginnt ab Zugang der Ankündigung, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem schriftlich angekündigten Beginn, bis zur Beendigung der Freistellung nach § 3 PflegeZG. Während der Phase der Rückzahlung des Darlehens besteht dieser besondere Kündigungsschutz nicht mehr.
Eine Wartezeit bis zum Einsetzen des Kündigungsschutzes sieht das PflegeZG nicht vor.
Beispiel: Eine Mitarbeiterin könnte sich sofort nach der Einstellung den Sonderkündigungsschutz verschaffen, indem sie ankündigt, in zwölf Wochen die Pflege ihrer Schwiegermutter zu übernehmen, die derzeit noch von ihrer Schwägerin gepflegt wird.
Im Fall einer Vereinbarung über eine Freistellung in Kleinbetrieben beginnt der Kündigungsschutz mit dem Beginn der Freistellung (siehe Abschnitt 2.1).
6.1.3 Ausnahmen vom Kündigungsverbot
Will der Arbeitgeber trotz des Kündigungsschutzes eine Kündigung aussprechen, so muss er die Zulässigkeitserklärung durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle - in NRW: Bezirksregierung - einholen (§ 5 Abs. 2 PflegeZG).
Die Behörde darf nur in besonderen Ausnahmefällen eine Kündigung für zulässig erklären. Solche besonderen Fälle können z. B. sein: Betriebsstilllegung bzw. Teilbetriebsstilllegung, wenn der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt werden kann. Auch vorsätzliche strafbare Handlungen, die während der Pflegezeit aufgedeckt werden, oder besonders grobe Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten können eine Zulässigkeitserklärung rechtfertigen.
Ist eine Mitarbeiterin während der Pflegezeit schwanger, so muss der Arbeitgeber neben der Zustimmung nach § 5 PflegeZG zusätzlich auch die Zustimmung nach § 9 des Mutterschutzgesetzes einholen.
6.2 Erholungsurlaub (§ 4 Abs. 4)
Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Pflegezeit um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer während der Pflegezeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet (§ 4 Abs. 4 PflegeZG).
Wechselt der Arbeitnehmer von Vollzeitarbeit in Teilzeit unter Reduzierung der Wochenarbeitstage bleibt der Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer aufgrund seiner Vollzeitarbeit erworben hat, ungekürzt erhalten.
Beispiel: Hat ein Arbeitnehmer bei einem Wechsel von einer Fünf- in eine Drei-Tage-Woche einen Resturlaubsanspruch von 15 Tagen, so behält er diesen Anspruch, der erfüllt wird, indem er in fünf Wochen für je drei Tage Urlaub erhält.
Hat der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Pflegezeit nicht oder nicht vollständig erhalten, bleibt der Urlaubsanspruch bis zu 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erhalten (§ 7 Abs. 3 BUrlG).7
Zweifelhaft ist, ob während der Pflegezeit Erholungsurlaub gewährt werden kann.
Arbeitnehmer können das Risiko des Verfalls des Urlaubsanspruchs dadurch vermeiden, dass sie ihren Resturlaub geltend machen, bevor sie die Pflegezeit in Anspruch nehmen.
Endet das Arbeitsverhältnis während der Pflegezeit oder wird es im Anschluss an die Pflegezeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
6.3 Einstellung und Kündigung einer Vertretungskraft (§ 6 Abs. 3)
Der Arbeitgeber kann zur Vertretung eines Arbeitnehmers für die Dauer der Freistellung eine Vertretungskraft einstellen. Über die Dauer der Vertretung hinaus ist die Befristung für notwendige Zeiten einer Einarbeitung zulässig. Die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrages muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein (§ 6 Abs.1 PflegeZG).
Der Arbeitgeber kann den befristeten Arbeitsvertrag unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen kündigen, wenn die Freistellung vorzeitig endet, weil der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist. Das Kündigungsschutzgesetz ist in diesen Fällen nicht anzuwenden (§ 6 Abs. 3 PflegeZG).
6.4 Anrechnung auf Berufsbildungszeiten (§ 4 Abs. 1 Satz 5)
Die Pflegezeit wird auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet.
Berufsbildungszeiten sind Zeiten der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung, der beruflichen Umschulung (§ 1 BBiG), Zeiten eines Praktikums (§ 26 BBiG) sowie Zeiten der Beschäftigung im Rahmen eines Qualifizierungsverhältnisses zur Berufsausbildungsvorbereitung lernbeeinträchtigter oder sozial benachteiligter Personen (§ 68 BBiG ff.).
Die vereinbarte Berufsbildungszeit verlängert sich nicht automatisch um die Ausfallzeit. Vielmehr muss der Pflegende eine entsprechende Verlängerung des Berufsbildungsvertrags beziehungsweise die vertragliche Vereinbarung der Nachholung der Ausfallzeiten beim Arbeitgeber beantragen. Der Arbeitgeber ist zum Abschluss verpflichtet.
7. Sozialversicherung
Die bis zu sechs Monate dauernde Pflegezeit führt bei vollständiger Freistellung zu einem Wegfall des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes. Deshalb sollte der Arbeitnehmer sich freiwillig versichern.
In der Rentenversicherung können Nachteile insbesondere dann eintreten, wenn die wöchentliche reine Pflegezeit weniger als 10 Stunden beträgt und deshalb keine Rentenversicherungspflicht besteht.
7.1 Vollständige Arbeitsbefreiung
Bei vollständiger Arbeitsbefreiung zur Pflege eines nahen Angehörigen entfallen während der Pflegezeit der Anspruch auf Arbeitsentgelt und damit auch ab Beginn der Freistellung die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Das Gesetz hat die Pflegezeit sogar ausdrücklich von der in anderen Fällen bestehenden einmonatigen Überlegungs- und Reaktionsfrist ausgenommen (§ 7 Absatz 3 Satz 4 SGB IV). Bei der vollständigen Arbeitsfreistellung endet somit die Sozialversicherungspflicht am letzten Tag der Arbeitsleistung.
Die Pflegeperson hat in diesem Fall Ansprüche auf Leistungen zur sozialen Sicherung in der Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.
www.bundesgesundheitsministerium.de/soziale-absicherung-der-pflegeperson
7.1.1 Kranken- und Pflegeversicherung
Der pflegende Arbeitnehmer, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit krankenversicherungspflichtig war, ist bei vollständiger Freistellung familienversichert, wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner gesetzlich krankenversichert ist (§ 10 SGB V).
Besteht kein Familienversicherungsschutz, erhalten pflegende Beschäftigte bei vollständiger Freistellung auf Antrag von der Pflegekasse Beitragszuschüsse sowohl zur freiwilligen gesetzlichen als auch zur privaten Krankenversicherung in Höhe der Mindestbeiträge freiwilliger Mitglieder (§ 44a SGB XI).
7.1.2 Rentenversicherung
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson übernimmt auf Antrag die Pflegekasse, wenn der pflegende Angehörige.
- der nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich - zusätzlich zur Pflegetätigkeit - beschäftigt oder selbständig tätig ist,
- eine oder mehrere pflegebedürftige und privat oder gesetzlich pflegeversicherte Personen mit mindestens Pflegegrad 2,
- wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche,
- in ihrer häuslichen Umgebung,
- nicht erwerbsmäßig pflegt (§§ 19, 44 SGB XI).
Zur Pflege gehören auch die erbrachten Hilfeleistungen, die in der Pflegeversicherung unter die körperbezogenen Pflegemaßnahmen, Hilfen bei der Haushaltsführung sowie die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen fallen.
In den ersten Pflegegraden wird die Mindeststundenzahl häufig nicht erreicht werden. In diesen Fällen können erhebliche Einbußen bei der Altersvorsorge entstehen, die insbesondere Frauen mit niedrigen Arbeitsentgelten treffen.
Die Höhe der übernommenen Beiträge richtet sich nach dem Pflegegrad und der Art der Leistung, die in Anspruch genommen wird (Pflegegeld, Kombinations- oder Pflegesachleistung).
7.1.3 Arbeitslosenversicherung
Arbeitnehmer, die in der Zeit, in der sie eine Pflegezeit in Anspruch nehmen rentenversicherungspflichtig bleiben sind auch in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig (§ 44a SGB XI/§ 26 Abs. 2b SGB III).
Die notwendigen Beiträge werden von der Pflegekasse bzw. dem privaten Versicherungsunternehmen übernommen (§ 347 Nr. 10a und b SGB III).
Wird der Arbeitnehmer später arbeitslos, so werden die Zeiten verminderten Entgelts bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums für die Berechnung des Arbeitslosengeldes außer Ansatz gelassen.
Ausführliche Erläuterungen enthält die Broschüre der Deutschen Rentenversicherung: "Pflege von Angehörigen lohnt sich auch für die Rente".
7.1.4 Unfallversicherung
Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz des pflegenden Arbeitnehmers erstreckt sich auf Unfälle bei der Ausübung der Pflege (siehe Abschnitt 2.4) und auf Wegeunfälle, die der Arbeitnehmer auf dem Weg von oder zur Wohnung erleidet, in der er den Angehörigen pflegt. Er besteht auch dann, wenn die Pflege weniger als 10 Stunden wöchentlich beansprucht.
Nicht gesetzlich unfallversichert sind die Arbeitnehmer, die einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen betreuen (§ 3 Abs. 5) bzw. einen nahen Angehörigen mit begrenzter Lebenserwartung begleiten (§ 3 Abs. 6); denn die gesetzliche Regelung bezieht nur Pflegepersonen in den Unfallversicherungsschutz ein (§ 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII).
7.2 Teilweise Freistellung
Bei teilweiser Freistellung von der Arbeit bleibt die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Teilzeittätigkeit in der Regel bestehen.
Wird die Beschäftigung allerdings durch die teilweise Freistellung geringfügig, entfällt die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
8. Familienpflegezeit anstelle oder im Anschluss an die
Pflegezeit
Der Arbeitnehmer kann anstelle oder im Anschluss an die Pflegezeit die Familienpflegezeit in Anspruch nehmen bzw. beim Arbeitgeber unbezahlten Urlaub oder Verringerung der Arbeitszeit beantragen.
Die Familienpflegezeit unterscheidet sich von der Pflegezeit u. a. dadurch, dass sie keine vollständige Arbeitsbefreiung vorsieht, sondern nur eine teilweise Freistellung, die mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren ist.
Nimmt der Beschäftigte Familienpflegezeit in Anspruch, besteht für deren Dauer der besondere Kündigungsschutz. Er hat auch Anspruch auf ein Darlehen zum teilweisen Ausgleich des Verdienstausfalls.
Die Familienpflegezeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer wöchentlich mindestens 15 Stunden arbeitet. Deshalb besteht Sozialversicherungspflicht und -schutz.
Sehen Sie hierzu auch den Beitrag "Familienpflegezeit"
9. Anspruch auf weitere unbezahlte teilweise oder
vollständige Freistellung
Nach Ablauf der Pflege- und oder Familienpflegezeit kann der Arbeitnehmer zeitlich begrenzte teilweise bzw. vollständige Freistellung von der Arbeit zur Pflege oder Betreuung eines hilfebedürftigen nahestehenden Menschen beim Arbeitgeber beantragen.
Arbeitnehmer haben einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf befristete Verringerung der Arbeitszeit (§ 9a TzBfG) und einen gesetzlichen Anspruch auf befristete vollständige Arbeitsbefreiung (§ 275 Abs. 3 BGB).
Der Arbeitgeber darf einen entsprechenden Antrag nur ablehnen, wenn besondere betriebliche Belange bzw. das betriebliche Organisationskonzept entgegenstehen. Diese hat der Arbeitgeber zu benennen und ggfs. nachzuweisen.8
Bei vollständiger Freistellung ruht das Arbeitsverhältnis. Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Es besteht kein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz. Aufgrund der Pflegetätigkeit werden aber Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung unter den in den Abschnitten 7.1 und 7.2 genannten Voraussetzungen von der Pflegekasse übernommen.
10. Ansprüche der Mitarbeiter von Caritas-
Einrichtungen auf befristete Verringerung
der Arbeitszeit bzw. unbezahlten Urlaub
Mitarbeiter der Caritas haben Anspruch auf befristete Verringerung der Arbeitszeit, wenn sie
- mindestens ein Kind bis unter 18 Jahren oder
- einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen
tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche und betriebliche Belange nicht entgegenstehen (§ 5 Anlage 5 zu den AVR).
Die Teilzeitbeschäftigung ist auf bis zu 5 Jahre zu befristen, soweit der Mitarbeiter dies in dem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit verlangt. 3Sie kann verlängert werden; der Antrag ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zu stellen.
Mitarbeiter der Caritas haben Anspruch auf Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge, wenn sie
- mindestens ein Kind bis unter 18 Jahren oder
- einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen
tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche und betriebliche Belange nicht entgegenstehen (§ 10 Anlage 14 zu den AVR).
Der Mitarbeiter soll den Sonderurlaub schriftlich spätestens drei Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem Sonderurlaub in Anspruch genommen werden soll, beim Dienstgeber unter Angabe des Zeitraums, für den er ihn in Anspruch nehmen will, beantragen.
Der Sonderurlaub soll nicht mehr als fünf Jahre einschließlich der Elternzeit des Mitarbeiters betragen. Er kann verlängert werden; ein Antrag auf Verlängerung ist spätestens sechs Monate vor Ablauf des Sonderurlaubs zu stellen.
Sonderurlaub kann mit Zustimmung des Dienstgebers vorzeitig beendet werden.
Wenn der Sonderurlaub vier Wochen übersteigt, gilt die Zeit des Sonderurlaubs nicht als Beschäftigungszeit nach § 11 AVR-AT, es sei denn, der Dienstgeber hat vor Antritt des Sonderurlaubs ein dienstliches oder betriebliches Interesse an der Beurlaubung schriftlich anerkannt.
Während der Zeit des Sonderurlaubs kann der Mitarbeiter eine entgeltliche Beschäftigung nur mit Zustimmung des Dienstgebers ausüben. 2Die wöchentliche Arbeitszeit soll 19 Stunden nicht übersteigen. Die Beschäftigung darf den Zweck des Sonderurlaubs nicht zuwiderlaufen.
1 BT-Drs. 16/7439, 92.
2 Bundessozialgericht, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 6/10 R;
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.02.2012 - L 5 P 29/11.
3 BR-Drs. 718/07, 217.
4 Düwell jurisPR-ArbR 51/2007, Anm 6; Hexel/Lüders NZS 2009, 264; Joussen NZA 2009, 68, 71.
5 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011 - 9 AZR 348/10, Leitsatz 2.
6 Berechnet am 29.12.2023.
7 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.08.2012 - 9 AZR 353/10, Orientierungssatz 3.
8 Landesarbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 08.05.2023 - 17 Sa 1165/22.