Pflegekind: Dauerhafter Verbleib bei der Pflegeperson
Anordnung des Verbleibs auf Dauer
Das Familiengericht kann von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass der Verbleib des Kindes bei der Pflegeperson auf Dauer ist (§ 1632 Abs. 4 Satz 2 BGB).
Die Anordnung des Verbleibs auf Dauer setzt voraus:
- Die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern haben sich trotz angebotener geeigneter Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nicht nachhaltig verbessert.
- Eine nachhaltige Verbesserung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig nicht zu erwarten.
- Das Kindeswohl würde durch die Wegnahme des Kindes nachhaltig gefährdet.
Aufhebung der Anordnung des Verbleibs auf Dauer
Eine Anordnung des dauerhaften Verbleibs ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet (§ 1696 Abs. 3 BGB).
Bei seiner Entscheidung hat das Gericht zu berücksichtigen
- ob und inwieweit sich innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren Zeitraums die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern derart verbessert haben, dass diese das Kind selbst erziehen können.
- ob das Bedürfnis des Kindes nach kontinuierlichen und stabilen Lebensverhältnissen erfüllt wird (§ 1697a Abs. 2 BGB).
Bundesverfassungsgericht
Beschlüsse vom 03.02.2017 - 1 BvR 2569/16 und vom 12.02.2021 - 1 BvR 1780/20
Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Verfassungsbeschwerde einer Verfahrensbeiständin einen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben, das die Rückführung eines Mädchens aus der Pflegefamilie zu seinen Eltern angeordnet hatte.
Das Kind wurde im November 2014 von seiner Mutter in der 30. Schwangerschaftswoche geboren. Die damals 25 Jahre alte Mutter hatte nach eigenen Angaben bis kurz vor der Entbindung nicht bemerkt, dass sie schwanger war. Medikamente zu ihrer Epilepsie hatte sie einige Zeit zuvor aus eigenem Entschluss und nach eigenen Angaben aufgrund eines Kinderwunsches abgesetzt. Gemeinsam mit dem Kindesvater und der Tochter lebte sie zunächst bei dessen Eltern, bis sie Anfang März 2015 eine eigene Wohnung bezogen. Der Kindesvater wurde wegen Alkoholmissbrauchs zeitweise mit Fahrverboten belegt. Bei ihm besteht ebenfalls ein Epilepsieverdacht, den er entgegen ärztlicher Empfehlung nicht weiter aufgeklärt hat. Die Kindeseltern heirateten am 8. Mai 2015.
Bei einem Routinetermin am 11. Februar 2015 fielen der Kinderärztin diskrete Hämatome (Einblutungen) an allen Gliedmaßen des Kindes infolge von Rippenserienfrakturen an fünf Rippen links und vier Rippen rechts auf, die nach einem Gutachten der Rechtsmedizin nur durch äußere Gewalteinwirkung entstehen können. Die Kindeseltern hatten ebenso wenig wie die Großeltern eine schlüssige Erklärung für die Verletzungen.
Das Kind wurde daraufhin vom Jugendamt nach der dem Familiengericht angezeigten Inobhutnahme und Entlassung aus der Klinik am 19. Februar 2015 in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Seit April 2016 befindet es sich in einer Dauerpflegestelle. Seitdem erfolgen Besuchskontakte der Eltern im Zweimonatsabstand für eine Stunde.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest:
Ist ein Kind seit längerer Zeit bei einer anderen Pflegeperson untergebracht, kann die Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner Pflegeperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer durch diese Trennung womöglich verursachten Traumatisierung des Kindes gering zu halten. Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner Pflegefamilie nur herauszunehmen, wenn diese Trennung unter Berücksichtigung des Kindeswohls hinnehmbar ist.
Eine Trennung ist z. B. nicht hinnehmbar, wenn ein erhöhter erzieherischer Bedarf und eine dauerhaft erhöhte Fragilität durch die Frühgeburtlichkeit und die erfahrene Beeinträchtigung besteht (wiederholte Klinikaufenthalte, wechselnde Betreuungspersonen und Umgebungsbedingungen, Frakturen mit einhergehenden erheblichen Schmerzen).
Elterliche Überforderungen mit nochmaliger Erhöhung eines etwaigen Misshandlungsrisikos können in der Gesamtschau nicht ausgeschlossen werden, wenn die Eltern die alleinige Verantwortung für das Mädchen trügen. Neben den Anforderungen an elterliche, insbesondere … "mütterliche Belastbarkeit durch eine ganztätige Betreuung des Kindes kämen weitere Belastungen auf die Mutter durch die zu erwartende Unruhe des Kindes aufgrund des Bezugspersonen- und Umgebungswechsels zu, was die Kapazitäten der Familie noch zusätzlich beanspruchen würde".