Opferschutz im Strafverfahren
1. Schutz des Verletzten und Zeugen -
§ 48 Abs. 3 Strafprozessordnung
Ist der Zeuge zugleich der Verletzte (Opfer der Straftat), so sind die Vernehmungen, Untersuchungen usw. stets unter Berücksichtigung seiner besonderen Schutzbedürftigkeit durchzuführen. Insbesondere ist zu prüfen,
- ob die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen erfordert, dass die Vernehmung in Abwesenheit etwa des Angeklagten oder als audiovisuelle Vernehmung erfolgt (§ 247a StPO),
- ob überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen den Ausschluss der Öffentlichkeit erfordern und
- inwieweit auf nicht unerlässliche Fragen zum persönlichen Lebensbereich des Zeugen verzichtet werden kann.
2. Psychosoziale Prozessbegleitung -
§ 406g Strafprozessordnung
Der Verletzte hat im Strafverfahren das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung. Diese Begleitung ist eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung des Verletzten zu reduzieren und seine erneute Traumatisierung zu vermeiden.
Sie umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage führen. Der Verletzte ist darüber sowie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des psychosozialen Prozessbegleiters von diesem zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren.
Eine kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung ist auf Antrag bei zur Tatzeit Minderjährigen vorgesehen, denen schwere Gewalt- oder Sexualdelikte zugefügt wurden, sowie bei Verletzten, die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können (§ 406g Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 397a Abs. 1 Nr. 4, 5 StPO).
3. Anerkennung, Eignung, Fortbildungs- und
Schweigepflicht
Das für Nordrhein-Westfalen geltende Ausführungsgesetz enthält ergänzende Regelungen (AGPsychPbG):
Als psychosozialer Prozessbegleiter soll für höchstens fünf Jahre anerkannt werden, wer über die erforderliche fachliche Qualifikation, eine in der Regel mindestens zweijährige einschlägige praktische Berufserfahrung und die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit verfügt.(§§ 1, 6 AGPsychPb).
Psychosoziale Prozessbegleiter haben Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten oder sonst im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Umstände, die nicht allgemein zugänglich sind, zu bewahren. Gesetzliche Auskunftspflichten bleiben unberührt.
Sie sind zur regelmäßigen Teilnahme an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen, hörend oder dozierend, sowie an Maßnahmen der Supervision oder kollegialen Beratung verpflichtet (§ 5 AGPsychPb).
GVBL. NRW 2016, 865