Naturkatastrophe: Rechte und Pflichten der Mitarbeiter caritativer Einrichtungen
- Frage: Können sich Mitarbeiter von der Arbeit freistellen lassen, wenn infolge eines Naturereignisses ihre Wohnung beschädigt oder sie sich wegen Verlust der Wohnung eine neue Wohnung suchen und neu einrichten müssen?
Antwort: Mitarbeiter sind gesetzlich zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet, wenn und solange ihnen die Arbeitsleistung auch unter Berücksichtigung des Leistungsinteresses des Dienstgebers nicht zugemutet werden kann (§ 275 Abs. 3 BGB). Dabei haben familiäre Interessen grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des Dienstgebers. Der Anspruch ist zeitlich nicht begrenzt und besteht so lange wie der persönliche Einsatz des Mitarbeiters für die Belange der Familie erforderlich ist.
Nur in Ausnahmefällen müssen familiäre Interessen hinter dienstlichen zurückstehen, beispielsweise wenn und solange die Arbeitsleistung des Mitarbeiters unbedingt erforderlich ist, um Menschenleben zu retten bzw. schwer Verletzte zu behandeln oder unaufschiebbar wichtige allgemeine Interessen wahrzunehmen.
Bei Freistellung aus persönlichen familiären Gründen besteht Anspruch auf Fortzahlung der Dienstbezüge für einen Tag, wenn der Mitarbeiter an einen anderen Ort umzieht (§ 10 Abs. 2 Buchst. a) AT-AVR).
Der Dienstgeber kann im Katastrophenfall dem Mitarbeiter Dienstbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge bis zu drei Tagen gewähren. Insoweit steht dem Dienstgeber zwar ein Ermessensspielraum zu. Dieser schrumpft aber auf null und wandelt sich zu einem Rechtsanspruch des Mitarbeiters, wenn der Dienstgeber keine Ersatzkraft einsetzt und durch den Ausfall des Mitarbeiters auch keinen sonstigen Vermögensschaden erleidet (§ 10 As. 4 AT-AVR).
- Frage: Haben Mitarbeiter Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie wegen Unwetter, Sturm-/Wasserschäden, Straßensperren usw. nicht oder nur verspätet den Arbeitsplatz erreichen können?
Antwort: Nein: Der Dienstgeber ist nicht verpflichtet, das Wetterrisiko zu tragen.
- Frage: Sind Mitarbeiter verpflichtet, zur Vermeidung von Schäden durch ungewöhnliches Unwetter und bei Aufräumarbeiten zu arbeiten und dem Dienstgeber zu helfen, indem sie Arbeiten ausführen, zu denen sie normalerweise nach dem Dienstvertrag nicht verpflichtet sind?
Antwort: Ja: Auch der Chefarzt und die Küchenhilfe müssen, soweit gesundheitlich zumutbar, beispielsweise Sandsäcke aufschichten, Patienten, Mobiliar, Arbeitsmittel, technische Geräte usw. aus der Gefahrenzone wegtransportieren und nach Schadenseintritt beim Aufräumen und Wiedereinrichten des Arbeitsplatzes mitarbeiten. Sie sind zwar nicht verpflichtet, Trümmer zu beseitigen, unbrauchbare Gegenstände zu entsorgen und beim Wiederaufbau des Arbeitsplatzes/der Einrichtung mitzuarbeiten, können sich aber dazu bereit erklären.
- Frage: Haben Mitarbeiter Anspruch auf Entgelt, wenn sie wegen der Unwetterschäden nicht arbeiten können?
Antwort: Ja: Das Betriebsrisiko trägt der Dienstgeber. Wenn und so weit in der Einrichtung wegen bzw. infolge des Unwetters nicht gearbeitet wird, hat er das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen (§ 326 Abs. 2/§ 615 Satz 3 BGB).
Für arbeitslosenversicherte Mitarbeiter kann er Kurzarbeitergeld beantragen und dadurch seine finanzielle Belastung weitgehend ausgleichen. Nicht arbeitslosenversicherte, z. B. geringfügig beschäftigte Mitarbeiter behalten ihren gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Eine Kürzung ist nur zulässig durch Vereinbarung einer schriftlichen Änderung des Dienstvertrags, die dem Mitarbeiter mindestens einen Betrag in Höhe des Kurzarbeitergeldes sichert.
- Frage: Dürfen oder müssen Mitarbeiter ins Homeoffice wechseln, wenn ihr Arbeitsplatz vom Unwetter zerstört wurde?
Antwort: Im Einvernehmen mit dem Dienstgeber ist ein Umzug ins Homeoffice unproblematisch, wenn alle für das Homeoffice geltenden arbeits-, lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich erforderlichen Anforderungen erfüllt werden können und eine entsprechende Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag abgeschlossen wird.
Ob Mitarbeiter in einer durch Unwetter verursachten Notsituation verpflichtet werden können, ins Homeoffice zu ziehen, ist ungeklärt. Ein Ablehnungsrecht des Mitarbeiters besteht jedenfalls dann, wenn ein konzentriertes Arbeiten in seiner Wohnung nicht möglich bzw. den anderen Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre.
- Frage: Darf der Dienstgeber im Unwetter-Notfall Mitarbeiter während des Urlaubes anrufen bzw. aus dem Urlaub zurückrufen?
Antwort: Grundsätzlich darf der Dienstgeber die Erholung des Mitarbeiters während des Urlaubs nicht durch Telefonanrufe, E-Mails usw. stören. Jedoch war bisher schon anerkannt, dass der Mitarbeiter einfache Fragen des Dienstgebers während des Urlaubs beantworten muss, wenn sonst unverhältnismäßiger Schaden droht, beispielsweise die Frage nach einem Passwort für den Zugriff auf dringend zu bearbeitende Daten.
Auch ein Rückruf aus dem Urlaub kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn infolge einer Naturkatastrophe die Rückkehr des Mitarbeiters unvorhersehbar und zwingend notwendig ist. In diesem Fall hat der Dienstgeber sämtliche Kosten zu tragen, die dem Mitarbeiter entstehen (z. B. Stornokosten, Rückholkosten, nutzlos aufgewandte Reisekosten für alle Familienmitglieder). Außerdem bleibt der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters zumindest auf den infolge des Abbruchs nicht genutzten Teil des genehmigten Urlaubes bestehen.