Nachehelicher Unterhaltsanspruch: Verlust und Wiederaufleben
Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 84/09
Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.06.2020 - 9 UF 254/19
- Der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte verliert seinen nachehelichen Unterhaltsanspruch, wenn er eine verfestigte neue eheähnliche Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Der Verlust tritt auch dann ein, wenn der neue Partner keinen Unterhalt leisten kann (§ 1579 Nr. 2 BGB).
Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa
a) ein über zwei bis drei Jahre hinweg geführter gemeinsamer Haushalt,
b) ein gemeinsames Kind,
c) das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,
d) größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder
e) die Dauer der Verbindung,
den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen.
Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage sowie Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen.
Die Darlegungs- und Beweislast für das längere Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sowie für alle Umstände, die die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme als grob unbillig erscheinen lassen, trägt der unterhaltspflichtige Ehegatte. Zulässig können u. a. die Beobachtung durch einen Detektiv, Fotos und sonstige Informationen in sozialen Netzwerken sein. - Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch kann bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wiederaufleben. In anderen Fällen lebt er nur ausnahmsweise wieder auf, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.