Mietverhältnis: Kündigung wegen Eigenbedarf des Vermieters
1. Ablauf des Kündigungsverfahrens
- Ein Vermieter kündigt ein Mietverhältnis mit der Begründung, dass er die vermieteten Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt ("Eigenbedarf": § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Bewohnt der Vermieter ein Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen selbst, ist die Kündigung auch dann zulässig, wenn er die vermietete Wohnung nicht für eigene Zwecke nutzen will (§ 573a BGB).
Ist die Mietwohnung während der Mietzeit in eine Eigentumswohnung umgewandelt worden, kann der Erwerber sich erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb auf Eigenbedarf berufen. Die Sperrfrist kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung auf bis zu zehn Jahre verlängert werden (§ 577a BGB). - Der Mieter muss im Kündigungsschreiben konkret begründen, warum und für welche Person er die Wohnung benötigt (Angabe des Namens nicht in der Regel nicht erforderlich).
- Der Mieter kann gegen die Eigenbedarfskündigung Widerspruch einlegen, wenn der Auszug eine besondere Härte für den Mieter bedeuten würde.
- Stellt der Mieter im Nachhinein fest, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat, stehen ihm Schadensersatzansprüche zu. Er kann vom früheren Vermieter verlangen, Teile seiner Umzugs-, Makler- und Renovierungskosten sowie höhere Mietausgaben für die neue Wohnung zu tragen.
2. Welche Vermieter können wegen Eigenbedarf
kündigen?
Ist der Vermieter eine juristische Person, eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft oder eine GmbH, kann er nicht wegen Eigenbedarfs kündigen.1
Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) - beispielsweise einer Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft, ist die Gesellschaft zwar Vermieter. Jedoch können die Gesellschafter und deren Angehörige als natürliche Personen eine Wohnung benötigen. In diesem Falle darf die Gesellschaft als Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen.2
3. Wann liegt Eigenbedarf vor?
Eigenbedarf liegt vor, wenn ein Vermieter seine Wohnung für sich oder einen Angehörigen zu Wohnzwecken benötigt. Dann hat er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
3.1 Nutzung zu Wohnzwecken
Will der Vermieter aus nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen die Wohnung selbst - ausschließlich oder überwiegend - zu Wohnzwecken nutzen oder sie hierfür den im Gesetz genannten Angehörigen zur Verfügung stellen, reicht bereits ein ernsthafter Nutzungsentschluss für ein vorrangiges Erlangungsinteresse des Vermieters aus (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Dagegen hat das wirtschaftliche Verwertungsinteresse eines Vermieters, etwa durch Veräußerung oder Abriss für einen Neubau, nur ausnahmsweise dann Vorrang, wenn der Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile erleiden würde (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
Besitzt der Vermieter eine weitere Wohnung, wird von ihm erwartet, dass er diese zunächst für den Eigenbedarf nutzt. Besteht diese Möglichkeit nicht, kann ein Eigenbedarf beispielsweise vorliegen, wenn er die bisher vermietete Wohnung beispielsweise selbst nutzen will, weil
- sie den nötigen Raum für seine Kinder bietet,
- sie für ihn oder seine Frau altersgerecht ist,
- sie wegen ihrer Lage die Betreuung/Pflege naher Verwandter ermöglicht,
- sie den Weg zum Arbeitsplatz erheblich verkürzt,
- ein Sohn oder eine Tochter heiraten und die Wohnung als Ehewohnung nutzen möchte,
- er pflegebedürftig ist und der Pflegekraft eine Unterkunft bieten muss.
Beabsichtigt der Vermieter, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen, wird ein Eigenbedarf regelmäßig anerkannt, wenn die geplante Mischnutzung auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters beruht. Das gilt auch, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten/Lebenspartner des Vermieters erfolgen soll.3
Ein Eigenbedarf kann aber stets nur dann anerkannt werden, wenn der Vermieter den Umzug auch ernsthaft verfolgt. Eine eher vage Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung einziehen zu wollen, reicht nicht.4
3.2 Nutzung zu wirtschaftlichen oder geschäftlichen Zwecken
(Verwertungskündigung)
Kündigt der Vermieter, weil er die Räume selbst ausschließlich geschäftlich nutzen will, hat er keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung und Einräumung der Nutzung, die den höchstmöglichen Vorteil erwarten lässt.5
Das wirtschaftliche Verwertungsinteresse eines Vermieters, beispielsweise an einer Veräußerung einem Abriss für einen Neubau, an der Umwandlung der Mietwohnung in eine Eigentumswohnung oder an der Erzielung einer höheren Miete, hat nur dann Vorrang vor dem Interesse des Mieters, wenn die dem Vermieter entstehenden Nachteile die Nachteile weit übersteigen, die dem Mieter bei Verlust der Wohnung erwachsen (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
Will der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen und soll somit der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden, wird ein Eigenbedarf des Vermieters nur anerkannt, wenn der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für ihn einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen würde.
Beispiele: Der Vermieter kann seine (frei)berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ohne Nutzung der Räume der Mietwohnung nicht rentabel durchführen.
Der Vermieter will seine Erwerbstätigkeit eng mit dem privaten Lebensbereich verbinden und diese in Räumen ausüben, die in der Nähe der von ihm derzeit genutzten Wohnung gelegen sind, um seine Kinder oder pflegebedürftige Personen zu betreuen, weil gesundheitliche Einschränkungen bestehen oder weil er dadurch mehr Zeit für das Zusammenleben mit seinem Ehegatten/Lebenspartner gewinnt.
3.3 Für wen kann Eigenbedarf geltend gemacht werden?
Der Kreis der Angehörigen, für den ein Vermieter Eigenbedarf geltend machen kann, ist auf nahe Verwandte und Angehörige begrenzt. Dazu zählen:
- Ehegatten und eingetragene Lebenspartner,
- Kinder, Eltern, Enkel, Großeltern,
- Geschwister,6
- Stiefkinder, Nichten und Neffen,7
- Schwiegereltern,
- Haushaltshilfen, Au-Pairs, Pflegepersonal und Hausmeister.
Nur bei einem besonders engen familiären Kontakt kann ein Eigenbedarf auch für entferntere Angehörige geltend gemacht werden:8
- Onkel und Tante, Vetter und Cousine, Großnichte und Großneffe, Schwager und Schwägerin, Patenkind,
- geschiedener Ehegatte oder Eltern des Lebenspartners,
- Kinder des Lebensgefährten.
4. Wie muss die Kündigung begründet sein?
Im Streitfall wird das Gericht bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nur die in dem Kündigungsschreiben angegebenen Gründe berücksichtigen, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind (§ 573 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Der Vermieter muss aber im Kündigungsschreiben konkret benennen, für wen er Eigenbedarf anmeldet.9
Es reicht, wenn er Eigenbedarf für seine Tochter anmeldet, die mit ihrem Lebensgefährten zusammenziehen möchte. Der Name des Lebensgefährten muss nicht genannt werden.10
Er muss deutlich machen, ob er die Räume der Mietwohnung zu Wohnzwecken oder zu wirtschaftlichen Zwecken nutzen will, und konkret darlegen, welche Nachteile er hätte, wenn er die Wohnung nicht geschäftlich nutzen könnte.
Ferner hat er zu begründen, warum er die Wohnung zu dem in der Kündigung genau genannten Zeitraum benötigt. Dabei sind die Kündigungsfristen zu beachten, die je nach Mietdauer drei, sechs oder neun Monate betragen.
5. Widerspruch des Mieters
Der Mieter kann Widerspruch gegen die Kündigung des Vermieters einlegen. Der Widerspruch ist schriftlich und spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mitverhältnisses zu erklären, wenn der Vermieter zuvor auf die Möglichkeit des Widerspruchs und auf dessen Form und Frist hingewiesen hat. Hat der Vermieter dies unterlassen, kann der Widerspruch noch im ersten Gerichtstermin erklärt werden (§§ 574, 577 BGB).
Der Mieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 2 BGB). Eine Härte liegt insbesondere vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.
Weitere Erläuterungen zum Widerspruch und zum Schutz gegen die Räumung der Wohnung enthält auf unserer Homepage der Beitrag "Mietschulden - Obdachlosigkeit - Räumung der Wohnung - Notunterkunft".
1 Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2007 - VIII ZR 113/06.
2 Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2016 - VIII ZR 232/15.
3 Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.03.2017 - VIII ZR 45/16, Rn 52.
4 Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2015 - VIII ZR 297/14.
5 Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2017 - VIII ZR 243/16.
6 Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.07.2003 - VIII ZR 276/02.
7 Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.01.2010 -VIII ZR 159/09.
8 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.03.2009 - VIII ZR 247/08.
9 Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.2017 - VIII ZR 270/15.
10 Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2014 - VIII ZR 284/13.