Mietschulden – Obdachlosigkeit – Räumung der Wohnung – Notunterkunft
Übersicht
1. Ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses
2. Außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem
Grund
3. Übernahme von Mietschulden durch Jobcenter oder Sozialamt
4. Zahlungs- und Räumungsklagen
4.1 Sicherungsanordnung
4.2 Zwangsweise Räumung
4.3 Vollstreckungsschutz
5. Unterbringung durch das Ordnungsamt
5.1 Pflicht zur Vermeidung von Obdachlosigkeit
5.2 Zuweisung einer Unterkunft
5.3 Einweisungsverhältnis
5.4 Menschenwürdige Unterkunft
5.5 Dauer der Einweisung
Mietschulden sind - insbesondere für Familien - der häufigste Grund für den Verlust der Wohnung und die folgende Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit.
Obdachlos sind Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine feste Unterkunft haben und auch nicht haben wollen. Sie übernachten unter Brücken, in Parks, Parkhäusern, U-Bahnstationen usw
Wohnungslos sind Menschen, die nicht über Wohnraum verfügen, den sie selbst angemietet haben. Sie leben beispielsweise in einer Notunterkunft, einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe oder übernachten in einer kommunalen oder gemeinnützigen Einrichtung (Notschlafstelle).
Wirtschaftliche Notlagen, belastende Ereignisse oder Lebenskrisen sind häufig Gründe, die zu Obdach- oder Wohnungslosigkeit führen:
- Verlust des Arbeitsplatzes
- schwere akute oder chronische Erkrankungen
- psychische Probleme wie Depressionen, Schizophrenie oder Sucht
- Trennung oder Scheidung
- häusliche Gewalt
- Armut, Überschuldung
- Entlassung aus der Strafhaft
- Anstieg von Mieten
1. Ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses
Vermieter können das Mietverhältnis ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen (§ 573 Abs. 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein berechtigtes Interesse eines Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses schon anzunehmen ist, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete beträgt. Nur bei Rückständen von weniger als einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer von weniger als einem Monat sei die Kündigung ausgeschlossen.1
Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats zulässig. Für den Vermieter verlängert sich die Kündigungsfrist nach fünf und acht Jahren nach der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate (§ 573c Abs. 1 BGB).
Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form. Der Vermieter soll den Mieter auf die Möglichkeit, die Form und die Frist eines Widerspruchs rechtzeitig hinweisen (§ 568 BGB).
Er hat die Gründe für sein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden bei der Prüfung, ob ein Widerspruch des Mieters berechtigt ist, nicht berücksichtigt (§ 573 Abs. 3 BGB).
2. Außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses
aus wichtigem Grund
Vermieter können das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen, wenn der Mieter
- für zwei aufeinanderfolgende Termine die Miete oder einen nicht unerheblichen Teil der Miete nicht zahlt,
- in einem Zeitraum, der sich über zwei Termine erstreckt, die Miete in Höhe eines Betrags nicht zahlt, der zwei Monatsmieten entspricht,
- die Kaution oder bei Teilzahlungen einen Betrag nicht zahlt, der der zweifachen Monatsmiete entspricht.
(§§ 543 Abs. 2 Nr. 3 und § 569 Abs. 2a BGB).
Zur Miete gehören auch erhöhte Vorauszahlungen auf die Mietnebenkosten, die der Vermieter aufgrund einer formell und inhaltlich einwandfreien Betriebskostenabrechnung vom Mieter verlangen kann.2
Sehen Sie dazu auch den Beitrag "Mieter: Kündigung wegen verspäteter oder Nichtzahlung der Miete".
Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter
- binnen zwei Monaten, nachdem ihm die Räumungsklage zugestellt worden ist, den Rückstand ausgleicht oder
- eine öffentliche Stelle sich zum Ausgleich verpflichtet (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
Die Kündigung bleibt aber wirksam, wenn das Jobcenter sich zwar zum Ausgleich verpflichtet hat, aber tatsächlich nicht regelmäßig zahlt; denn ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB kann auch - unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Mieters - allein in der objektiven Pflichtverletzung unpünktlicher Mietzahlungen und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen liegen, wenn die Gesamtabwägung ergibt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen kann zu Ungunsten des Mieters von Bedeutung sein, ob zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder ob der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss.
Vom Mieter wird erwartet, dass er die Leistung rechtzeitig beantragt und bei etwaigem Zahlungsverzug der Behörde bei dieser auf eine pünktliche Zahlung gedrungen und insbesondere auf die deshalb drohende Kündigung hingewiesen hat. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist: Ist kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden, die erst durch eine Zahlung während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist, ist dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses in der Regel nicht zumutbar.3
3. Übernahme von Mietschulden durch Jobcenter oder
Sozialamt
Das elementare Grundbedürfnis, in einer Unterkunft leben zu können, ist durch staatliche Hilfe zu sichern. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates. Sie wird aus dem Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums abgeleitet4 und durch die gesetzlichen Regelungen über die Übernahme von Mietschulden durch Sozialleistungsträger bei drohendem Verlust der Mietwohnung konkretisiert:
Mietschulden von ALG-II-Beziehern und Auszubildenden können vom Jobcenter in Form eines Darlehens übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (§ 22 Abs. 8 SGB II).
Das Sozialamt ist zuständig für erwerbsfähige Personen, deren Einkommen geringfügig oberhalb der Einkommensgrenze nach SGB II liegt (§ 21 Satz 2 SGB XII), sowie u. a. für voll Erwerbsgeminderte und alte Menschen (§ 36 SGB XII).
Die Übernahme der Mietschulden ist beim Jobcenter/Sozialamt zu beantragen. Sie steht im Ermessen des Jobcenters bzw. des Sozialamts. Bei der Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, unter anderem die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, die Zusammensetzung des eventuell von der Räumung bedrohten Personenkreises und insbesondere die Betroffenheit von Kleinkindern oder Behinderten, das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten in Form eines erstmaligen oder wiederholten Rückstands sowie Bemühungen, entstandene Rückstände auszugleichen, und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe, etwa durch das Bemühen um vertretbare Ratenzahlung bei den Gläubigern. Eine Darlehensbewilligung scheidet nicht bereits dann aus, wenn lediglich ein Kriterium nicht erfüllt wird.
Jobcentern und Sozialämtern ist aber kein freies Ermessen eingeräumt; denn nach der gesetzlichen Regelung "sollen" sie Mietschulden übernehmen, wenn die Übernahme gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Mit der Formulierung "sollen" bindet der Gesetzgeber die behördliche Ermessensentscheidung.
Die Übernahme der Mietschulden ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II der gesetzlich gewollte Regelfall, die Nichterbringung des Darlehens der Ausnahmefall.5 Dies gilt entsprechend für die Regelung im SGB XII
Auf ein Verschulden des Mieters an der Entstehung der Schulden kommt es in der Regel nicht an. Die Schuldenübernahme ist ausnahmsweise erst dann "nicht gerechtfertigt", wenn der aufgelaufene Rückstand z. B. auf einer Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten beruht oder auf den Missbrauch von Sozialleistungen wegen Nichtweiterleitung der für Unterkunft und Heizung bestimmten Mittel an die Vermieterseite. Gleiches kann gelten, wenn es trotz entsprechender Hilfeangebote und Unterstützung wiederholt zu Rückständen gekommen ist und kein Wille zur Selbsthilfe erkennbar ist.6
Eine Übernahme ist ausgeschlossen, wenn das Mietverhältnis beendet ist und der Vermieter zu einer weiteren Vermietung nicht bereit ist. Sie ist außerdem ausgeschlossen, wenn die Wohnung durch die Schuldenübernahme nicht dauerhaft gesichert werden kann, beispielsweise weil die Miete die angemessenen Kosten übersteigt, der Vermieter Eigenbedarf ankündigt oder das Haus, in dem sich die Wohnung befindet, demnächst abgerissen wird.
4. Zahlungs- und Räumungsklagen
Räumungs- und Zahlungsklagen sind vom Amtsgericht vorrangig zu terminieren; die Fristen zur Stellungnahme für die Parteien sind auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren, um möglichst zu vermeiden, dass sich die Klageforderung monatlich um das auflaufende Nutzungsentgelt erhöht, falls der Mieter nicht zahlt. Deshalb sind Räumungsprozesse schneller als andere Zivilprozesse durchzuführen.
Gemäß § 721 ZPO kann der Mieter im Räumungsprozess einen Antrag auf Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist stellen.
4.1 Sicherungsanordnung des Gerichts
Auf Antrag des Vermieters kann das Gericht den Mieter in Verfahren wegen Geldforderungen verpflichten, für das während eines Gerichtsverfahrens Monat für Monat auflaufende Nutzungsentgelt innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist eine Sicherheit - z. B. in Form einer Zahlungszusage des Jobcenters oder des Sozialamts, einer Bürgschaft, Hinterlegung von Geld - zu leisten (Sicherungsanordnung).
Damit soll verhindert werden, dass der Vermieter durch das Gerichtsverfahren weiteren wirtschaftlichen Schaden erleidet, wenn der Mieter nicht mehr in der Lage ist, die während des Prozesses aufgelaufenen Mietschulden zu bezahlen (§ 283a ZPO).
Befolgt der Mieter bei einer Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs eine vom Gericht erlassene Sicherungsanordnung nicht, kann der Vermieter im Wege des einstweiligen Rechtschutzes nach
§ 940a ZPO sehr bald eine Entscheidung erwirken, die ihm die Räumung ermöglicht.
4.2 Zwangsweise Räumung
Der Vermieter kann eine Räumung der Wohnung nur aufgrund eines Urteils oder gerichtlichen Vergleichs erzwingen, der den Mieter zur Räumung verpflichtet.
In diesem Falle kann er einen Gerichtsvollzieher beauftragen, die Räumung durchzuführen. Der Gerichtsvollzieher darf die Wohnung notfalls zwangsweise räumen, den Müll entsorgen und das übrige Inventar einlagern. Die erheblichen Kosten hat der Vermieter vorzuschießen.
Alternativ kann der Gerichtsvollzieher die für den Vermieter kostengünstigere "Berliner Räumung" durchführen: Der Gerichtsvollzieher belässt alle Gegenstände in der Wohnung, tauscht die Schlösser aus und übergibt dem Vermieter die neuen Schlüssel. Dieses Verfahren ist zulässig, weil dem Vermieter ein Pfandrecht an allen Gegenständen in der Wohnung zusteht, die sich in der Wohnung befinden (§§ 562, 1006 BGB).
Unpfändbare Sachen und solche, deren Verwertung keinen Erlös erwarten lässt, hat der Vermieter dem Mieter herauszugeben. Unpfändbar sind die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienenden Sachen, insbesondere Kleidungsstücke, Wäsche, Betten, Haus- und Küchengeräte, "soweit der Schuldner ihrer zu einer seiner Berufstätigkeit und seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf" (§ 811 Abs. 1 ZPO).
Fordert der Mieter die Sachen beim Vermieter nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Besitzübernahme ab, kann der Vermieter die Sachen beispielsweise im Wege der Versteigerung verwerten (entsprechend §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 BGB). Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden.
4.3 Vollstreckungsschutz
Schutz gegen die Räumungsvollstreckung wird dem Mieter auf Antrag vom Vollstreckungsgericht gewährt, wenn die Räumung eine mit den guten Sitten unvereinbare Härte im Sinne des § 765a ZPO darstellt. Die Gerichte gewähren in der Regel befristeten Räumungsschutz, insbesondere wenn Kinder oder alte Menschen betroffen sind.
Unbefristeter Räumungsschutz wird nur ausnahmsweise gewährt, beispielsweise
- einem hochbetagten Mieter, wenn der Verlust der gewohnten Umgebung eine Beschleunigung des gesundheitlichen Verfalls und eine Verkürzung der Lebenserwartung erwarten lässt.7
- wenn eine konkrete Suizidgefahr besteht d. h. die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung. Die akute Gefahr eines Suizids ist dafür nicht erforderlich.8
5. Unterbringung durch das Ordnungsamt
Betreibt ein Räumungsgläubiger (Vermieter) die Zwangsräumung einer Wohnung, so ist der zuständige Gerichtsvollzieher verpflichtet, die Ordnungsbehörde vom bevorstehenden Räumungstermin zu informieren.
Haben die Mieter bis zum Zwangsräumungstermin keine Ersatzunterkunft gefunden, können sie vom Gerichtsvollzieher in der Regel nicht auf die Straße gesetzt werden, wenn sie weiterhin in einer Unterkunft leben wollen.
5.1 Pflicht zur Vermeidung von Obdachlosigkeit
Die örtliche Ordnungsbehörde ist verpflichtet, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern, dass für den Mieter Obdachlosigkeit eintritt.
Sie hat im Rahmen der objektiv-rechtlichen staatlichen Pflicht, elementare Grundrechte des einzelnen, insbesondere Leben und Gesundheit zu schützen, dem Obdachlosen zu ermöglichen, sich in der ihm zugewiesenen Unterkunft vorübergehend aufzuhalten und notdürftig wohnlich einzurichten. Die Gewährung und Sicherung einer Unterkunft auf Dauer ist, soweit sich ein Hilfebedürftiger nicht selbst helfen kann und die Hilfe nicht von anderen erhält, grundsätzlich Aufgabe des zuständigen Jobcenters bzw. Sozialamts.
5.2 Zuweisung einer Unterkunft
Die Unterbringung des Räumungspflichtigen durch die Ordnungsbehörde ist nicht erst bei oder nach Durchführung der Zwangsräumung, sondern schon bei drohendem Verlust der bisherigen Unterkunft zulässig.
Die Ordnungsbehörde hat dafür zu sorgen, dass der nunmehr Wohnungslose in einer gemeindeeigenen, angemieteten oder beschlagnahmten Unterkunft untergebracht bzw. beherbergt wird. Welche Möglichkeit sie wählt, steht in ihrem Ermessen.
Sie muss allerdings zunächst versuchen, den Wohnungslosen ohne Eingriff in die Eigentumsrechte von Hauseigentümern in gemeindeeigenen (oder von ihr angemieteten) Räumen unterzubringen. Falls dies nicht möglich ist, kann sie die Wohnräume Dritter beschlagnahmen und den Wohnungslosen im Wege einer Einweisungsverfügung darin unterbringen.
Der Wohnungslose kann zur Vermeidung drohender und anders nicht abwendbarer weiterer Wohnungslosigkeit auch - allerdings nur für höchstens sechs Monate9 - in die von ihm benutzte und zu räumende Wohnung wieder eingewiesen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der räumungspflichtige Mieter keinen weiteren gerichtlichen Vollstreckungsschutz oder Räumungsschutz erhalten kann oder will.
5.3 Einweisungsverhältnis
Wird die bisherige Wohnung oder eine andere Wohnung beschlagnahmt und der bisherige Mieter darin eingewiesen, so begründet die Einweisungsverfügung keinen neuen Mietvertrag.
Es wird ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Räumungspflichtigen begründet. Aus diesem Grunde hat der Räumungspflichtige bzw. Obdachlose weder gegen die Behörde noch gegen den ehemaligen Vermieter Rechte und Pflichten, die ihm als Mieter kraft Gesetzes oder auf Grund des Mietvertrages zustehen würden. Seine Rechte und Pflichten, u. a. die von ihm zu zahlende Nutzungsgebühr, werden in der Regel durch eine Satzung über die Nutzung der Notunterkünfte bestimmt.10
Die Einweisung begründet keinen Rechtsanspruch darauf, in der Unterkunft belassen zu werden. Die Gemeinde ist vielmehr unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berechtigt, den Eingewiesenen von einer zugewiesenen in eine andere Unterkunft umzusetzen, wenn dafür sachliche Gründe bestehen und die neue Unterkunft den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung genügt.11
Als sachliche Gründe für eine Räumung der bisherigen Obdachlosenunterkunft sind in der Rechtsprechung etwa anerkannt, dass diese für die Unterbringung anderer Obdachloser benötigt wird, dass die Wohnungen renoviert und an die Eigentümerin zurückgegeben werden sollen, dass auf dem Grundstück nach Abbruch dort ein neues Gebäude für die Gemeinde errichtet werden soll.12
5.4 Menschenwürdige Unterkunft
Die Ordnungsbehörde ist lediglich verpflichtet, eine vorübergehende Notlage eines Bürgers der Gemeinde zu beseitigen. Ihr steht insoweit ein Ermessensspielraum zu. Ihr Ermessen ist jedoch insoweit begrenzt, als sie den Antragstellern nur eine Unterkunft zuweisen darf, die menschenwürdig ist im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG
Die Unterkunft muss aber den Anforderungen des Bauordnungsrechts, des Brandschutzes, des Gesundheitsrechts und der Unfallverhütung entsprechen.
Wohnraum muss insbesondere über folgende funktionsfähige und nutzbare Mindestausstattung verfügen. Dazu gehören:13
- ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung,
- Schutz gegen Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit,
- Anschluss von Energie-, Wasserversorgung und Entwässerung,
- Feuerstätte oder Heizungsanlage,
- Anschluss für eine Kochküche oder Kochnische,
- sanitäre Einrichtungen.
Alleinstehende können in eine Gemeinschaftsunterkunft eingewiesen werden, Familien in der Regel in eine abschließbare Wohnung. Bei Familien mit Kindern, kranken oder alten Angehörigen muss die Aufteilung der Räume den individuellen Bedürfnissen entsprechen.
Zur Vermeidung einer sozialen Ausgrenzung muss die Unterkunft so gelegen sein, dass die Bewohner Einkäufe tätigen, Arbeitstätigkeiten aufnehmen sowie Kindertagesstätten und Schulen erreichen können.
Letztlich ist im Einzelfall entscheidend, wie die konkrete Wohnsituation beschaffen ist, welche Bedürfnisse die Familienangehörigen haben und von welcher Unterbringungsdauer die Behörden ausgehen können.
5.5 Dauer der Einweisung
Die Einweisung in die Notunterkunft darf nur so lange dauern, wie die Behörde keine anderweitige Unterkunft verschaffen kann.
Die Beschlagnahme der Wohnung eines Dritten ist nach Ablauf der Frist der Beschlagnahme aufzuheben. Die Ordnungsbehörde hat die Wohnung frei zu machen und eine Ersatzunterbringung sicher zu stellen.14
1 Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12, NJW 2013, 159.
2 Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2012 - VIII ZR 246/11, NJW 2012, 2186.
3 Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2016 - VIII ZR 173/15.
4 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, NJW 2010, 505.
5 Bundessozialgericht, Urteil vom Landessozialgericht NRW, Beschluss vom 17.09.2013 - 19 AS
1501/13, www.justiz.nrw.de
6 Landessozialgericht NRW, Beschluss vom 03.12.2014 - L 19 AS 1909/14 B ER.
7 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.08.2009 - I ZB 11/09.
8 Bundesverfassungsgericht, 11.07.2007 - 1 BvR 501/07.
9 Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 18.12.1989, 23 L 1816/89, DWW 1990 S. 90;
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.5.1990, 1 S 873/90, DWW 1990
S. 215.
10 Siehe z. B. die Satzung der Stadt Köln unter www.stadt-koeln.de/mediaasset/content
/satzungen/satzung_obdachloseneinrichtungen_2013_11_21.pdf
11 Verwaltungsgerichtshof Hessen, Beschluss vom 07.03.2011 - 8 B 217/17, DÖV 2011, 536.
12 Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.1996 a. a. O.
13 Siehe Landesbauordnung NRW, 5. und 6. Abschnitt des Dritten Teils.
14 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2005 - III ZR 148/05, NJW-RR 2006, 802.