Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetzes (2023)
Übersicht
1. Persönlicher Geltungsbereich
2. Leistungen
2.1 Grundleistungen
2.2 Bildungs- und Teilhabepaket 2023
2.3 Medizinische Regelbehandlung bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
2.4 Sonstige Leistungen
2.5 Medizinische und sonstige Hilfe für besonders schutzwürdige Menschen
2.6 Behandlungsschein und Gesundheitskarte (G-Karte)
1. Persönlicher Geltungsbereich
Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gilt unter anderem für Flüchtlinge, Asylbewerber, vollziehbar Ausreisepflichtige z. B. abgelehnte Antragstellende und Inhaber von Duldungen.
Keinen Anspruch auf Leistungen besitzen vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die einen internationalen Schutzstatus in einem anderen EU-Staat haben sollen. Sie erhalten nur für zwei Wochen Überbrückungsleistungen und sind danach normalerweise vollständig von Leistungen ausgeschlossen. Jedoch sind Leistungen zur Überwindung einer besonderen Härte über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen (§ 1 Abs. 4 AsylbLG).
Das AsylbLG sichert in den ersten 18 Monaten den Grundbedarf vorrangig durch Geldleistungen, die niedriger sind als die Sozialhilfe-Regelsätze (§ 3 Abs. 3 AsylbLG). Für Leistungsberechtigte, die in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, wird der notwendige Bedarf vorrangig durch Sachleistungen gedeckt (§ 3 Abs. 2 AsylbLG).
Nach einem Aufenthalt von mehr als 18 Monaten werden in der Regel Leistungen erbracht, die in Form und Höhe den Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII entsprechen (Analogleistungen nach § 2). Es besteht u. U. Anspruch auf Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte und auf fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 264 SGB V).1
2. Leistungen
Leistungsberechtigte erhalten zur Deckung ihres Bedarfs
- Grundleistungen (siehe Abschnitt 2.1)
- Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
(siehe Abschnitt 2.2) - Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt (siehe Abschnitt 2.3)
- Sonstige Leistungen bei Vorliegen besonderer Umstände (siehe Abschnitt 2.4)
Arbeitsfähige Leistungsberechtigte können zur Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit (§ 5 Abs. 4, § 5a Abs. 2 AsylbLG), arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und der Vollzeitschulpflicht nicht mehr unterliegen, zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden (§ 5b Abs. 1 AsylbLG). Bei unbegründeter Weigerung werden die Leistungen gekürzt (§ 1a Abs. 1 AsylbLG).
2.1 Grundleistungen
Leistungsberechtigte haben Anspruch auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf » § 3 Abs. 1 Satz 1 AsybLG).
Zusätzlich stehen ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens zu (notwendiger persönlicher Bedarf » § 3 Abs. 1 Satz 2 AsybLG).
Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Statt Kleidung können Wertgutscheine oder andere unbare Abrechnungen gewährt, Gebrauchsgüter des Haushalts leihweise überlassen werden. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 AsylbLG).
Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs und des notwendigen persönlichen Bedarfs zu gewähren. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden (§ 3 Abs. AsylbLG).
Der individuelle Bargeldbedarf für in Abschiebungs- oder Untersuchungshaft genommene Leistungsberechtigte wird durch die zuständige Behörde festgelegt, wenn der Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist (§ 3a Abs. 3 AsylbLG).
Anspruchsberechtigte der Bedarfsgruppen 1 bis 6 |
Notwendiger Bedarf |
Notwendiger persönlicher Bedarf |
Monatlicher Gesamtbedarf |
Erwachsene und Minderjährige, die nicht mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung oder Unterkunft leben |
228 Euro |
182 Euro | 410 Euro |
Volljährige Partner/innen in ehe- oder eheähnlicher Haushaltsgemeinschaft oder alleinlebend in einer Gemeinschaftsunterkunft |
205 Euro |
164 Euro |
369 Euro |
Erwachsene unter 25 Jahren, unverheiratet, mit einem Elternteil in einer Wohnung |
182 Euro |
146 Euro | 328 Euro |
Jugendliche (14 bis 17 Jahre) |
240 Euro |
124 Euro | 364 Euro |
Kinder (6 bis 13 Jahre) |
182 Euro |
122 Euro | 304 Euro |
Kinder (0 bis 5 Jahre) |
161 Euro |
117 Euro | 278 Euro |
2.2 Bildungs- und Teilhabepaket 2023
Die Pauschale für den Schulbedarf von Kindern beträgt insgesamt 174 Euro im Kalenderjahr 2023 und zwar 116 Euro für das erste Schulhalbjahr und 58 Euro für das zweite Schulhalbjahr.
Der persönliche Schulbedarf wird jährlich mit dem gleichen Prozentwert wie der Regelbedarf erhöht.
www.arbeitsagentur.de/familie-und-kinder/informationen-zum-bildungspaket
2.3 Medizinische Regelbehandlung bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
Alle Leistungsberechtigten haben Anspruch auf Krankenbehandlung wegen "akuter Erkrankungen und Schmerzzustände" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG).
Bei chronischer Erkrankung besteht bei nicht nur kurzzeitigem Aufenthalt in der BRD Anspruch auf eine Behandlung nur, wenn und soweit diese zur Sicherung der Gesundheit "unerlässlich" ist (§ 6 AsylbLG) und den Kostenrahmen des SGB V nicht überschreitet.
Beispiele: Hörgeräte und Brillen, wenn ohne sie Kommunikation und/oder örtliche Orientierung erheblich beeinträchtigt ist: Durchführung einer Cochlea-Implantation bei beidseitiger Gehörlosigkeit2; Antivirale Hepatitis C-Therapie einer chronischen Hepatitis3.
Werdende Mütter und Wöchnerinnen haben einen umfassenden Anspruch auf ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung (§ 4 Absatz 2 AsylbLG).
Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist, wenn beispielsweise Folgeschäden eintreten können (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG). Deshalb besteht bei erheblicher Zahnlosigkeit Anspruch auf ein einfaches Gebiss. Die normale zahnärztliche Behandlung bei Karies, Wurzelentzündung, Zahnfleischentzündung ist uneingeschränkt zu gewähren, weil sie zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist..
Schutzimpfungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen werden erbracht (§ 4 Absatz 1 Satz 2 AsylbLG). Dieser Anspruch steht auch Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung zu.
Fragen und Antworten zur medizinischen Hilfe, zum Corona-Test sowie zu Impfungen und Impfnachweisen beantwortet das Bundesgesundheitsministerium auch auf Ukrainisch.
www.bundesgesundheitsministerium.de/faq-medizinische-hilfe-ukraine.html
Auf Heil- und Hilfsmittel besteht Anspruch entsprechend den Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung.
Beispiele: Brillen, Hörgeräte, Rollstühle, orthopädische Schuhe, Physiotherapie, digitale Hilfsmittel usw.
Zu Zuzahlungen und Eigenleistungen sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet. Das gilt sowohl für Medikamente und Hilfsmittel, aber auch für Krankenhausaufenthalte und Krankentransporte.
2.4 Sonstige Leistungen
Reichen im Einzelfall die Leistungen nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 2 AsylbLG nicht aus und sind weitere Leistungen "zur Sicherung [...] der Gesundheit unerlässlich" oder "zur Deckung der besonderen Bedürfnisse von Kindern geboten", kann die zuständige Behörde "sonstige" Leistungen gewähren (§ 6 Absatz 1 AsylbLG).
Beispiele für sonstige Leistungen: Kosten für Pass, Dolmetscher, Fahrten, Integrationshelfer, Eingliederungsleistungen, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, Mehrbedarfe für Schwangere und Alleinerziehende.
2.5 Medizinische und sonstige Hilfe für besonders schutzwürdige Menschen
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und besondere Bedürfnisse haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe ohne Einschränkungen gewährt (§ 6 Abs. 2 AsylbLG).
Art 21 der EU-Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU), die der Bundesgesetzgeber zu beachten hat, verlangt die Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen. Dazu gehören insbesondere: "Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien".
Das Bundesgesundheitsministerium stellt dazu fest: Personen, die wie in der aktuellen Situation vor Krieg in ihrem Heimatland fliehen und besondere Bedürfnisse haben, erhalten eine über den üblichen Umfang des AsylbLG hinausgehende Versorgung. Ihnen wird nach § 6 Abs. 2 AsylbLG die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt. Deshalb ist auch eine Psychotherapie bzw. eine Versorgung von Personen, die Leistungen der Eingliederungshilfe oder Pflegeleistungen benötigen, über das AsylbLG möglich.
www.bundesgesundheitsministerium.de/faq-medizinische-hilfe-ukraine.html
2.6 Behandlungsschein und Gesundheitskarte (G-Karte)
Flüchtlinge müssen bei den Sozialämtern einen Behandlungsschein beantragen, wenn sie eine "zur Sicherung der Gesundheit unerlässliche medizinische Behandlung” benötigen.
In NRW können Flüchtlinge in zahlreichen Kommunen ohne vorherigen Antrag beim Sozialamt bei Bedarf einen Arzt aufsuchen. Sie erhalten die Gesundheitskarte (G-Karte) in folgenden Kommunen:
Alsdorf, Bocholt, Bochum, Bonn, Bornheim, Dülmen, Düsseldorf, Gevelsberg, Gladbeck, Hennef, Herdecke, Köln, Krefeld (ab 01.10.2022), Mönchengladbach, Monheim, Mülheim an der Ruhr, Münster, Neukirchen-Vluyn, Recklinghausen, Remscheid, St. Augustin, Troisdorf, Wetter.
Die G-Karte lässt weitgehend Leistungen zu, die denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.
www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/leistungsumfang_anlage1_online.pdf
1 http://gesundheit-gefluechtete.info
2 Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.08.2019 - L 9 AY 13/19 B ER.
3 Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 11.07.2018 - L 4 AY 9/18 B ER, Rn 32.
Der Beitrag wurde im Mai 2022 in den Abschnitten 2.1 bis 2.6 geändert und weicht daher von der gedruckten Fassung in der Ausgabe 2/2020 (April 2020) des Recht-Informationsdienstes ab. Im Januar 2023 wurde darüber hinaus die Abschnitte 2.1 und 2.2 angepasst.