Kündigung: Schlafen während der Arbeitszeit
Eine Kündigung ist allerdings nicht gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer ein Verschulden nicht vorgeworfen werden kann oder wenn das Fehlverhalten nicht so schwerwiegend ist, dass es eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigt.
Fall 1: Schlaf nach gerade überstandener Krankheit
Das Landesarbeitsgericht Hessen hat die fristlose Kündigung einer Pflegehelferin für unwirksam erklärt, die nach gerade überstandener Lungenentzündung in der ersten Nachtschicht um 0:30 und um 1:45 Uhr schlafend im Aufenthaltsraum angetroffen wurde. Das Notrufsignal eines Patienten hätte sie dort hören können.1
Fall 2: Schlaf infolge krankheitsbedingter Übermüdung
Das Arbeitsgericht Köln hat eine Kündigung für unwirksam erklärt, die einer Arbeitnehmerin erklärt worden war, die schon bei Dienstbeginn gesagt hatte, dass sie krankheitsbedingt übermüdet sei. Sie hatte sich mit Zustimmung der Vorgesetzten in einem Ruheraum für einige Zeit ausruhen sollen, war dann aber eingeschlafen und hatte die ganze Schicht durchgeschlafen, weil sie nicht geweckt worden war.2
Fall 3: Vorsätzliches Einschlafen während der
Arbeitszeit in Verbindung mit weiteren
Pflichtverletzungen3
Die Klägerin, 58 Jahre alt, war als Altenpflegehelferin seit 16 Jahren bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt. Sie wurde ausschließlich als Nachtwache in einem Seniorenheim in der Zeit von 20 bis 6 Uhr eingesetzt.
Nachdem eine Bewohnerin gemeldet hatte, dass die Klägerin ihr Bett in der Nacht vom 20. auf den 21.04.2014 so weit von der Wand weggestellt habe, dass sie die Notklingel nicht habe erreichen können, unternahm die Pflegedienstleiterin in der nächsten Nacht einen Kontrollgang. Dabei stellte sie fest, dass die Betten von zwei Bewohnerinnen so platziert waren, dass diese die Notklingel nicht erreichen konnten. Sie stellte außerdem fest, dass die Altenpflegerin in einem Fernsehsessel schlief, den sie zu diesem Zweck in einen Aufenthaltsraum gebracht hatte. Außerdem hatte die Mitarbeiterin die Bewohnerinnen nicht ordnungsgemäß mit Wasser versorgt und Pflegeleistungen dokumentiert, die sie nicht ausgeführt hatte.
Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin der Altenpflegerin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Das Landesarbeitsgericht hat entschieden:
- Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine Altenpflegehelferin ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erheblich verletzt, indem sie sich während des Nachtdienstes vorsätzlich schlafen legt, nachdem sie es Bewohnern unmöglich gemacht hat, sie im Notfall zu erreichen.
- Auch die Fälschung der Pflegedokumentation durch Eintragung nicht erbrachter Leistungen (Anreichen von Flüssigkeit, Lagerungswechsel) für die Nacht im Voraus stellt eine schwere vorsätzliche Pflichtverletzung dar.
- Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn es sich um so schwere mehrfache vorsätzliche Pflichtverletzungen handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.4
- Vorsätzliche schwerwiegende Pflichtverletzungen können einen irreparablen Vertrauensverlust bewirken, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, weil dem Arbeitsgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Anmerkung: Ob das Schlafen eines Mitarbeiters während der Arbeitszeit eine Kündigung rechtfertigt, hängt u. a. davon ab, ob es sich um ein ungewolltes oder ein gewolltes Einschlafen handelt und ob und ggfs. inwieweit dem Arbeitsnehmer deshalb ein Vorwurf gemacht werden kann.
So ist ungewolltes Einschlafen, das auf übermäßigen Alkoholgenuss oder auf eine andere bewusste Minderung der Leistungsfähigkeit vor Dienstantritt zurückzuführen ist, anders zu bewerten als ungewolltes Einschlafen einer Arbeitnehmerin und Mutter, die vorher eine schlaflose Nacht mit einem kranken Kind verbracht hatte.
Außerdem ist von Bedeutung, ob und inwieweit der Arbeitnehmer während des Schlafs Aufgaben nicht wahrgenommen und dadurch Patienten/Bewohner vernachlässigt oder sogar geschädigt hat. Die bewusste Verletzung wichtiger Arbeits- und Aufsichtspflichten wird in der Regel eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
1 LAG Hessen, Urteil vom 05.06.2012 - 12 Sa 652/11, www.lareda.hessenrecht.hessen.de
2 Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.11.2014 - 7 Ca 2114/14, www.justiz.nrw.de
3 LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.04.2015 - 5 Sa 637/14, www.mjv.rlp.de
4 BAG, Urteil vom 25.10.2012 - 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319, Rn. 15 f.