Krankenversicherung: Übernahme der Fahrkosten durch die Krankenkasse
Menschen mit durchschnittlichen Einkommen werden besonders stark belastet, wenn der Behandlungsort weiter entfernt ist und sie ständig ein Taxi benutzen müssen, um ihn zu erreichen.
Fahrkosten des Versicherten werden nur dann von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, wenn diese im Zusammenhang mit einer anderen Kassenleistung erforderlich werden. Rechtsgrundlage für die Übernahmen ist § 60 SGB V. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat rechtsverbindliche Regelungen in der Krankentransport-Richtlinie zusammengefasst.1
Die gesetzliche Regelung gilt nicht für den Transport von Eigenblut oder Körperbestandteilen zu einer medizinisch notwendigen Behandlung.2
1. Fahrkosten zur stationären und teilstationären
Behandlung
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Fahrkosten, wenn diese im Zusammenhang mit einer vollstationären oder teilstationären Leistung erforderlich werden.
Stationäre Behandlungen sind die
- stationäre Krankenhausbehandlung,
- die stationären medizinischen Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V),
- die stationären medizinischen Vorsorgen für Mütter und Väter (§ 24 SGB V),
- die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V
- die stationäre Hospizversorgung nach § 39a SGB V (nur Kosten, die bei der Aufnahme und evtl. Entlassung entstehen).
Eine teilstationäre Krankenhausbehandlung ist eine besondere Form der stationären Behandlung. Daher werden auch die Fahrkosten zu einer teilstationären Behandlung übernommen.
2. Fahrkosten zur ambulanten Behandlung
Die Erstattung von Fahrkosten zur ambulanten Behandlung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch haben bestimmte Versicherte einen gesetzlichen Anspruch auf Erstattung. In anderen Fällen besteht ein Erstattungsanspruch nur, wenn der Vertragsarzt die Fahrt verordnet und die Krankenkasse sie vorher genehmigt hat.
Im Rahmen einer Dauerbehandlung können alle im Rahmen einer konkreten Behandlungsmaßnahme notwendigen Fahrten genehmigt werden.3
2.1 Übernahme der Fahrkosten ohne vorherige Zustimmung der Krankenkasse
Versicherte haben nicht selten unrichtige Vorstellungen von der Leistungspflicht der Krankenkasse. Sie müssen evtl. erhebliche Kosten tragen, wenn sie Fahrten veranlassen bzw. unternehmen, für die eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht besteht.
Beispiel: Ein Bezieher von Sozialhilfe fordert einen Rettungswagen für seine Frau an, die sich einen Daumen gequetscht hat. Den verblüfften Rettungssanitätern erklärt er, er habe kein Geld für ein Taxi gehabt.
2.1.1 Dauerhaft in ihrer Mobilität beeinträchtigte Versicherte
Der Versicherte hat bei vorheriger Verordnung durch den Vertragsarzt Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten ohne vorherige Zustimmung der Krankenkasse, wenn er dauerhaft in seiner Mobilität beeinträchtigt ist und
- einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "Bl" (Blindheit) oder "H" (Hilflosigkeit) besitzt,
- in den Pflegegrad 3 eingestuft und zusätzlich dauerhaft in seiner Mobilität beeinträchtigt ist,
- in den Pflegegrad 4 oder 5 eingestuft ist,
- in der Zeit bis 31.12.2016 in die Pflegestufe II eingestuft war und ab dem 01.01.2017 mindestens in den Pflegegrad 3 überführt wurde,
- vergleichbar in seiner Mobilität eingeschränkt ist, wenn die Behandlung über einen längeren Zeitraum - mindestens sechs Monate - andauert.
2.1.2 Nicht dauerhaft in ihrer Mobilität beeinträchtigte Versicherte
Außerdem kommt eine Übernahme der Fahrkosten durch die Krankenkasse in Betracht für Versicherte, die nicht dauerhaft in ihrer Mobilität beeinträchtigt sind. Vertragsärzte/Vertragszahnärzte müssen bei der Verordnung von Fahrkosten einerseits die zwingende medizinische Notwendigkeit angesichts des Gesundheitszustandes sowie der Gehfähigkeit des Versicherten und anderseits das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. Eine zwingende medizinische Notwendigkeit setzt voraus (§ 8 Abs. 2 der Krankentransport-Richtlinie), dass
- eine Grunderkrankung mit einem festen Therapieschema vorliegt.
- eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Therapiekonzept eine mindestens zwei Mal wöchentliche Behandlung vorsieht und die Behandlung sich über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstreckt.
Beispiel: Der Versicherte hat nach einer Nierentransplantation keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten für bis zu 18 Fahrten jährlich zu ganztägigen Kontrolluntersuchungen in einem Transplantationszentrum.4 - die Behandlung bzw. der Krankheitsverlauf den Patienten so stark beeinträchtigt, dass zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben eine Beförderung unerlässlich ist.
Für Fahrten zur ambulanten Dialyse, zur onkologischen Strahlentherapie oder onkologischen Chemotherapie wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen ausdrücklich anerkannt. Aber auch zu weiteren Behandlungen kann eine Kostenübernahme erfolgen, sofern es sich um vergleichbare Fälle handelt.
Liegt ein solcher zwingender medizinischer Grund nicht vor, z. B. Fahrten zum Abstimmen von Terminen, Erfragen von Befunden, Abholen von Verordnungen, ist die Verordnung unzulässig (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Krankentransport-Richtlinie).
2.1.3 Nicht planbare Behandlungen
Bei nicht planbaren Behandlungen (beispielsweise bei Notfällen) müssen die Krankenkassen auf die vorherige Genehmigung verzichten, wenn dies nur aus rein formellen Gründen erfolgen würde und mit weiteren Fahrten nicht zu rechnen ist. Im Verordnungsvordruck ist von den Ärzten bei nicht planbaren Fahrten daher der Satz "Keine Genehmigungsmöglichkeit gemäß KPRiLi" einzutragen.
3. Gesetzliche Zuzahlung
Der Versicherte hat für jede Fahrt eine Zuzahlung in Höhe von 10 v. H., aber mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro zu leisten, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Kosten der Fahrt.
Die Zuzahlung ist durch die Einbeziehung in die sogenannte Überforderungsklausel sozial abgefedert. Die Belastung des Versicherten mit Zuzahlungen ist insgesamt auf 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt beschränkt. Vom Bruttoeinkommen werden Freibeträge für Ehegatten sowie für Kinder abgezogen, sodass die Lasten für Familien gemindert werden.
Bei chronisch Kranken ist diese Belastungsgrenze auf einen Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt reduziert.
Die chronische Erkrankung wird durch Bescheinigung des Arztes nachgewiesen (Formular ist bei der Krankenkasse erhältlich). Mit der Bescheinigung ist auch nachzuweisen, dass der Erkrankte sich "therapiegerecht" verhalten hat (§ 62 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Für Empfänger von Sozialhilfe, ergänzender Hilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) oder Pflegewohngeld nach einem Landesgesetz bemessen sich die Zuzahlungen für den gesamten Familienverband bzw. den Heimbewohner maximal nach dem Regelsatz der Bedarfsstufe 1 (2019: monatlich 424 Euro = jährlich 5.088 Euro). Die Belastungsgrenze liegt somit bei 50,88 Euro jährlich.
4. Höhe der Erstattung
Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten nur bis zur nächstgelegenen Behandlungsstätte (Arzt, Krankenhaus etc.) und nur für das Beförderungsmittel, das zwingend medizinisch erforderlich ist und auch nur für die durch Bestätigung des Arztes oder Krankenhauses nachgewiesenen Behandlungstermine.
4.1 Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Der Versicherte hat Fahrkarten oder Fahrscheine im Original vorzulegen. Fahrpreisermäßigungen (z. B. Rückfahrkarten, Wochen- oder Monatskarten) hat er zu nutzen.
Bei Anspruch auf unentgeltliche Beförderung nach dem SGB IX entfällt die Erstattung der Fahrkosten.
4.2 Benutzung eines privaten PKW
Erstattet werden die Fahrkosten für den kürzesten Weg vom Wohnort zur nächstgelegenen Behandlungsstätte und zurück mit 0,20 Euro pro Kilometer.
Ist die medizinische Notwendigkeit für die Benutzung des PKW ärztlich nicht bescheinigt, wird die Erstattung auf die Kosten öffentlicher Verkehrsmittel begrenzt.
4.3 Benutzung eines Taxi/Mietwagen
Die Krankenfahrt mit einem Mietwagen oder einem Taxi ist zulässig bei Fahrten zu Leistungen, die stationär erbracht werden und bei Fahrten zu einer vor- bzw. nachstationären Behandlung oder einer ambulanten Operation, wenn dadurch eine aus medizinischen Gründen an sich gebotene vollstationäre bzw. teilstationäre Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden werden kann.
Die Abrechnung erfolgt durch den Taxi- oder Mietwagenunternehmer, wenn dieser Vertragspartner der Krankenkasse ist.
Ist das Taxi- oder Mietwagenunternehmen kein Vertragspartner, sind einzureichen
- die ärztliche Verordnung einer Krankenbeförderung für jede Fahrt und
- die Quittung des Taxi-/Mietwagenunternehmens. Sie muss auf den Namen des Versicherten ausgestellt sein und Angaben zum Ausgangs- und Zielort enthalten.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 27.11.2018 - L 1 KR 110/17
1 www.g-ba.de/downloads/62-492-1495/KT-RL_2017-09-21_iK-2017-12-23.pdf
2 Landessozialgericht NRW, Urteil vom 22. November 2012, L 5 KR 715/11;
Landessozialgericht Hessen, 08.11.2018 - L 1 KR 240/18.
3 Landessozialgericht Hessen, 16.02.2012 - L 8 KR 243/11, Rn 56.
4 Bundessozialgericht, Urteil vom 13.12.2016, B 1 KR 2/16 R;
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.12.2015 - L 6 KR 31/13.