Kirchliches Arbeitsrecht: Grundordnung des kirchlichen Dienstes 2022 (Auszüge)
Die Kirche hat keine eigene Gestaltungsformen entwickelt, sondern begründet und regelt Arbeitsverhältnisse nach staatlichem Recht. In der Grundordnung sind die kirchenspezifischen Grundlagen der Arbeit im kirchlichen Dienst enthalten. Im Grundgesetz ist der Kirche das Recht eingeräumt, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen. Der Europäische Gerichtshof und das Bundesarbeitsgericht haben entschieden, dass berufliche Anforderungen an Mitarbeitende zulässig sein können, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.1
Der volle Wortlaut der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes” und der "Bischöflichen Erläuterungen zum kirchlichen Dienst” vom 22.11.2022 ist abrufbar:
Art. 2: Eigenart des kirchlichen Dienstes
Alle im kirchlichen Dienst Tätigen, gleich ob sie haupt- oder ehrenamtlich, ob sie leitend oder ausführend beschäftigt sind, ob es sich um Christinnen und Christen, andersgläubige oder religiös ungebundene Mitarbeitende handelt, arbeiten gemeinsam daran, dass die kirchlichen Einrichtungen ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen können.
Art. 3: Ausprägungen katholischer Identität und
Verantwortung für den Erhalt und die Stärkung
des kirchlichen Profils
Allen Menschen muss der gleiche Achtungsanspruch zukommen, in allen Momenten ihres Daseins und ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer beruflichen Funktion und ihrer Verdienste. Neben der Anerkennung der gleichen Würde aller Menschen hat sich der kirchliche Dienst auch und insbesondere durch eine Kultur der gegenseitigen Achtung, des Respekts und der Wertschätzung auszuzeichnen.
Für alle, die in den karitativen Organisationen der Kirche tätig sind, muss es kennzeichnend sein, dass sie nicht bloß auf gekonnte Weise das jetzt Anstehende tun, sondern sich dem andern mit dem Herzen zuwenden, so dass dieser ihre menschliche Güte zu spüren bekommt.
Jeder Mensch ist als Person einmalig und besitzt eine ihm von Gott gegebene unverfügbare Würde ungeachtet seiner Herkunft, seiner Religion, seines Alters, seiner Behinderung, seines Geschlechts, seiner Leistungsfähigkeit oder seiner körperlichen oder geistigen Verfassung. Der Schutz des Lebens, des vorgeburtlichen ebenso wie des geborenen und des endenden, bildet eine tragende Säule des christlichen Ethos. Aus dem Zeugnis für das Leben ergibt sich, dass die Kirche in allen ihren Einrichtungen gegen Abtreibung und für das Leben eintritt. Handlungen aktiver Sterbehilfe sind mit dieser Überzeugung unvereinbar und haben in kirchlichen Einrichtungen daher keinen Raum.
Kirchlicher Dienst in einer pluralistischen Welt darf nicht auf den Dienst von Katholiken für Katholiken reduziert werden. Alle Mitarbeitenden können und sollen unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein. Träger und Führungskräfte haben den Auftrag, gemeinsam mit den Mitarbeitenden die für die jeweiligen Handlungsfelder wesentlichen Ziele und Werte, anhand derer Arbeit in der Einrichtung gestaltet werden kann, zu konkretisieren.
Art. 4: Handlungsaufträge und Ziele des kirchlichen
Dienstgebers
Der Dienstgeber ist in erster Linie dafür verantwortlich, dass die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass die Mitarbeitenden ihren Auftrag in der Einrichtung glaubwürdig ausüben können. Gewinnmaximierung spielt bei der Verfolgung dieses Auftrags keine Rolle.
Frauen gestalten Kirche. Die deutschen Bischöfe bekennen sich ausdrücklich dazu, "an den verschiedenen Leitungsdiensten in der Kirche möglichst viele Frauen und Männer gerecht [zu] beteiligen".
Die Sorge für andere ist Ausdruck der christlichen Nächstenliebe. Dabei birgt diese Sorge gleichzeitig häufig große praktische Herausforderungen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Kinderbetreuung oder etwa die Pflege von Angehörigen. Der Dienstgeber muss versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um den persönlichen Anforderungen des jeweiligen Lebensabschnitts möglichst Rechnung zu tragen.
Von zentraler Bedeutung ist die Verpflichtung des Dienstgebers, sich in besonderer Weise für den Schutz der Würde und Integrität aller Personen in der Einrichtung einzusetzen, insbesondere von Minderjährigen und Schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen. Sexualisierte Gewalt ist aufs Schärfste zu verurteilen und kann unter keinen Umständen geduldet werden.
Arbeit bildet eine fundamentale Dimension im Leben des Menschen. Arbeit dient auch der Verwirklichung der Person. Führungskräften im kirchlichen Dienst kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Sie sind gehalten, die christlichen Maßstäbe und Grundsätze zu beachten und ihren Mitarbeitenden den notwendigen Raum und Rückhalt zur Entfaltung zu gewähren. Eine durch die Werte des christlichen Glaubens geprägte Führung weiß sich einer Kultur des Dienens verpflichtet. Führungskräfte in der Kirche stellen sich den Zeichen der Zeit und verstehen die Einheit, der sie vorstehen, als lernende Organisation, die der ständigen Erneuerung und Weiterentwicklung bedarf. Zentral sind eine gegenseitige Wertschätzung, Respekt, verbindliche Absprachen, Motivation sowie die Förderung von Innovation und Entwicklung. Eine angemessene und transparente Kommunikation über Hierarchie- und Berufsgrenzen hinweg ist Grundbedingung einer vertrauensvollen und wertschätzenden Zusammenarbeit. Konstruktive Kritik ist ausdrücklich willkommen.
Jeder Mensch hat eine unveräußerliche Würde, die von Gott gegeben und schützenswert ist. Das Recht auf Arbeit ist ein Menschenrecht. Menschen mit Schwerbehinderung und sogenannte Gleichgestellte genießen im Arbeitsrecht einen besonderen Schutz. Dabei sind die Verschiedenheiten der Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Einschränkungen zu berücksichtigen. Kirchliche Dienstgeber setzen sich dafür ein, eine behindertengerechte und barrierefreie Teilhabe von Mitarbeitenden zu fördern.
Die ethischen Anforderungen und Maßstäbe, die die Soziallehre der Kirche gegenüber dem Wirtschaftsleben formuliert und öffentlich vertritt, muss sie auch an sich selbst und an das eigene wirtschaftliche Handeln anlegen.
Art. 6: Anforderungen bei der Begründung des
Dienstverhältnisses
(1) Der Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass Bewerberinnen und Bewerber fachlich befähigt und persönlich geeignet sind, um die vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Im Bewerbungsverfahren sind die Bewerberinnen und Bewerber mit den christlichen Zielen und Werten der Einrichtung vertraut zu machen, damit sie ihr Handeln am katholischen Selbstverständnis ausrichten und den übertragenen Aufgaben gerecht werden können. Mit der Vertragsunterzeichnung bringen die Bewerberinnen und Bewerber zum Ausdruck, dass sie die Ziele und Werte der kirchlichen Einrichtung anerkennen.
(2) Von allen Mitarbeitenden wird im Rahmen ihrer Tätigkeit die Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Einrichtung erwartet.
(3) Pastorale und katechetische Tätigkeiten können nur Personen übertragen werden, die der katholischen Kirche angehören.
(4) Personen, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren, kommt eine besondere Verantwortung für die katholische Identität der Einrichtung zu. Sie müssen daher katholisch sein.
(5) Wer sich kirchenfeindlich betätigt, wird nicht eingestellt. Das gilt auch für Personen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind.
Art. 7: Anforderungen im bestehenden Dienstverhältnis
(1) Dienstgeber und Mitarbeitende übernehmen gemeinsam Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung des Sendungsauftrags in der Einrichtung.
(2) Die Anforderungen erstrecken sich in erster Linie auf das Verhalten im Dienst. Außerdienstliches Verhalten ist rechtlich nur bedeutsam, wenn es öffentlich wahrnehmbar ist, grundlegende Werte der katholischen Kirche verletzt und dadurch deren Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wird. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen.
(3) Kirchenfeindliche Betätigungen, die nach den konkreten Umständen objektiv geeignet sind, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen, können rechtlich geahndet werden. Kirchenfeindliche Betätigungen erfassen Handlungen, die öffentlich wahrnehmbar sind und sich gegen die Kirche oder deren Werteordnung richten. Hierzu zählen insbesondere
- das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung der Abtreibung oder von Fremdenhass),
- die Herabwürdigung von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen,
- die Propagierung von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, die im Widerspruch zu katholischen Glaubensinhalten stehen, während der Arbeitszeit oder im dienstlichen Zusammenhang, auch die Werbung für andere Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften.
(4) Bei katholischen Mitarbeitenden führt der Austritt aus der katholischen Kirche in der Regel zu einer Beendigung des der Beschäftigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. Von einer Beendigung kann in diesen Fällen ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.
(5) Erfüllen Mitarbeitende die Anforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber zunächst durch Beratung und Aufklärung darauf hinwirken, dass sie den Anforderungen wieder genügen. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch, eine Abmahnung oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Verstoß gegen die Anforderungen zu begegnen. Wenn alle milderen, weniger belastenden Mittel ausgeschöpft sind, kommt als äußerste, allerletzte Maßnahme ("ultima ratio") eine Beendigung des der Beschäftigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses in Betracht.
1 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.09.2018 - C-68/17, Rn 61.