Kinder- und Jugendstärkungsgesetz 2021: Regelungen von besonderer Bedeutung für freie Träger
Beratung
Nicht nur in Notsituationen können sich Kinder und Jugendliche an eine Beratungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch und unter Wahrung des Datenschutzes Hilfe erhalten (§§ 8, 10a).
In den Ländern soll eine bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen entstehen. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien werden erweitert (§ 9a).
Kontrolle der Heime
Heime und ähnliche Einrichtungen werden künftig einer engeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt.
Führungszeugnis für Mitarbeiter
Die Verarbeitung von Daten über Straftaten bleibt auf Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs beschränkt (§ 72a).
Stärkerer Schutz von Kindern in Pflegefamilien
Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft dort, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist (§§ 1632, 1696 BGB).
Weitere Änderungen des SGB VIII
- § 7 Abs. 2 und § 10: In die Kinder- und Jugendhilfe sollen Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und alle jungen Menschen mit Behinderungen einbezogen werden. Diese inklusive Ausweitung soll durch Bundesgesetz im Einzelnen geregelt werden und ab 1. Januar 2028 gelten. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe haben dann Vorrang vor den Leistungen nach dem SGB XII
- § 8: Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. Die Beratung kann auch durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbracht werden.
- § 8a: In die Einschätzung der Gefährdung eines Kindes hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen nur einzubeziehen, soweit der wirksame Schutz des Kindes/Jugendlichen dadurch nicht in Frage gestellt wird. Sofern es nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, hat es
1. sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen sowie
2. Personen, z. B. Ärzte, Psychologen, Berater, Sozialarbeiter, Lehrer, die dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie zum Schutz des Kindeswohls erforderlich ist (§ 4 Absatz1 und 5 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz; § 71 Abs. 1 Satz 5 SGB X). - § 10a: Zur Wahrnehmung ihrer Rechte nach diesem Buch werden junge Menschen, Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigte, die leistungsberechtigt sind oder Leistungen nach § 2 Absatz 2 erhalten sollen, in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form, auf ihren Wunsch auch im Beisein einer Person ihres Vertrauens, beraten. Soweit erforderlich, gehört zur Beratung auch Hilfe bei der Antragstellung, bei der Klärung weiterer zuständiger Leistungsträger, bei der Inanspruchnahme von Leistungen sowie bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten.
- § 13a: Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.
- § 35a: Werden bei der Durchführung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen.
- § 36b: Bei einem Zuständigkeitsübergang vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf einen Träger der Eingliederungshilfe werden die Voraussetzungen für die Sicherstellung einer nahtlosen und bedarfsgerechten Leistungsgewährung nach dem Zuständigkeitsübergang rechtzeitig im Rahmen eines Teilhabeplanverfahrens nach § 19 des Neunten Buches geklärt. Die Teilhabeplanung ist frühzeitig, in der Regel ein Jahr vor dem voraussichtlichen Zuständigkeitswechsel, vom Träger der Jugendhilfe einzuleiten. Mit Zustimmung des Leistungsberechtigten oder seines Personensorgeberechtigten ist eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 des Neunten Buches durchzuführen.
- § 37: Bei den erzieherischen Hilfen nach den §§ 32 bis 34 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Zusammenarbeit der Pflegeperson oder der in der Einrichtung für die Erziehung verantwortlichen Person und der Eltern zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch geeignete Maßnahmen fördern. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt dies durch eine abgestimmte Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 1 und § 37a sicher.
- § 38: Auslandsmaßnahmen sind nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe soll nach den Erfordernissen im Einzelfall an Ort und Stelle überprüfen, ob die Anforderungen weiter erfüllt sind.
- § 45: Die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung ist u. a. nur dann zu erteilen, wenn zur Sicherung der Rechte und des Wohls von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines Konzepts zum Schutz vor Gewalt, geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleistet werden.
Die nach Satz 2 Nummer 1 erforderliche Zuverlässigkeit besitzt ein Träger insbesondere dann nicht, wenn er
1. in der Vergangenheit nachhaltig gegen seine Mitwirkungs- und Meldepflichten nach den §§ 46 und 47 verstoßen hat,
2. Personen entgegen eines behördlichen Beschäftigungsverbotes nach § 48 beschäftigt oder
3. wiederholt gegen behördliche Auflagen verstoßen hat. - § 46: Die Überprüfung der Einrichtung durch die zuständige Behörde soll nach den Erfordernissen des Einzelfalls erfolgen. Häufigkeit, Art und Umfang der Prüfung müssen nach fachlicher Einschätzung im Einzelfall zur Gewährleistung des Schutzes des Wohls der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Sie soll das Jugendamt und einen zentralen Träger der freien Jugendhilfe, wenn diesem der Träger der Einrichtung angehört, an der Überprüfung beteiligen. Der Träger der Einrichtung hat der zuständigen Behörde insbesondere alle für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Örtliche Prüfungen können jederzeit unangemeldet erfolgen. Der Träger der Einrichtung soll bei der örtlichen Prüfung mitwirken.
Die von der zuständigen Behörde mit der Überprüfung der Einrichtung beauftragten Personen sind berechtigt, während der Tageszeit
1. die für die Einrichtung benutzten Grundstücke und Räume, soweit diese nicht einem Hausrecht der Bewohner unterliegen, zu betreten und dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen sowie
2. mit den Beschäftigten und mit den Kindern und Jugendlichen jeweils Gespräche zu führen, wenn die zuständige Behörde
a) das Einverständnis der Personensorgeberechtigten zu den Gesprächen eingeholt hat und diesen eine Beteiligung an den Gesprächen ermöglicht sowie
b) den Kindern und Jugendlichen die Hinzuziehung einer von ihnen benannten Vertrauensperson zu Gesprächen ermöglicht und sie auf dieses Recht hingewiesen hat; der Anspruch des Kindes oder Jugendlichen auf Beratung ohne Kenntnis der Eltern bleibt unberührt. - § 71 Abs. 5: Dem Landesjugendhilfeausschuss gehören mit zwei Fünfteln des Anteils der Stimmen Frauen und Männer an, die auf Vorschlag der im Bereich des Landesjugendamts wirkenden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe von der obersten Landesjugendbehörde zu berufen sind. Die übrigen Mitglieder werden durch Landesrecht bestimmt. Absatz 3 gilt entsprechend.
- § 72 Abs. 5: Die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe dürfen bei Einsicht in das vom Mitarbeiter vorzulegende erweiterte Führungszeugnis nur folgende Daten erheben und speichern:
1. den Umstand der Einsichtnahme,
2. das Datum des Führungszeugnisses und
3. die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Absatz 1 Satz 1 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
Die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe dürfen die gespeicherten Daten nur verarbeiten, soweit dies erforderlich ist, um die Eignung einer Person für die Tätigkeit, die Anlass zu der Einsichtnahme in das Führungszeugnis gewesen ist, zu prüfen. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit nach Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 wahrgenommen wird. Andernfalls sind die Daten spätestens sechs Monate nach Beendigung einer solchen Tätigkeit zu löschen. - § 94 Abs. 6: Kinder und Jugendliche in Heimen bzw. Pflegefamilien haben statt bisher 75 Prozent nur noch 25 Prozent ihres Nettoeinkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Maßgeblich ist das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder die Maßnahme erbracht wird. Folgendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit innerhalb eines Monats bleibt für den Kostenbeitrag unberücksichtigt:
1. Einkommen aus Schülerjobs oder Praktika mit einer Vergütung bis zur Höhe von 150 Euro monatlich,
2. Einkommen aus Ferienjobs,
3. Einkommen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder
4. 150 Euro monatlich als Teil einer Ausbildungsvergütung.
Bundesrat-Drucksache 5/21 (Begründung des Gesetzentwurfs)