Kinder- und Jugendhilfe: Verfahrenslotsen (§ 10b SGB VIII)
Der Verfahrenslotse hat zwei sehr unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen:
- Er soll junge Menschen, die wegen einer (drohenden) Behinderung einen (möglichen) Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, und deren Familien bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung dieser Leistungen unterstützen und begleiten sowie bei der Verwirklichung von Ansprüchen auf Leistungen der Eingliederungshilfe unabhängig unterstützen sowie auf die Inanspruchnahme von Rechten hinwirken. Im Konfliktfall hat er die Interessen des jungen Menschen auch gegen die Interessen des Jugendamtes oder des Eingliederungshilfeträgers zu vertreten (§ 10b Abs. 1 SGB VIII).
- Er soll den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen in dessen Zuständigkeit unterstützen. Hierzu berichtet er gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe halbjährlich insbesondere über Erfahrungen der strukturellen Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit anderen Rehabilitationsträgern (§ 10b Abs. 1 SGB VIII).
Die Jugendämter haben zu gewährleisten, dass die Verfahrenslotsen sich für diese, vielseitige Kompetenzen erfordernde Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und aufgrund ihrer Ausbildung und/oder besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen (§ 72 SGB VIII). Da die Jugendämter bisher für die Eingliederungshilfe nicht zuständig waren und deshalb derzeit nicht über geeignete Mitarbeiter verfügen, werden sie kaum in der Lage sein, diese hohen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. In Kurzzeit-Schulungen werden bisher ausschließlich mit kinder- und jugendhilferechtlichen Fragen befasste Mitarbeiter allenfalls theoretische Teil-Kenntnisse des hochkomplizierten Rechts der Eingliederungshilfe und des dazu gehörenden Sozialverwaltungsrechts erwerben können.
Der Träger des Jugendamtes kann wegen Amtspflichtverletzung haften, wenn einem jungen Menschen infolge unvollständiger oder unrichtiger Beratung und Unterstützung ein Schaden entsteht
(§ 839 BGB/Art. 34 Grundgesetz).
Beratungspflicht der Jugendämter (§ 10a SGB VIII)
Zur Wahrnehmung ihrer Rechte nach diesem Buch werden junge Menschen, Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigte, die leistungsberechtigt sind oder Leistungen erhalten sollen, in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form, auf ihren Wunsch auch im Beisein einer Person ihres Vertrauens, beraten.
Die Beratung umfasst insbesondere
- die Familiensituation oder die persönliche Situation des jungen Menschen, Bedarfe, vorhandene Ressourcen sowie mögliche Hilfen,
- die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe einschließlich des Zugangs zum Leistungssystem,
- die Leistungen anderer Leistungsträger und mögliche Auswirkungen und Folgen einer Hilfe,
- die Verwaltungsabläufe,
- Hinweise auf Leistungsanbieter und andere Hilfemöglichkeiten im Sozialraum und auf Möglichkeiten zur Leistungserbringung,
- Hinweise auf andere Beratungsangebote im Sozialraum.
Soweit erforderlich, gehört zur Beratung auch Hilfe bei der Antragstellung, bei der Klärung weiterer zuständiger Leistungsträger, bei der Inanspruchnahme von Leistungen sowie bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten.