Heimvertrag: Kündigung durch Bewohner oder Heimträger, Streitbeilegung durch Schlichtung
Während der Bewohner jederzeit kurzfristig das Wohn- und Betreuungsverhältnis beenden kann, steht dem Heimträger nur aus eng begrenzen Gründen ein Kündigungsrecht zu.
Kündigung durch den Bewohner (§ 11 WBVG)
Der Bewohner kann den Wohn- und Betreuungsvertrag (Heimvertrag) kündigen:
- schriftlich spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats,
- wegen Erhöhung des Entgelts zum Zeitpunkt der Entgelterhöhung. Da zwischen dem Erhöhungsverlangen und dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entgelterhöhung mindestens vier Wochen liegen müssen, hat der Bewohner vier Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob er den Vertrag mit dem erhöhten Entgelt fortsetzt oder ihn kündigt.
- innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Vertragsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Wird dem Bewohner erst nach Beginn des Vertragsverhältnisses eine Ausfertigung des Vertrags ausgehändigt, kann der Bewohner auch noch bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Aushändigung kündigen.
- fristlos aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, wenn ein Verbleiben in der Einrichtung bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Wird die Kündigung nicht vom Bewohner, sondern von einem Verwandten erklärt, kann sie vom Träger zurückgewiesen werden, wenn nicht gleichzeitig eine Vollmachterklärung beigefügt ist (§ 174 BGB). Ist der Bewohner dement und deshalb nicht geschäftsfähig, kann die Kündigung wirksam nur durch einen Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis erklärt werden (§§ 1901, 1903 BGB).
Sind für die Überlassung des Wohnraums und für die Pflege- oder Betreuungsleistungen jeweils getrennte Verträge mit demselben Träger oder getrennte Verträge mit mehreren Unternehmern geschlossen worden, können die Verträge nur einheitlich zum selben Zeitpunkt gekündigt werden, wenn der Bestand des Vertrags über die Überlassung des Wohnraums vom Bestand des Vertrags über die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen abhängig ist.
Kündigung durch den Heimträger (§ 12 WBVG)
Der Heimträger darf den Heimvertrag nur aus bestimmten, ausdrücklich im Gesetz genannten Gründen unter Einhaltung einer Frist oder - aus wichtigem Grund - fristlos kündigen. Die Kündigung bedarf der Schriftform und ist zu begründen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn
- der Unternehmer den Betrieb einstellt, wesentlich einschränkt oder in seiner Art verändert,
- der Träger eine fachgerechte Pflege- oder Betreuungsleistung nicht erbringen kann,
- der Bewohner seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass dem Unternehmer die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann, oder
- der Bewohner mit der Entrichtung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts in Verzug ist
a) für zwei aufeinanderfolgende Termine, wenn der Rückstand das Entgelt für einen
Monat übersteigt,
b) für einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen, wenn der Rückstand das Entgelt für zwei
Monate erreicht. - dem Träger aus anderen Gründen eine Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann.
Kündigung wegen schuldhaft grober Pflichtverletzung durch den Bewohner
Die fristlose Beendigung des Wohn- und Betreuungsvertrags wegen grober Pflichtverletzung des Bewohners ist für diesen selbst und für seine Angehörigen eine schwerwiegende Belastung.
Kündigung ausnahmsweise auch wegen nicht schuldhaften Verhaltens
In der Aufzählung der wichtigen Gründe nennt die gesetzliche Regelung ausdrücklich nur die "schuldhaft gröbliche" Verletzung der vertraglichen Pflichten als wichtigen Grund. Jedoch ist die Aufzählung nicht abschließend, sondern beschränkt sich auf Fallgruppen, die der Gesetzgeber für besonders erwähnenswert hielt ("insbesondere"). Deshalb ist allgemein anerkannt, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht nur wegen schuldhafter Pflichtverletzung, sondern auch wegen eines nicht schuldhaften Verhaltens fristlos oder unter Einräumung einer kurzen Frist zulässig sein kann. Darum darf ein Träger beispielsweise u. U. auch dann fristlos kündigen, wenn der Bewohner dement ist oder an einer psychischen Erkrankung leidet. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt, weil der Träger, der alte Menschen in seine Einrichtung aufnimmt, sich auf die alterstypischen Begleiterscheinungen von Demenz und anderen Behinderungen einstellen muss. Deshalb ist es ihm in der Regel zumutbar, den Wohn- und Betreuungsvertrag mit sehr schwierigen Bewohnern fortzusetzen und nicht zu kündigen, wenn ein Bewohner beispielsweise Essensreste ausspuckt oder wegwirft oder in der Umgebung eines Heimes bettelt (Landgericht Freiburg, Urteil vom 05.07.2012 - 3 S 48/12, NJW-RR 2013, 503).
Kündigungsgründe
Grobe Pflichtverletzungen können eine fristlose Kündigung in der Regel nur rechtfertigen, wenn der Träger den Betroffenen vorher eindringlich abgemahnt und alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um zukünftig Pflichtverletzungen zu vermeiden.
Beispiele: Vermeiden von konfliktträchtigen Situationen und Kontakten mit konfliktträchtigen Personen, bewohnergerechte Möblierung, Einrichtung von Raucherzonen bei allgemeinem Rauchverbot.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn im konkreten Einzelfall die Interessen des Trägers, der anderen Heimbewohner oder der Besucher in so starkem Maße verletzt sind, dass dem Träger ein weiteres Verbleiben des Bewohners im Heim unzumutbar ist. Der Heimträger ist verpflichtet, das Eigentum, die körperliche Integrität und die Persönlichkeitsrechte der Heimbewohner vor Übergriffen seitens Dritter - Mitbewohner wie andere Personen - zu schützen.
Beispiele: Wiederholte grobe Beleidigungen, Tätlichkeiten oder sexuelle Belästigung anderer Bewohner oder der pflegenden Mitarbeiter z. B. sexuelle Belästigung einer krankheitsbedingt wehrlosen Mitbewohnerin durch einen Heimbewohner (Landgericht Essen, Urteil vom 18.03.2013 - 1 O 181/12).
Erhebliche Sachbeschädigung, Diebstahl, Betrug usw. zum Nachteil des Trägers oder anderer Bewohner.
Beharrlicher Verstoß gegen das in einem Heimvertrag festgelegte Rauchverbot auch bei eingeschränkter Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Heimbewohners (Landgericht Freiburg, Urteil vom 05.07.2012 - 3 S 48/12, NJW-RR 2013, 503).
Wird auf Grund von zwei getrennten Heimverträgen an Eheleute ein Doppelzimmer vermietet, kann die Pflichtverletzung nur eines der Beiden dem jeweils Anderen nicht zugerechnet werden.
Form und Inhalt der Kündigung des Heimträgers
Die Kündigung des Wohn- und Betreuungsvertrags durch den Heimträger bedarf der Schriftform und ist zu begründen.
Die Begründung muss die Pflichtverletzungen des Bewohners und deren Auswirkungen auf den Heimträger, die Mitbewohner oder Besucher konkret beschreiben. Pauschale Bewertungen wie "wiederholte Beleidigungen" oder "ständiges obszönes Verhalten" reichen nicht aus und werden im Streitfall von den Gerichten nicht anerkannt werden.
Rechtsberatung und Streitbeilegung
Eine rechtliche Beratung und Prüfung der Verträge nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz können Bewohner von Alten- und Pflegeinrichtungen durch Sozialberatungsstellen, einen Rechtsanwalt oder die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA), erhalten.
Darüber hinaus besteht seit dem 1. April 2016 nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes bundesweit die Möglichkeit, sich an die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V. mit Sitz in Kehl am Rhein zu wenden.
Eine außergerichtliche Streitschlichtung bietet für Bewohner den Vorteil, über ein leicht zugängliches und für sie unentgeltliches Verfahren zu einer schnellen Konfliktlösung mit Hilfe eines Streitmittlers als neutralem und unabhängigem Dritten zu kommen. Das Recht, bei Rechtsstreitigkeiten die Gerichte anzurufen, bleibt durch den Schlichterspruch unberührt.
Die Teilnahme an einer außergerichtlichen Streitbeilegung ist für den Träger grundsätzlich freiwillig. Der Träger muss aber den Bewohner bei Vertragsabschlüssen ab dem 1. April 2016 im Vertrag darüber in Kenntnis setzen, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Außerdem muss er auf seiner Webseite und/oder in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) deutlich erklären, ob und ggfs. inwieweit er sich freiwillig bereit erklärt hat, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen (§ 36 Absatz 1 Nr. 1 VSBG).
Unabhängig von dieser allgemeinen Informationspflicht hat der Träger den Bewohner im Streitfall in Textform darüber zu unterrichten, an welche Verbraucherschlichtungsstelle er sich wenden kann (§ 37 VSBG). Gleichzeitig müssen sie mitteilen, ob sie zur Teilnahme am Verfahren dieser Stelle bereit oder verpflichtet sind. Die Informationspflicht besteht auch für Träger, die an Streitbeilegungsverfahren nicht teilnehmen möchten (siehe dazu auch den Beitrag "Schlichtung statt Klage - Alternative Streitbeilegung durch Schlichtungsstellen" auf den Seiten 37 bis 40).
Muster
Die Alten- u. Pflegeheim Haus XXX nimmt an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucher-schlichtungsstelle teil/nicht teil. Es handelt sich dabei um die
Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V.
Straßburger Straße 8
77694 Kehl am Rhein