Großeltern: Rechte und Pflichten im Überblick
Überblick
1. Allgemeiner verfassungsrechtlicher Schutz der familiären Bindungen
zwischen Großeltern und Enkelkind
2. Ausstrahlung des Familiengrundrechts auf die gesamte
Rechtsordnung
3. Recht und Pflicht der Großeltern zum familiären Beistand
3.1 Pflicht der Großeltern zur Zahlung von Unterhalt
3.2 Pflicht der Großeltern zur Leistung von Betreuungsunterhalt
3.3 Strafrechtliche Garantenpflicht
4. Recht der Großeltern auf Familienpflege minderjähriger Enkel
5. Vorrang der Großeltern bei der Auswahl des
Vormunds/Ergänzungspflegers
6. Recht der Großeltern auf Umgang mit dem Enkelkind
7. Anspruch der Großeltern auf Elterngeld und Elternzeit
8. Anspruch der Großeltern auf Freistellung zur Pflege, Betreuung
9. Bestattungs- und Kostentragungspflicht der Großeltern
10. Auskunftsverweigerungsrecht der Großeltern gegenüber der Polizei
11. Zeugnisverweigerungsrechte der Großeltern in Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren
Einerseits führt die Erwerbstätigkeit der meisten Frauen und Mütter und die berufsbedingte Mobilität immer wieder dazu, dass Familien in Überlastungs- und Notsituationen auf Hilfe angewiesen sind. Andererseits machen die längere Lebenserwartung und die dadurch verfügbare freie Zeit den Großeltern die Unterstützung der Kinder und Enkel möglich, die meist verantwortlich übernommen und nicht nur als Belastung, sondern als sinnstiftend und positiv erlebt wird.
Erwachsene Kinder und ihre Eltern wohnen fast immer räumlich getrennt, d. h. nicht in einem gemeinsamen Haushalt, aber häufig in der Nähe der Großeltern. Auch bei größerer Entfernung bestehen aber häufig enge emotionale Beziehungen, soziale Kontakte, erhebliche materielle Transfers1 sowie rege wechselseitige Dienstleistungen fort.2 Deshalb haben sowohl die Beziehungen der Enkelkinder zu den Großeltern als auch die Beziehung der Großeltern zu den Enkelkindern erheblich an Bedeutung gewonnen:
- Für die Enkelkinder sind Großeltern wichtige Ressourcenpersonen.
- Für erwachsene Kinder sind Eltern, die sie bei der Kinderbetreuung unterstützen, von entscheidendem und unschätzbarem Wert.
- Für die älteste Generation
- selbst stellt die Großelternschaft eine sinnstiftende Aufgabe dar.3
1. Allgemeiner verfassungsrechtlicher Schutz der
familiären Bindungen zwischen Großeltern und
Enkelkind
Das Bundesverfassungsgericht hat nachdrücklich betont, dass Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht nur die Ehe und die aus Eltern und Kind bestehende Kernfamilie schützt, sondern auch die mehrere Generationen umfassende Großfamilie. Dieser gehören alle nahen Verwandten an, zu denen eine tatsächlich gelebte enge Verbindung besteht: Eltern, Kinder, Großeltern, Enkelkinder und Geschwister, Verschwägerte, Stiefeltern, Stiefkinder, Stiefenkelkinder, Schwiegereltern, Schwiegerkinder, Schwiegerenkel, Großeltern der Ehegatten, Stiefgroßeltern sowie Schwager und Schwägerin.
"Intensive Familienbindungen treten nicht nur im Verhältnis zwischen heranwachsenden Kindern und Eltern auf, sondern sind auch zwischen Mitgliedern der Generationen-Großfamilie möglich. Besondere Zuneigung und Nähe, familiäre Verantwortlichkeit füreinander, Rücksichtnahme- und Beistandsbereitschaft können insbesondere im Verhältnis zwischen Enkeln und Großeltern, aber auch zwischen nahen Verwandten in der Seitenlinie zum Tragen kommen. Bestehen zwischen nahen Verwandten tatsächlich von familiärer Verbundenheit geprägte engere Bindungen, sind diese vom Schutz des Artikel 6 Abs. 1 GG erfasst".4
Der verfassungsrechtliche Schutz setzt nicht mehr eine häusliche Gemeinschaft oder eine räumliche Nähe voraus; denn eine enge persönliche Verbundenheit, die sich in ständigen Kontakten und Teilhabe am Alltag zeigt, kann im mobilen und digitalen Zeitalter über weite Entfernungen durch häufige gegenseitige Besuche, gemeinsame Urlaube und Nutzung sozialer Medien (Ferngespräche, Fotos, Videos, Skype usw.) erreicht und lebendig gehalten werden.
Der verfassungsrechtliche Schutz erstreckt sich auf Beziehungen zwischen nahen Verwandten. Er entfällt, wenn keine persönlichen Kontakte bestehen oder Kontakte wegen Spannungen oder streitigen Auseinandersetzungen abgelehnt werden.
2. Ausstrahlung des Familiengrundrechts auf die
gesamte Rechtsordnung
Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene "wertentscheidende Grundsatznorm", nach welcher der Staat die Familie und die familiären Bindungen in ihrer spezifisch psychologischen und sozialen Funktion zu schützen und zu fördern hat,5 wirkt auf die gesamte die Familie betreffende Rechtsordnung ein, d. h. auf alle Rechtsvorschriften, die zu Eingriffen ermächtigen, zu Leistungen und Teilhabe berechtigen oder zum Handeln, Dulden oder Unterlassen verpflichten.6
Beispiel 1 - Arbeitsrecht: Arbeitgeber müssen bei allen Maßnahmen die Rechte der Arbeitnehmer und damit auch das Recht auf Schutz der Familie berücksichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG). So können Großeltern Arbeitsbefreiung verlangen, wenn sie ein krankes Enkelkind wegen Ausfall der Eltern pflegen müssen (§ 275 Abs. 3 BGB).
Beispiel 2 - Aufenthaltsrecht: Ausländische Großeltern kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die in der Bundesrepublik lebenden Eltern des Enkelkindes nicht in der Lage sind, die elterliche Sorge auszuüben (§ 36 Abs. 2 AufenthG).
3. Recht und Pflicht der Großeltern zum familiären
Beistand
Großeltern können gesetzlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sein (§§ 1601ff BGB; siehe Abschnitt 3.1).
Je nach Art der familiären Beziehungen kann im konkreten Fall ein gegenseitiges Vertrauen auf Beistand gerechtfertigt und eine Pflicht zur Beistandsleistung in anderer Form begründet sein (siehe Abschnitt 3.2).
3.1 Pflicht der Großeltern zur Zahlung von Unterhalt
Großeltern sind ihren Enkeln zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet, wenn beide Eltern leistungsunfähig und sie selbst leistungsfähig sind (§§ 1603, 1607 BGB).
Großeltern sind aber nur zahlungspflichtig, wenn der zur Unterhaltszahlung verpflichtete Elternteil z. B. wegen Arbeitslosigkeit nicht leistungsfähig und dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist.7 Auch in diesem Falle sind aber die Unterhaltspflichten des Großelternteils gegenüber seinem Ehegatten und gegenüber anderen Kindern vorrangig und einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Großeltern werden schließlich auch deshalb nur in seltenen Fällen zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sein, weil die Familiengerichte ihnen einen relativ hohen Selbstbehalt einräumen: So beträgt der Selbstbehalt eines unterhaltspflichtigen Großelternteils 1.800 Euro (Wohnkostenanteil: 480 Euro). Ist der Großelternteil verheiratet, ist für den Ehegatten ein Selbstbehalt von zusätzlich 1.440 Euro (Wohnkostenanteil: 480 Euro) zu berücksichtigen. Der Selbstbehalt erhöht sich bei besonderen Belastungen. Soweit das Einkommen den Selbstbehalt übersteigt, ist es den Großeltern zur Hälfte zu belassen.
Beispiel: Bei Nettoeinkünften von 3.500 Euro monatlich haben die Großeltern höchstens den 3.240 Euro übersteigenden Betrag von 260 Euro zur Hälfte, also in Höhe von 130 Euro an ein unterhaltsbedürftiges Enkelkind zu zahlen.
Die Großeltern mütter- und väterlicherseits haften anteilig (§ 1606 Abs. 3 BGB).
Zahlen Großeltern den auf sie entfallenden Unterhaltsbetrag nicht und erhalten die Enkel deshalb Leistungen nach dem SGB XII, so geht der Unterhaltsanspruch der Enkel nicht auf den Sozialleistungsträger über (§ 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).
Ein Unterhaltsanspruch des Enkelkindes besteht nicht oder nur teilweise, wenn die Inanspruchnahme des Großelternteils wegen einer schweren Verfehlung grob unbillig ist (§ 1611 BGB). Lehnt das Enkelkind jeden Kontakt mit den Großeltern ab, stellt dies allein aber noch keine schwere Verfehlung dar.8 Jedoch kann Unterhalt verwirkt sein, wenn das Enkelkind sich selbst bedürftig gemacht bzw. strafbare Handlungen gegen seine Großeltern begangen hat.
Beispiele: Das Enkelkind hat seinen Arbeitsplatz grundlos aufgegeben oder es bemüht sich nicht um einen neuen Arbeitsplatz, es hat Einkommen verschwiegen, Großeltern grundlos grob beleidigt oder körperlich verletzt, unberechtigt eine Strafanzeige erstattet.9
3.2 Pflicht der Großeltern zur Leistung von Betreuungsunterhalt
Das Grundgesetz schützt die im Großeltern-Enkelkind-Verhältnis praktizierte Beistandsbereitschaft und Rücksichtnahme. Ob und ggfs. in welchem Umfang Großeltern zur Beistandsleistung berechtigt und verpflichtet sind, ist gesetzlich nicht ausdrücklich bestimmt.
Allgemein anerkannt ist aber insbesondere für verheiratete Mütter, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht nicht nur den Geldunterhalt, sondern auch jede andere Art der Unterstützung, insbesondere die Betreuung in Form von Pflege, Erziehung der Kinder und Haushaltsführung umfasst (Betreuungsunterhalt).10 Deshalb kann aus § 1601 BGB nicht nur abgeleitet werden, dass Großeltern unterhaltspflichtig sind, wenn sie Geldzahlungen leisten können. Unabhängig von den Einkommensverhältnissen sind alle Großeltern zum familiären Beistand verpflichtet, wenn und soweit dieser ihnen möglich und zumutbar ist. Stets kommt es darauf an, ob angesichts des Alters, des Gesundheitszustands, der finanziellen Verhältnisse und aller sonstigen Umstände den Großeltern die Beistandsleistung sachlich und persönlich zumutbar ist. Weder eine Recht noch eine Pflicht zur Beistandsleistung besteht, wenn dadurch Konflikte mit den Eltern entstehen oder verschärft werden können; denn die Großeltern haben nicht das Recht, sich in die elterliche Erziehung einzumischen.
In der Regel wird eine Beistandsleistung, die über eine aktive Unterstützung im Alltag hinausgeht (zeitweise Kinderbetreuung und Haushaltsführung durch die Großmutter), nur bei Krankheit oder besonderer Belastung der Eltern in Betracht kommen.
Eine Leistungspflicht besteht auch in diesen Fällen beispielsweise nicht, wenn die Großmutter physisch oder psychisch nicht in der Lage ist, die anfallenden Aufgaben zu erfüllen, wenn unzumutbare finanzielle Ausfälle oder zusätzliche Belastungen eintreten oder wenn durch auswärtige Hilfelleistung für die Großmutter die eheliche bzw. familiäre Lebensgemeinschaft erheblich beeinträchtigt würde.
Das Grundgesetz schützt auch das Recht der Großeltern, über das zumutbare Maß hinaus Beistand zu leisten, um beispielsweise bei Erkrankung oder Tod der Tochter ihre Enkelkinder zu betreuen und zu versorgen.11 Deshalb darf die familiäre Beistandsleistung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften grundsätzlich nicht erschwert oder verhindert werden.
3.3 Strafrechtliche Garantenpflicht
Großeltern sind "Garanten" im Sinne des § 13 Strafgesetzbuch, wenn eine über die rein formale Verwandtschaftsbeziehung hinausgehende persönliche Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkind besteht.12 In diesem Fall sind sie verpflichtet, bei Gefährdung eines Enkelkindes geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr einzuleiten, wenn die Eltern als Inhaber des Sorgerechts und vorrangige Garanten ihre Pflichten gegenüber dem Kind nicht erfüllen.13
Je nach Situation kann ein Gespräch mit den Gefährdern oder den Gefährdeten, die Empfehlung von Hilfen, die Entfernung des Kindes aus dem Gefahrenbereich, eine Mitteilung an das Jugendamt oder bei akuter Gefährdung die Einschaltung der Polizei ausreichen, um eine Gefährdung auszuschließen.
Unterlassen die Großeltern erforderliche Maßnahmen, können sie zu Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt werden.14
Beispiel: Haben Großeltern sich erfolglos bemüht, ihren Schwiegersohn davon abzuhalten, die dreijährige Enkelin ständig zu misshandeln, dürfen sie es dabei nicht belassen, wenn die Misshandlungen fortgesetzt werden.
Erleidet das Kind infolge fortgesetzter Misshandlung schwere psychische und körperliche Schäden, können die Großeltern nicht nur wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB, sondern wegen schwerer Körperverletzung, begangen durch Unterlassung, zu Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren verurteilt werden (§ 226 in Verbindung mit § 13 StGB).
4. Recht der Großeltern auf Familienpflege
minderjähriger Enkel
Großeltern dürfen in Erfüllung ihrer Beistandspflicht Enkel als Pflegekind aufnehmen, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, das Kind zu erziehen und zu versorgen. Die Großeltern müssen in diesem Falle für die Pflege geeignet sein. Bestehen zwischen den Großeltern und dem Kind Bindungen, deren Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich sind, werden Großeltern, die zur Pflege bereit sind, in der Regel auch Vorrang vor fremden Personen haben. Eine Pflegerlaubnis ist aber nicht erforderlich (§ 44 I Nr. 3 SGB VIII).
Nehmen Großeltern ein Enkelkind in ihren Haushalt und in ihre Obhut auf, können sie bei der Familienkasse der Agentur für Arbeit Kindergeld und beim Jugendamt Pflegegeld beantragen. Da die Großeltern den Enkeln unterhaltspflichtig sind, ist eine angemessene Kürzung des sonst üblichen Pflegegeldes zulässig, wenn sie ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts die Pflege durchführen können.15
Sie können vom Familiengericht im Interesse des Kindes als Beteiligte zu Verfahren in Kindschaftssachen hinzugezogen werden, wenn sich das Kind seit längerer Zeit in ihrer Familienpflege befindet.
5. Vorrang der Großeltern bei der Auswahl des
Vormunds/Ergänzungspflegers
Großeltern kommt bei der Auswahl des Vormunds oder Ergänzungspflegers der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, wenn eine familientypische enge Bindung zwischen Enkelkind und Großeltern besteht, die durch Zuneigung, Verantwortungsbewusstsein und Beistandsbereitschaft geprägt wird. In diesem Falle steht ihnen das Recht zu, ihre familiäre Bindung zum Kind fortzuführen und ihrer verwandtschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden..
Der Vorrang entfällt aber, wenn im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient ist. In diesem Fall haben die Großeltern nicht das Recht der Beschwerde gegen die Bestellung einer anderen Person zum Vormund/Ergänzungspfleger durch das Gericht.16
6. Recht der Großeltern auf Umgang mit dem Enkelkind
Großeltern haben das gesetzlich anerkannte Recht auf Umgang mit dem Enkelkind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient (§ 1685 BGB).
Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient aber regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die Eltern einen solchen Umgang ablehnen und mit den Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geraten würde.17 Im Konfliktfall werden die Großeltern nur sehr selten darlegen können, dass das Enkelkind durch den Kontakt nicht in einen Loyalitätskonflikt geraten wird.18
Eine Mediation bietet unter Umständen die Chance, unter professioneller Anleitung das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen, anderen Konfliktstoff auszublenden und den Umgang friedlich und befriedigend für alle Betroffenen zu gestalten.
7. Anspruch der Großeltern auf Elterngeld und Elternzeit
Großeltern haben Anspruch auf Elterngeld, wenn sie wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod der Eltern ein Enkelkind betreuen und von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird (§ 1 Abs. 4 BEEG).
Großeltern im Arbeitsverhältnis haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit dem Enkelkind in einem Haushalt leben und das Kind selbst betreuen sowie erziehen und
- ein Elternteil des Kindes minderjährig ist oder
- ein Elternteil des Kindes sich in einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde und die Arbeitskraft des Elternteils im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt (§ 15 Abs. 1a BEEG).
8. Anspruch der Großeltern auf Freistellung zur Pflege,
Betreuung
Großeltern im Arbeitsverhältnis haben als nahe Angehörige Anspruch auf Arbeitsbefreiung bzw. teilweise Freistellung zur Pflege, Betreuung bzw. Sterbebegleitung eines Enkelkindes.
Befristete Freistellungen sind nach dem Pflegezeitgesetz (bis zu 6 Monaten) bzw. dem Familienpflegezeitgesetz (bis zu 24 Monaten) zu gewähren.
Darüber hinaus kann ihnen aus dem Arbeitsverhältnis Anspruch auf längeren Sonderurlaub (unbezahlte Freistellung) zustehen.
Sehen Sie dazu auf unserer Homepage die Beiträge "Pflegezeit 2015" und "Familienpflegezeitgesetz 2015".
9. Bestattungs- und Kostentragungspflicht der
Großeltern
Großeltern sind zur Bestattung eines verstorbenen Enkelkindes verpflichtet, wenn dessen Ehegatte oder Lebenspartner, dessen volljährige Kinder, Geschwister oder Eltern bzw. ein vom Verstorbenen zu Lebzeiten durch Vertrag Beauftragter - beispielsweise ein Freund oder ein Bestattungsunternehmen - ihre vorrangige Verpflichtung nicht erfüllen können (§ 8 Bestattungsgesetz NRW).
Sie haben die Kosten der Bestattung nur zu tragen, wenn
- die vorrangig verpflichteten Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben beziehungsweise, wenn ihnen die Tragung der Bestattungskosten nicht zumutbar ist, weil Einkommen und Vermögen die Grenzen der §§ 85 SGB XII nicht überschreiten, und wenn auch
- den vorrangig unterhaltspflichtigen Erben, und zwar dem Ehegatten, den erwachsenen Kindern und den Eltern des Verstorbenen die Tragung der Bestattungskosten nicht zumutbar ist.
Ist den Großeltern die Tragung der Bestattungskosten nach den §§ 85ff. SGB XII nicht zumutbar, ist der Träger der Sozialhilfe verpflichtet, die Kosten für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung zu übernehmen (§ 31 Abs. 1 Bestattungsgesetz NRW; §§ 1, 9 SGB XII).
Sehen Sie dazu auf unserer Homepage den Beitrag "Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht".
10. Auskunftsverweigerungsrecht der Großeltern
gegenüber der Polizei
Weit verbreitet bei älteren Menschen ist die Meinung, Polizisten seien staatliche Hoheitsträger, deren Fragen man auf jeden Fall beantworten müsse.
Diese Meinung ist aber nicht zutreffend; denn die Polizei darf Informationen über einen Menschen nur erfragen, wenn und soweit das Polizeigesetz NRW dies gestattet. Nach § 9 des Gesetzes darf ein Polizist zwar jede Person befragen, ob sie Auskünfte erteilen kann und will.
Die befragte Person ist aber grundsätzlich nur zu folgenden Angaben über ihre Person verpflichtet:
- Familienname,
- Vorname,
- Tag und Ort der Geburt,
- Wohnanschrift,
- Staatsangehörigkeit.
Zu Angaben über andere Personen ist sie nicht verpflichtet. Großeltern sind somit nicht verpflichtet, der Polizei irgendwelche Angaben über einen Enkel zu machen, weder über den Namen, den Wohnsitz, seinen derzeitigen Aufenthalt, sein Verhalten, seine Beziehungen zu anderen Menschen usw
Es steht in ihrer Entscheidung, ob und ggfs. inwieweit sie Angaben machen. In diesem Falle müssen sie aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Enkelkindes beachten. Ohne dessen Einwilligung wären beispielsweise Angaben über interne Familienangelegenheiten oder über nicht allgemein bekanntes Fehlverhalten des Enkelkindes grundsätzlich unzulässig. Sie wären aber zulässig, wenn sie zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für das Enkelkind erforderlich sind, beispielsweise bei dringendem Verdacht einer Misshandlung oder Entführung.
11. Zeugnisverweigerungsrechte der Großeltern in
Verwaltungs- und Gerichtsverfahren
Großeltern sind in allen Verwaltungsverfahren, die beispielsweise von einem Jobcenter, einem Ordnungsamt oder einem Finanzamt durchgeführt werden, nicht zu Aussagen verpflichtet.
Auch in Gerichtsverfahren können Großeltern sich als Verwandte bzw. Verschwägerte in gerader Linie auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen beispielsweise in Verfahren vor dem Amts- und Landgericht, dem Familiengericht, in Strafverfahren sowie in Verfahren vor den Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Arbeitsgerichten.
Das Zeugnisverweigerungsrecht erlaubt zu schweigen, aber nicht zu lügen. Falschaussagen und Meineid sind strafbar.
* Zur "multilokalen Mehrgenerationenfamilie": Bertram, Berliner Journal für Soziologie, 2002, 517.
1 Nach einer älteren Studie fließen ca. 10 Prozent der Renten als Unterstützung an Kinder/Enkel
zurück (Alterssurvey, 1998).
2 www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138034/veraenderte-
binnenstrukturen-der-familie
3 www.familienhandbuch.de/familie-leben/familienformen/grosseltern
/GrosselternGarantenvonSolidaritaet.php
4 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.06.2014 - 1 BvR 2926/13, Rn 23.
5 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19.02.2013 - 1 BvL 1/11, Rn 60.
6 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84, Rn 38.
7 Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.10.2012 - II-6 WF 232/12.
8 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014 - XII ZB 607/12.
9 Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21.12.2005 - 11 UF 218/05.
10 Graba, Neue Juristische Wochenschrift, 2016, 833 mit weiteren Nachweisen.
11 Verwaltungsgerichtshof Bayern, Beschluss vom 30.6.2016 - 12 C 16.1162, NJW 2017, 183.
12 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.08.2017 - 4 StR 169/17.
13 Im Jahre 2016 wurden Jugendämter in mehr als 3000 Fällen von Verwandten über die mögliche
Gefährdung eines Kindes informiert (Komdat, 2 & 3/2017, Seite 2).
14 Matt, Strafgesetzbuch, 2013, § 13, Rn 97 mit weiteren Nachweisen.
15 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.05.2016 - 5 C 36.15
16 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.06.2014 - 1 BvR 2926/13, Rn 30.
17 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2017 - XII ZB 350/16, Rn 11ff.
18 Zur Problematik von erzwungenem Umgang: Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 01.04.2008 - 1 BvR 1620/04, Rn 80ff.