Gewaltschutz: Verpflichtung eines Gewalttäters zur Aufgabe seiner Wohnung
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.02.2014
Gegenstand des Verfahrens ist eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung.
Die Beteiligten sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Die Trennung war von erheblichen Auseinandersetzungen geprägt. Es waren mehrere Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz anhängig, in denen Näherungs-, Betretungs- und Kommunikationsverbote gegen den Antragsgegner angeordnet wurden.
Die Antragstellerin zog im Verlauf der Trennung aus der bisherigen Ehewohnung in ein Mehrfamilienhaus um. Unter Vorspiegelung eines falschen Namens gelang es dem Antragsgegner, die direkt unter der Wohnung der Antragstellerin liegende Wohnung anzumieten. Dadurch kam es weiterhin zu Begegnungen der Beteiligten, die bei der Antragstellerin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Sie befindet sich deshalb in psychiatrischer Behandlung.
Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner das Betreten der Wohnung der Antragstellerin, das Herbeiführen von Begegnungen im Treppenhaus und das Aufsuchen der Antragstellerin an ihrem Arbeitsplatz verboten. Außerdem hat es ein Kontakt- und Kommunikationsverbot erlassen. Den weitergehenden Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen in dem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnsitz aufzugeben, haben das Amtsgericht und auch das Oberlandesgericht u. a. mit der Begründung zurückgewiesen, das Gewaltschutzgesetz biete keine Rechtsgrundlage für die Verpflichtung eines Gewalttäters, seine Wohnung aufzugeben.
Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben, die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen und festgestellt:
- Das Gericht kann anordnen, dass der Gewalttäter eine von ihm und dem Opfer nicht gemeinsam genutzte Wohnung aufgeben muss (§ 1 Gewaltschutzgesetz; § 1004 BGB entsprechend).
- Die Anordnung ist zulässig, wenn eine einzelfallbezogene Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Gewaltopfer und -täter ergibt, dass die Verpflichtung zur Aufgabe der Wohnung verhältnismäßig ist.
- Die Verpflichtung zur Wohnungsaufgabe ist verhältnismäßig, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Sie ist geeignet und erforderlich, wenn sie das Opfer gegen weitere seine Gesundheit beeinträchtigenden Verletzungen der Näherungs-, Betretungs- und Kommunikationsverbote durch den Gewalttäter schützt. Sie ist angemessen, wenn es kein weniger eingreifendes Mittel zum Schutz des Opfers gibt, und wenn der Gewalttäter, der die Wohnung angemietet hat, um die gerichtlichen Verbote zu unterlaufen, nicht unangemessen belastet wird.
- Die Anordnung der Wohnungsaufgabe kann zeitlich unbefristet sein.
Anmerkung: Der Bundesgerichtshof stellt in der Begründung darauf ab, dass der Gewalttäter seine neue Wohnung mit dem Ziel angemietet hatte, in Widerspruch zu den Näherungsverboten dem Opfer regelmäßig zu begegnen. Erstmalig stellt er fest, dass im Falle einer unbefristeten Gefährdung des Opfers auch die Schutzanordnung unbefristet sein kann.