Entschädigung für Opfer von Gewalttaten
Übersicht
1. Anspruchsberechtigte
1.1 Deutsche und bestimmte Ausländer
1.2 Ausländer bei vorübergehend rechtmäßigen Aufenthalt
1.3 Sonstige Ausländer
2. Gewalttat
2.1 Beschränkung auf körperliche Gewalt
2.2 Fallgruppen
2.2.1 Sexueller Missbrauch von Minderjährigen und anderen Schutzbefohlenen
2.2.2 Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern
2.2.3 Bedrohung mit Gewalt
2.2.4 Mobbing
2.2.5 Stalking
2.2.6 Schockschaden
2.2.7 Notwehr und Nothilfe
2.2.8 Gemeingefährliche Straftaten
3. Leistungen bei Gewalttaten im Inland
4. Leistungen bei Gewalttaten im Ausland
5. Ausschluss der Entschädigung
6. Härteausgleich
7. Zuständigkeit, Antragstellung und Verfahren
7.1 Beratung und Aufklärung des Sachverhalts
7.2 Antrag und Rückwirkung
7.3 Antragstellung und -fristen für Minderjährige
8. Weitere Ansprüche
In Nordrhein-Westfalen sind die Landschaftsverbände für die Versorgung der Opfer von Gewalttaten zuständig. Sie beraten und informieren Opfer von Gewalttaten und deren Angehörige.
Zur Information von Opfern von Gewalttaten und ihren Angehörigen ist eine kostenlose Telefonnummer eingerichtet:
0800-654-654-6 |
Es wird dringend empfohlen, baldmöglichst Kontakt mit dem zuständigen Landschaftsverband aufzunehmen, um sich über das richtige Vorgehen beraten zu lassen und rechtzeitig Leistungen zu beantragen (siehe Abschnitt 7).
Falls das Opfer oder Angehörige psychisch schwer belastet und nicht in der Lage sind, den Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, sollten sie Hilfsmöglichkeiten nutzen:
Persönliche Hilfe, Hilfestellung im Umgang mit Behörden, Übernahme der Kosten für eine Erstberatung durch einen Rechtsanwalt, für eine rechtsmedizinische Untersuchung, für eine psychotraumatologische Erstberatung und weitere Hilfen bietet die Opferhilfsorganisation "Weißer Ring". Die Kontaktdaten der Außenstellen können erfragt werden bei dem kostenlosen bundesweiten
Opfer-Telefon des Weißen Rings: 116 006 www.weisser-ring.de |
Adressen von allgemeinen Beratungsstellen und Beratungsstellen für Gewaltopfer, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit dem Schwerpunkt Opferrecht sind zu finden unter:
www.hilfeportal-missbrauch.de |
1. Anspruchsberechtigte
Anspruch auf alle Leistungen haben Deutsche und grundsätzlich alle Ausländer, die sich dauerhaft rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (siehe Abschnitt 1.1).
Das gilt aber nur, wenn die Gewalttat nach dem 15.05.1976 begangen worden ist. Ist sie in der Zeit vom 23.05.1949 bis zum 15.05.1976 begangen worden, wird nur im Härtefall Versorgung gewährt (§ 10 Satz 2).
1.1 Deutsche und bestimmte Ausländer
Anspruch auf Versorgung haben gemäß § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG)
- Deutsche,
- Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften,
- sonstige Ausländer, soweit Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, die eine Gleichbehandlung mit Deutschen erforderlich machen, auf sie anwendbar sind oder
- sonstige Ausländer, wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist,
- sonstige Ausländer, die sich rechtmäßig seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalten.
1.2 Ausländer bei vorübergehend rechtmäßigen Aufenthalt
Ausländer erhalten ausschließlich einkommensunabhängige Leistungen, wenn sie sich rechtmäßig
- ununterbrochen noch nicht drei Jahre nicht nur für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten,
- für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten (z. B. Touristen, Besucher), wenn sie mit einem Deutschen oder einem Ausländer, der zu den anspruchsberechtigten Personen gehört, bis zum dritten Grade verwandt sind (Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft entsprechend),
- für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Übereinkommens vom 24. November 1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten sind, soweit dieser keine Vorbehalte zum Übereinkommen erklärt hat.
Ein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes ist auch gegeben, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen oder auf Grund erheblicher öffentlicher Interessen ausgesetzt ist.
1.3 Sonstige Ausländer
Ausländer erhalten eine Abfindung statt der Entschädigungsleistungen, wenn sie
- ausgewiesen oder abgeschoben werden oder
- das Bundesgebiet verlassen haben und ihr Aufenthaltstitel erloschen ist oder
- ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten erlaubt wieder eingereist sind.
Die Abfindung wird für jedes begonnene Jahr seines ununterbrochen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet in Höhe des Dreifachen, insgesamt jedoch mindestens in Höhe des Zehnfachen, höchstens in Höhe des Dreißigfachen der monatlichen Grundrente gewährt.
2. Gewalttat
Gewalttat ist jeder vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff gegen eine Person (§ 1 Abs. 1).
Das Opferentschädigungsgesetz gilt nicht für Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verursacht worden sind (§ 1 Abs. 11).
In diesem Falle kann ein Antrag an den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen gerichtet werden:
Verkehrsopferhilfe e. V. Wilhelmstraße 43/43 G 10117 Berlin www.verkehrsopferhilfe.de |
2.1 Beschränkung auf körperliche Gewalt
Ein tätlicher Angriff liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur bei einer körperlichen Gewaltanwendung (Tätlichkeit) vor, der zu einer gesundheitlichen Schädigung führt. Der Angriff muss körperlich (physisch) auf einen anderen einwirken. Psychische Beeinträchtigungen werden hiernach nicht vom Opferentschädigungsrecht erfasst.¹
Das Bundessozialgericht verweigert den Opfern psychischer Gewalt Entschädigungsleistungen. Ob aber die Beschränkung auf die Folgen körperlicher Gewaltanwendung mit der gesetzlichen Regelung, mit der Verfassung und mit der EU-Richtlinie 2004/80/EG vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten vereinbar ist, ist rechtlich nicht zweifelsfrei; denn nach der sowohl vom Bundessozialgericht und vom Bundesarbeitgericht - beispielsweise zur Arbeitsunfähigkeit - übernommenen Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit ein Zustand körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Wohlbefindens. Gesundheit betrifft somit nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Unversehrtheit. Eine gesundheitliche Schädigung kann aber nicht nur durch eine Körperverletzung, sondern auch durch psychische Gewalt (Mobbing, Stalking) verursacht werden.
Den Opfern psychischer Gewalt stehen in der Regel zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Täter zu. Diese sind aber sehr oft nicht durchsetzbar.
2.2 Fallgruppen
Als Gewalttaten im Sinne des Gesetzes, die Ansprüche auf Entschädigung begründen können, kommen alle vorsätzlichen Körperverletzungs- und Tötungshandlungen in Betracht.
Beispiel: Schütteltrauma eines Säuglings
Fahrlässig und vorsätzlich herbeigeführte Schädigungen im Straßenverkehr fallen nicht unter das Gesetz.
2.2.1 Sexueller Missbrauch von Minderjährigen und anderen Schutzbefohlenen
In Fällen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen hat das Bundessozialgericht - abweichend von seiner sonstigen Rechtsprechung - einen tätlichen Angriff auch dann angenommen, wenn keine körperliche Gewalt angewandt oder angedroht wurde, weil der soziale und psychische Schutz der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten sei.
2.2.2 Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern
Sowohl die aktive körperliche Misshandlung von Kindern als auch die Vernachlässigung sind tätliche Angriffe (in Form des Unterlassens).
Beispiele: Unzureichende Ernährung, körperliche Pflege oder Versorgung eines erkrankten Kindes
Bei Anwendung körperlicher Gewalt an Kindern durch die Eltern liegen regelmäßig eine Körperverletzung und damit auch ein tätlicher Angriff vor. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig (§ 1631 Absatz II BGB).
Daraus folgt jedoch nicht, dass jede Vernachlässigung von Kindern und jede missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, die das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet, als Gewalttat angesehen werden kann. Rein seelische Misshandlungen können nach der problematischen Auffassung des Bundessozialgerichts keine Entschädigungsansprüche auslösen.
2.2.3 Bedrohung mit Gewalt
Bei Bedrohung oder Drohung mit Gewalt ist maßgeblich auf das Kriterium der objektiven Gefahr für Leib und Leben des Opfers abzustellen. Ein tätlicher Angriff ist nur dann gegeben, wenn die auf das Opfer gerichtete Einwirkung - ohne Einsatz körperlicher Mittel -unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielt.
Beispiele: Der Täter setzt ein Messer an die Kehle des Opfers. Ein mit einer Pistole Bedrohter springt aus dem Fenster und verletzt sich schwer.
Eine intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung reicht nicht aus.
2.2.4 Mobbing
"Mobbing"-Aktivitäten im Rahmen eines sich über längere Zeit hinziehenden Konflikts zwischen dem Opfer und Personen seines gesellschaftlichen Umfeldes sind nach der Rechtsprechung des Bundesssozialgericht tätliche Angriffe nur dann, wenn sie nicht nur in Psychoterror bestehen, sondern auch körperliche Misshandlungen wie z. B. Fußtritte und Faustschläge umfassen.
2.2.5 Stalking
Auch beim "Stalking" liegt ein tätlicher Angriff erst dann vor, wenn die Tat durch Mittel körperlicher Gewalt gegen das Opfer begangen und/oder der rechtswidrig herbeigeführte Zustand mittels Tätlichkeiten aufrechterhalten wird.
2.2.6 Schockschaden
Löst eine Gewalthandlungen bei Dritten, beispielsweise bei Angehörigen des Verletzten, einen Schockschaden aus, hat der Dritte Anspruch auf Entschädigung.
Beispiel: Posttraumatische Belastungsstörung der Ehefrau nach Ermordung ihres Ehemannes.
2.2.7 Notwehr und Nothilfe
Hat der Handelnde bei der Abwehr eines gegen ihn oder eine andere Person gerichteten rechtswidrigen Angriffs in Notwehr gehandelt oder Nothilfe geleistet und dabei einen Gesundheitsschaden erlitten, hat er Anspruch auf Entschädigung sofern er nicht selbst die Notwehrsituation herbeigeführt hat.
2.2.8 Gemeingefährliche Straftaten
Die vorsätzliche, aber auch die fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen kann Ansprüche auf Entschädigung auslösen (§ 1 Abs. 2).
Beispiel: Werfen von Steinen auf vorbeifahrende Fahrzeuge
3. Leistungen bei Gewalttaten im Inland
Beispiele: Kosten für eine Umschulung, kleine Rente, wenn die Tat zu einer Behinderung von mindestens 30 Prozent geführt hat, Berufsschadensausgleich, wenn tatbedingt der normale berufliche Werdegang beeinträchtigt ist, Nachhilfeunterricht, notwendige Umbauten bei körperlichen Schäden, Haushaltshilfe.
Geschädigte erhalten sämtliche Leistungen, die das Bundesversorgungsgesetz vorsieht (§ 1 Abs. 1 OEG, §§ 9-53 BVG):
- Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung (§§ 10 bis 24a),
- Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27j),
- Beschädigtenrente (§§ 29 bis 34) und Pflegezulage (§ 35),
- Bestattungsgeld (§ 36) und Sterbegeld (§ 37),
- Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52),
- Bestattungsgeld beim Tod von Hinterbliebenen (§ 53).
Fürsorgeleistungen stellen eine angemessene wirtschaftliche Versorgung sicher und leisten Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen, um die Folgen der Schädigung bzw. des Todes des Gewaltopfers auszugleichen. Die Hilfen werden als persönliche Hilfe, Sachleistungen und Geldleistungen gewährt. Zum Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen der Schädigung können u. a. Berufsschadensausgleich, Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag gewährt werden. Sonstige Sach- und Vermögensschäden werden nicht ersetzt.
Fürsorgeleistungen umfassen nach §§ 25-27j BVG:
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- Krankenhilfe
- Hilfe zur Pflege
- Hilfe zur Weiterführung des Haushalts
- Altenhilfe
- Erziehungsbeihilfe
- ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt
- Erholungshilfe
- Wohnungshilfe
- Hilfen in besonderen Lebenslagen
Schmerzensgeld wird nicht gezahlt.
Die Kosten für Brillen, Kontaktlinsen und Zahnersatz werden im Rahmen der Heilbehandlung übernommen (§ 1 Abs. 10).
Weitere Erläuterungen zu den einzelnen Leistungen beispielsweise unter
http://www.LWL.org/LWL/Soziales/versorgungsamt/Leistungen
4. Leistungen bei Gewalttaten im Ausland
Erleiden Deutsche oder voll anspruchsberechtigte Ausländer im Ausland infolge einer Gewalttat eine gesundheitliche Schädigung, erhalten sie wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag einen Ausgleich, wenn sie
- ihren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben und
- sich zum Tatzeitpunkt für einen vorübergehenden Zeitraum von längstens sechs Monaten am Tatort aufgehalten haben (§ 3a Abs. 1) und
- die Taten nach dem 30. Juni 2009 begangen worden sind (§ 10 Satz 6).
Geschädigte erhalten die auf Grund der Schädigungsfolgen notwendigen Maßnahmen der Heilbehandlung und der medizinischen Rehabilitation einschließlich psychotherapeutischer Angebote.
Darüber hinaus erhalten Geschädigte je nach dem Grad der Schädigung (GDS) eine Einmalzahlung von 714 Euro (25 GDS) bis 25.632 Euro (bei schwersten Schädigungen).
Wird eine voll anspruchsberechtigte Person bei einer Gewalttat im Ausland getötet, erhalten Hinterbliebene mit Ausnahme der Verwandten der aufsteigenden Linie sowie Betreuungsunterhaltsberechtigte eine Einmalzahlung. Vollwaisen 2.364 Euro, Halbwaisen 1.272 Euro, sonstige 4.488 Euro).
Außerdem haben Hinterbliebene einschließlich der Eltern, deren minderjährige Kinder an den Folgen einer Gewalttat im Ausland verstorben sind, Anspruch auf die notwendigen psychotherapeutischen Maßnahmen. Zu den Überführungs- und Beerdigungskosten wird ein Zuschuss bis zu 1.506 Euro gewährt, soweit nicht Dritte die Kosten übernehmen.
5. Ausschluss der Entschädigung
Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz sind zu versagen,
- wenn der Geschädigte die Schädigung durch provozierendes Verhalten verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten liegenden Gründen unbillig wäre, ihm Entschädigung zu gewähren.
Beispiel: Verletzung bei einer Schlägerei, die der Verletzte selbst begonnen hat. - wenn der Geschädigte oder Antragsteller an politischen oder kriegerischen Auseinandersetzungen in seinem Heimatland aktiv beteiligt war oder ist und die Schädigung darauf beruht bzw. damit zusammenhängt, oder wenn er in die organisierte Kriminalität verwickelt ist bzw. war oder einer gewalttätigen Organisation angehört bzw. angehört hat.
- wenn der Geschädigte es unterlassen hat, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, z. B. nicht unverzüglich Strafanzeige erstattet hat.
Auf gesundheitliche Schädigungen aus einem tätlichen Angriff mit einem Kraftfahrzeug ist das Opferentschädigungsgesetz nicht anzuwenden. Für diese Schäden kommt der Entschädigungsfonds des Vereins Verkehrsopferhilfe e. V. (Wilhelmstraße 43/43 G, 10117 Berlin, www.verkehrsopferhilfe.de) auf.
6. Härteausgleiche
Opfer einer Gewalttat, die vom 23.05.1949 bis zum 15.05.1976 begangen worden ist, erhalten auf Antrag Versorgung, solange sie
- infolge der Schädigung "schwerbeschädigt" sind und
- bedürftig sind
- und in der BRD ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 10a).
Ausländern kann im Einzelfall zum Ausgleich besonderer Härten ein Härteausgleich als einmalige Leistung bis zur Höhe des Zwanzigfachen der monatlichen Grundrente entsprechend einem Grad der Schädigungsfolgen von 70, bei Hinterbliebenen bis zur Höhe des Zehnfachen der Hinterbliebenengrundrente einer Witwe gewährt werden (§ 10b in Verbindung mit § 1Abs. 5 und 6).
7. Zuständigkeit, Antragstellung und Verfahren
In Nordrhein-Westfalen sind die Landschaftsverbände zuständig.
7.1 Beratung und Aufklärung des Sachverhalts
Die Mitarbeiter der Landschaftsverbände des LVR-Fachbereichs "Soziale Entschädigung" klären den Sachverhalt auf, stellen Ermittlungen an, ziehen u. a. auch medizinische Unterlagen hinzu, befragen Zeugen und fordern Gutachten an.
Die Antragsteller sind verpflichtet, alle erforderlichen Angaben zu machen und, sofern es zumutbar ist, auch an der Aufklärung des Sachverhaltes mitwirken.
7.2 Antrag und Rückwirkung
Die Leistungen werden auf Antrag gewährt.
Rückwirkend werden Leistungen nur gewährt, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt wird. War der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragstellung verhindert, so verlängert sich diese Frist um den Zeitraum der Verhinderung. (§ 60 Abs. 1 BVG).
7.3 Antragstellung und -fristen für Minderjährige
Minderjährige erlangen mit Vollendung des 15. Lebensjahres die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit und können deshalb Leistungen nach dem OEG beantragen.
Wenn ein gesetzlicher Vertreter des Geschädigten die rechtzeitige Antragstellung unterlassen hat, muss sich der Geschädigte dies zurechnen lassen.
Beispiel: Wird von einem handlungsfähigen Minderjährigen und dessen Mutter der Antrag auf Hinterbliebenenrenten erst drei Jahre nach der Ermordung des Vaters und Ehemanns gestellt, wird die Rente nur für ein Jahr vor der Antragstellung nachgezahlt (BSG, Urteil vom 15.08.2000 - B 9 VG 1/99 R).
Die Ein-Jahres-Frist gilt aber nicht, wenn die sorgeberechtigten Eltern mit dem Gewalttäter familiär und durch gleich gelagerte Interessen eng verbunden sind. In einem solchen Fall ist der Geschädigte unverschuldet an einer rechtzeitigen Antragsstellung verhindert gewesen.
Beispiel: Die Mutter des minderjährigen missbrauchten Kindes stellt keinen Antrag auf Entschädigung, weil sie mit dem gewalttätigen Vater verheiratet ist.
8. Weitere Ansprüche
Opfern von Gewalttaten können weitere Ansprüche zustehen:
- Ansprüche auf Schadensersatz und auf Ausgleich des Nichtvermögensschadens nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Vertragsverletzungen und über unerlaubte Handlungen. Die Verjährung der Ansprüche gegen den Gewalttäter richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Siehe dazu den Beitrag: Sexueller Missbrauch - Antrags - und Verjährungsfristen - Opfer sexuellen Missbrauchs im familiären Bereich können zum Ausgleich bzw. der Milderung noch andauernden Belastungen als Folgewirkung eines in der Kindheit oder Jugend in der Familie erlittenen Missbrauchs Sachleistungen aus dem Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich erhalten. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen besteht nicht.
Siehe dazu den Beitrag: Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich - Ehemaligen Heimkindern werden zum Ausgleich von besonderen Folgeschäden aus der Heimerziehung zusätzlich zu staatlichen Sozialleistungen freiwillige Leistungen aus dem Fonds "Heimerziehung West" gewährt.
Zu weiteren Informationen siehe den Beitrag: Leistungen des Fonds "Heimerziehung West" - Opfer extremistischer Übergriffe und Opfer terroristischer Straftaten erhalten auf Antrag vom Bundesamt für Justiz als Ermessensleistung weitere einkommensunabhängige Leistungen nach den "Richtlinien über Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe" beziehungsweise den "Richtlinien über Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten".
Weiteren Informationen dazu finden Sie hier
1 Bundessozialgericht, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R, NJOZ 2014, 72; BSG, Urteil vom
07.04.2011 - B 9 VG 2/10 R, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2011, 9.
2 Bundessozialgericht, Urteil vom 28.04.2005 - B 9a VG 1/04 R.