Elternzeit für Kinder, die vor dem 30. Juni 2015 geboren sind oder mit dem Ziel der Adoption aufgenommen werden
Die Elternzeit für Kinder, die ab dem 1. Juli 2015 geboren sind, unterliegt teilweise abweichenden gesetzlichen Regelungen. Diese sind dargestellt im Beitrag "Elternzeit für Kinder, die ab dem 1. Juli 2015 geboren sind oder mit dem Ziel der Adoption aufgenommen werden".
Überblick
1. Wer kann Elternzeit beanspruchen?
2. Gemeinsame Elternzeit, Höchstdauer und Übertragung
3. Inanspruchnahme der Elternzeit
4. Teilzeitarbeit während der Elternzeit
4.1 Voraussetzungen
4.2 Klage bei fehlender Einigung
5. Flankierende sozialrechtliche Regelungen
6. Flankierende arbeitsrechtliche Regelungen
6.1 Kündigungsverbot
6.2 Erholungsurlaub
7. Kündigung durch die Mitarbeiterin
8. Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit
Die arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Regelungen zur Elternzeit enthält der zweite Abschnitt des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in der bis zum 30.06.2015 geltenden Fassung.
Download unter www.BMFSFJ.de/BMFSFJ/gesetze.html
Der folgende Beitrag ist beschränkt auf die allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Nicht einbezogen sind Regelungen für besondere Personengruppen und besondere Fallgestaltungen. Deshalb ist es stets sinnvoll, im Gesetzestext nachzulesen, ob und ggf. welche besonderen Regelungen er für den konkret anstehenden Fall enthält.
1. Wer kann Elternzeit beanspruchen?
Anspruch auf Elternzeit haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbständige sowie alle Personen, die sich in Berufsausbildung/im Berufspraktikum befinden, wenn sie
- mit ihrem Kind, für das ihnen die Personensorge zusteht oder
- mit einem Kind des Ehegatten bzw. Lebenspartners des Arbeitnehmers oder
- mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII oder mit dem Ziel der Annahme als Kind in ihre Obhut aufgenommen haben,
- in einem Hauhalt leben haben und
- das Kind selbst betreuen und erziehen (§ 15 Abs. 1 und 2 BEEG).
Anspruch auf Elternzeit haben Arbeitnehmer, die Großeltern sind auch, wenn sie mit ihrem Enkelkind in einem Haushalt leben und dieses Kind selbst betreuen und erziehen und
- ein Elternteil des Kindes minderjährig ist oder
- ein Elternteil des Kindes sich im letzten oder vorletzten Jahr einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde und die Arbeitskraft des Elternteils im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
Der Anspruch besteht nur für Zeiten, in denen keiner der Elternteile des Kindes selbst Elternzeit beansprucht.
2. Gemeinsame Elternzeit, Höchstdauer und
Übertragung
Die Eltern eines Kindes können ganz oder zeitweise bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes die Elternzeit einzeln oder gleichzeitig nutzen (§ 15 Abs. 2 und 3 BEEG). Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden.
Ein Anteil von bis zu 12 Monaten ist mit Zustimmung des Dienstgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahrs des Kindes übertragbar. Bei einem Dienstgeberwechsel kommt es auf die Zustimmung des neuen Dienstgebers an. Lehnt dieser ab und entspricht seine Entscheidung billigem Ermessen, weil betriebliche Gründe der Elternzeit eines oder beider Elternteile entgegenstehen, so verfällt der Anspruch auf die Elternzeit (BT-Drs. 14/3553 S. 21).
Bei Mehrlingsgeburten und bei kurzer Geburtenfolge können die Eltern für jedes Kind bis zu 12 Monate übertragen. Zwar ist die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich, jedoch wird er sie in aller Regel nicht verweigern können. Mit Zwillingen lassen sich beispielsweise Elternzeiten von 5 Jahren erreichen.
Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes wird auf die Elternzeit der Mutter angerechnet.
Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind, auch wenn sich die Drei-Jahres-Zeiträume überschneiden.
Bei einem angenommenen Kind und bei einem Kind in Vollzeit- oder Adoptionspflege kann Elternzeit von insgesamt bis zu drei Jahren ab der Aufnahme bei der berechtigten Person, längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes genommen werden. Für die zeitliche Aufteilung gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend.
Der Anspruch kann nicht durch einen Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.
3. Inanspruchnahme der Elternzeit
Die Inanspruchnahme der Elternzeit unmittelbar nach der Geburt bzw. der Mutterschutzfrist ist dem Arbeitgeber schriftlich spätestens sieben Wochen vor Beginn mitzuteilen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG).
Gleichzeitig haben die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer zu erklären, für welche Zeiten sie bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes Elternzeit nehmen werden. Sie können die Erklärung auch für Zeiten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres abgeben.
Jeder Elternteil darf die von ihm in Anspruch genommen Elternzeit auf bis zu zwei Zeitabschnitte innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums verteilen (§ 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG).
An ihre Erklärungen sind die Arbeitnehmer gebunden.
4. Teilzeitarbeit während der Elternzeit
Während der Elternzeit ist Teilzeitarbeit, bis zu 30 Stunden wöchentlich für jeden Elternteil zulässig, der eine Elternzeit nimmt (§ 15 Abs. 4 BEEG).
Teilzeitarbeit als Selbstständiger oder bei einem anderen Arbeitgeber bedarf der Zustimmung des Dienstgebers. Eine Ablehnung ist nur aus dringenden betrieblichen Gründen zulässig und muss schriftlich binnen vier Wochen erklärt werden (§ 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG).
4.1 Voraussetzungen
Beantragt die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer eine Verringerung der Arbeitszeit, sollen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer innerhalb von vier Wochen einigen (§ 15 Abs. 5-7 BEEG).
Unter den folgenden Voraussetzungen können beide Elternteile zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen (§ 15 Abs. 7 BEEG):
- Der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer/innen (Personen in der Berufsausbildung werden nicht mitgezählt).
- Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers in demselben Betrieb oder Unternehmen besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate.
- Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit soll für mindestens zwei Monate auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden.
- Dem Anspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen.
- Der Anspruch muss gegenüber dem Arbeitgeber spätestens sieben Wochen vor Beginn der Teilzeit geltend gemacht werden.
Der Antrag muss den Beginn und den Umfang der gewünschten Verringerung angeben. Der Antrag muss den Beginn, den Umfang der verringerten Arbeitszeit und die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben. Er soll die angeben (§ 15 Abs 7 Sätze 2 und 3 BEEG).
4.2 Klage bei fehlender Einigung
Wird keine Einigung erzielt, muss der Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit mit schriftlicher Begründung innerhalb von vier Wochen ablehnen.
Lehnt der Arbeitgeber die Verringerung nicht innerhalb der Frist, nicht schriftlich oder ohne ausreichende Begründung ab, so gilt dies als Ablehnung.
Der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer kann, wenn und soweit der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit oder der Verteilung nicht oder nicht rechtzeitig zustimmt, sich nicht eigenmächtig die Elternzeit nehmen; denn es wird ausdrücklich bestimmt, dass sie Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen erheben kann (§ 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG).
Nach dem Ende der Elternzeit kann die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer die verkürzte Arbeitszeit beibehalten oder zu der Arbeitszeit zurückkehren, die er vor Beginn der Elternzeit hatte (§ 15 Abs. 5 Satz 4 BEEG).
5. Flankierende sozialrechtliche Regelungen
Der Elternteil, der vor Beginn der Elternzeit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert war, bleibt beitragsfrei Mitglied für die Dauer des Bezugs von Elterngeld oder der Inanspruchnahme von Elternzeit.
In der gesetzlichen Rentenversicherung werden während der Elternzeit ohne Teilzeittätigkeit drei Jahre Kindererziehungszeiten (bis zum dritten Lebensjahr des Kindes) als rentenbegründend und rentensteigernd berücksichtigt, also einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt. Die Kindererziehungszeit wird jedoch nur für einen Elternteil angerechnet. Wird eine zulässige Teilzeittätigkeit ausgeübt, sind die üblichen Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen.
Arbeitnehmer sind während des Bezugs von Elterngeld sowie während der Elternzeit arbeitslosenversicherungspflichtig. Die Beiträge zahlt der Bund.
In die Anwartschaftszeit für das Arbeitslosengeld einbezogen werden Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld vor der Geburt des Kindes und Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren.
6. Flankierende arbeitsrechtliche Regelungen
Das Arbeitsverhältnis besteht während der Elternzeit, aber es ruht d. h. ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit und der Arbeitgeber nicht zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet.
Während des Ruhens bleiben Nebenpflichten wie beispielsweise die Schweigepflicht und Loyalitätsobliegenheiten bestehen.
6.1 Kündigungsverbot
Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt des Verlangens der Elternzeit, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, sowie während deren Dauer nicht kündigen.
Will der Arbeitgeber trotz des Kündigungsschutzes eine Kündigung aussprechen, so muss er die Zulässigkeitserklärung durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle - in NRW: Bezirksregierung - einholen (§ 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG).
Die Behörde darf nur in besonderen Ausnahmefällen eine Kündigung für zulässig erklären (§ 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG). Solche besonderen Fälle können z. B. sein: Betriebsstilllegung, Insolvenz oder Teilbetriebsstilllegung, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt werden kann. Auch vorsätzliche strafbare Handlungen, die während der Elternzeit aufgedeckt werden, oder besonders grobe Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten können eine Zulässigkeitserklärung rechtfertigen.
Beispiel: Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter verbreitet im Internet rufschädigende Äußerungen über den Arbeitgeber.
Der Kündigungsschutz erfasst jede Art der Kündigung des Arbeitgebers d. h auch eine Änderungskündigung. Nicht erfasst werden die Beendigung des Arbeitsvertrags infolge von Befristung und Aufhebungsverträge.
Das Kündigungsverbot gilt auch, wenn der Mitarbeiter während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet. Die Bestimmung schützt damit vor Kündigungen, die der Teilzeitarbeit zulassende Elternzeit gewährende Arbeitgeber ausspricht (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG).
Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG gilt das Kündigungsverbot entsprechend, wenn der Mitarbeiter ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, bei seinem Dienstgeber Teilzeitarbeit leistet und Anspruch auf Elterngeld während des Bezugszeitraums nach § 4 Abs. 1 hat.
Ist eine Mitarbeiterin während der Elternzeit erneut schwanger, so muss der Arbeitgeber neben der Zustimmung nach § 18 BEEG zusätzlich auch die Zustimmung nach § 9 des Mutterschutzgesetzes einholen.
Der Sonderkündigungsschutz gilt nicht für ein bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit eingegangenes Arbeitsverhältnis.
Nimmt allerdings ein Mitarbeiter in einem neuen Arbeitsverhältnis im Anschluss an eine Geburt eine Teilzeitarbeitsbeschäftigung zwischen 15 und 30 Wochenarbeitsstunden auf und bezieht er hierbei Elterngeld, so gilt in diesem Arbeitsverhältnis zu seinen Gunsten der Sonderkündigungsschutz. Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter in einem neuen Arbeitsverhältnis im Anschluss an eine Geburt Elternzeit erstmals geltend macht.
6.2 Erholungsurlaub
Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet (§ 17 Abs. 1 BEEG).
Eine Kürzung ist aber nicht mehr möglich, wenn das Arbeitsverhältnis beendet und deshalb ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden ist.
Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren (§ 17 Abs. 2 BEEG).
Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten (§ 17 Abs. 3 BEEG).
Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vor Beginn der Elternzeit mehr Urlaub erhalten, als ihm oder ihr nach Absatz 1 zusteht, kann der Arbeitgeber den Urlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin nach dem Ende der Elternzeit zusteht, um die zu viel gewährten Urlaubstage kürzen (§ 17 Abs. 4 BEEG).
Wechselt der Arbeitnehmer von Voll- in Teilzeit unter Reduzierung der Wochenarbeitstage bleibt der Urlaubsanspruch, den der Arbeitnehmer aufgrund seiner Vollzeitarbeit erworben hat, ungekürzt erhalten.1
Beispiel: Hat ein Arbeitnehmer bei einem Wechsel von einer Fünf- in eine Drei-Tage-Woche einen Resturlaubsanspruch von 15 Tagen, so behält er diesen Anspruch, der erfüllt wird, in dem er in fünf Wochen für je drei Tage Urlaub erhält.
7. Kündigung durch die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter
Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann das Dienstverhältnis unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende der Elternzeit kündigen (§ 19 BEEG). Sie braucht eine längere gesetzliche, tarifliche oder einzelvertragliche Frist nicht einzuhalten.
Während der Elternzeit kann die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer jederzeit ordentlich unter Einhaltung der für sie geltenden Kündigungsfrist kündigen.
8. Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit
Nach Beendigung der Elternzeit leben die Arbeits- und die Entgeltzahlungspflicht sowie die sonstigen Rechte und Pflichten, die während des Elternzeit ruhten, wieder auf.
Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter hat Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, aber nicht auf ihren früheren Arbeitsplatz.
1 EuGH, Urteil vom 28.01.2013 - C-415/12, NZA 2013, 775; BAG, Urteil vom 10.02.2015 -
9 AZR 53/14 (F).