Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung: Übernahme der Kosten der Begleitperson eines behinderten Menschen auf einer Kreuzfahrt
Der 1968 geborene schwerbehinderte Kläger ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Er bezieht u. a. eine Erwerbsunfähigkeitsrente, Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und beschäftigt im Arbeitgebermodell drei Assistenten (§§ 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX).
Er verlangt als Leistung zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben im Rahmen der Eingliederungshilfe die Übernahme der Kosten eines Assistenten, der ihn bei einer einwöchigen Urlaubsreise begleitet hatte, in Höhe von 2.000 Euro (Meerblickkabine, zwei Landausflüge). Die ihn selbst betreffenden Kosten hatte er angespart. Das Sozialgericht und das Landessozialgericht haben seine Klage u. a. mit der Begründung abgewiesen, eine Kreuzfahrt sei keine Eingliederungsmaßnahme, sie diene der Erholung. Personen mit niedrigem Einkommen, die Sozialhilfe beziehen, könnten sich diese auch nicht leisten.
Außerdem sei der Kläger bereits in die Gesellschaft integriert. Er lebe in seiner eigenen Wohnung, werde von Assistenten unterstützt, habe ein Budget für Freizeitaktivitäten und ein steuerbefreites Auto. Er sei außerdem auch Mitglied mehrerer Verbände und Behindertenbeauftragter des Landkreises. Schließlich nutze er öffentliche Einrichtungen sowie den öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostenlos oder zumindest zu reduzierten Kosten. Dies gewährleiste eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft.
Das Bundessozialgericht hob das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies die Sache an das Landessozialgericht zurück. Es stellte u. a. fest:
- Kosten für den eigenen Urlaub sind grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Behinderungsbedingte Mehrkosten wie den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson sind als Teilhabeleistung zu übernehmen, wenn sie vor dem Hintergrund der angemessenen Wünsche des behinderten Menschen notwendig sind.
- Der Wunsch eines behinderten Menschen, sich jährlich einmal auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, ist im Grundsatz als angemessen anzusehen. Urlaubsreisen können als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis darstellen.
- Eine Übernahme der Mehrkosten kann nicht verlangt werden, wenn dem behinderten Menschen die Buchung einer anderen, im Wesentlichen gleichartigen Reise möglich gewesen wäre, die geringere oder keine behinderungsbedingten Mehrkosten ausgelöst hätte.
Bundessozialgericht, Urteil vom 19.05.2022 - B 8 SO 13/20 R
Dieser Beitrag war ursprünglich Teil eines anderen Beitrags aus der Ausgabe 4/2022 (Oktober 2022) des Recht-Informationsdienstes und wurde nach einer umfangreichen Überarbeitung des ursprünglichen Beitrags separat online veröffentlicht.