Datenschutz und Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Allgemeines
Viele Beschäftigte und auch Dienstgeber gehen davon aus, dass das "Gesetz über den kirchlichen Datenschutz - KDG" und der dort in § 53 geregelte Beschäftigtendatenschutz die umfassenden Datenschutzregelungen für die Caritas seien.
1. Beschränkter Anwendungsbereich des Gesetzes
über den kirchlichen Datenschutz
Tatsächlich erfassen das KDG und das Bundesdatenschutzgesetz nur die vom Rechtsträger/Unternehmen verantwortete ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nichtautomatisierte, aber systematische Ordnung von personenbezogenen Daten.
Beispiel: Ordnung von Personalakten nach dem Alphabet, Ordnung von Gesprächsprotokollen nach dem Zeitpunkt der Erstellung.
Vom KDG nicht erfasst werden
- alle personenbezogenen Daten der Kunden, Patienten, Ratsuchenden, die Mitarbeitende im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit erheben, verarbeiten und verwenden, die aber nicht digital verarbeitet werden und auch nicht in einen Datei-/Karteisystem gespeichert werden sollen (§ 2 Abs. 1 KDG),
- alle mündlichen, schriftlichen oder digitalen Äußerungen im engsten Familien- und Freundeskreis (siehe Abschnitt 3),
- die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Mitarbeitenden (§ 53 KDG enthält keine eigenen Regelungen und ist höchstwahrscheinlich europarechtswidrig).1
2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Im staatlichen Arbeitsrecht ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vom Bundesgerichtshof2 und vom Bundesverfassungsgericht3 aus Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz der Menschenwürde) abgeleitet worden. Es schützt seit Jahrzehnten Kernelemente der Persönlichkeit des Menschen: die Achtung der Menschenwürde und die Handlungs- und Verhaltensfreiheit.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist von Dienstgebern und Beschäftigten der Caritas auch dann zu beachten, wenn und soweit einschlägige kirchliche Rechtsvorschriften bestehen; denn es gehört zu den "für alle geltenden Gesetzen." Deren Anwendung kann durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 2 WRV). Deshalb sind auch die staatlichen Gerichte, insbesondere die Arbeitsgerichte und die ordentlichen Gerichte stets - allein, zusätzlich oder alternativ zu den kirchlichen Datenschutzgerichten - zuständig, wenn es beispielsweise um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bzw. aus unerlaubten Handlungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG).4
Wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts stehen den Betroffenen Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und/oder Ersatz des Vermögens- und des Nichtvermögensschadens nach den Vorschriften des BGB und/oder des Datenschutzes zu (siehe Abschnitt 3).
2.1 Drei-Sphären-Modell
Um das Ausmaß von Persönlichkeitsverletzungen in einem ersten Schritt zu erfassen, haben die Gerichte das Drei-Sphären-Modell entwickelt. Die Grenzen sind fließend.
Zu unterscheiden sind Eingriffe in die
- Intimsphäre,
- Privatsphäre,
- Sozialsphäre.
2.1.1 Intimsphäre
Die Intimsphäre, der unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung, wird am stärksten geschützt. Zu ihr gehören das selbstbezogene Denken und Erleben, Selbstgespräche und Tagebuchaufzeichnungen, religiöse Gedankenwelt, Informationen über die Gesundheit und der Sexualbereich.
Die Intimsphäre ist unantastbar.
Beispiele: Erzieherin in einem Kinderheim liest das Tagebuch eines Mädchens, um sich über dessen Probleme zu informieren.
Bei konkreter Suizidgefahr kann ein derartiger Eingriff ausnahmsweise erlaubt sein. Dieser könnte allerdings die notwendige Vertrauensbasis für eine wirksame Hilfe gefährden bzw. dauerhaft ausschließen.
2.1.2 Privatsphäre
Die Privatsphäre ist beschränkt auf den engsten Familien- und Freundeskreis und damit auf alle Informationen, die man Dritten normalerweise nicht mitteilt, beispielsweise familiäre Auseinandersetzungen und Planungen, wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse, Krankheiten, Meinungen und Überzeugungen von Familienmitgliedern und Freunden. Insoweit besteht starker Vertrauensschutz.
Dieser besteht für die weitere Verwandtschaft, Freunde und Kollegen nur dann, wenn Vertraulichkeit vereinbart wurde oder erwartet werden konnte.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer beleidigt in einer privaten Chatgruppe von sieben Arbeitskollegen seinen Arbeitgeber grob. Vertraulichkeit ist allein aus der Zugehörigkeit von sieben befreundeten und teils verwandten Arbeitskollegen, nicht abzuleiten. Deshalb konnte der Arbeitgeber auf die Chatprotokolle zugreifen und das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen.5
2.1.3 Sozialsphäre
Zur Sozialsphäre gehört das soziale und berufliche Leben eines Menschen, das in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis, in der Einrichtung oder in der Öffentlichkeit stattfindet. Die Behauptung wahrer Tatsachen, die Vorgänge aus der Sozialsphäre betreffen, muss grundsätzlich hingenommen werden; denn das Persönlichkeitsrecht verleiht keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es einem gefällt.6 Die Meinungsfreiheit des Informationsanbieters und das allgemeine Informationsinteresse können bei ungünstigen und kritischen Bewertungen ("Die fiesen Tricks der …") das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen über seine personenbezogen Daten einschränken.
Besondere Umstände können aber ausnahmsweise den Schutz der Persönlichkeit in den Vordergrund stellen: So haben Gerichte ein "Recht auf Vergessen", d. h. ein Recht auf Löschung von Daten bzw. Links u. a. in folgenden Fällen anerkannt:
- Google wurde verpflichtet, offensichtlich unrichtig gewordene Inhalte aus dem Suchindex zu entfernen.7
- Eine Tageszeitung hat aus Archiv und Internet alle Informationen über die Beteiligung eines Arztes an einem 15 Jahre zurückliegenden Verkehrsunfall zu entfernen.8
Abgelehnt wurde ein Recht auf Vergessen durch Entfernung des Namens aus einem im Internet abrufbaren Presseartikel, wenn und solange noch ein Interesse der Öffentlichkeit besteht:
- Abgewiesen wurde die Klage des ehemaligen Geschäftsführers einer Wohlfahrtsorganisation gegen ein Presseorgan, das vor zehn Jahren mit Nennung des Namens berichtet hatte, dass der Kläger sich kurz vor dem Bekanntwerden eines finanziellen Defizits von fast einer Million Euro krankgemeldet hatte.9
- Die Mörder eines bundesweit bekannten Schauspielers haben auch nach 16-jähriger Haft keinen Anspruch auf Löschung ihres Namens in Artikeln im Internet.
3. Ansprüche wegen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts
Wird das Persönlichkeitsrecht verletzt, hat der Betroffene nach den Vorschriften des BGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung zunächst Anspruch auf Unterlassung, Widerruf, Entfernung/Löschung unzutreffender oder rechtswidriger Informationen und Äußerungen sowie einer Gegendarstellung (siehe Abschnitt 3.1).
Beispiele: Falschbehauptungen, Beleidigungen, Mobbinghandlungen
Die Zahlung von Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld kann nur verlangt werden, wenn diese vorrangigen Möglichkeiten nicht ausreichen (siehe Abschnitt 3.2).
3.1 Anspruch auf Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung usw.
Der Anspruch auf Unterlassung, Widerruf, Berichtigung, Ergänzung, Entfernung unzutreffender oder ehrverletzender Angaben wird von der Rechtsprechung aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB abgeleitet. Er setzt kein Verschulden voraus und besteht nur, wenn mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB).
3.2 Anspruch auf Ersatz des Vermögens- und des Nichtvermögensschadens
Ersatz eines eingetreten Vermögensschadens kann nach § 823 Abs. 1 BGB verlangt werden, weil das Persönlichkeitsrecht ein sonstiges Recht im Sinne der Vorschrift ist.
Anspruch auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens (Schmerzensgeld) besteht nur wegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung, für die kein anderer Ausgleich möglich ist.10
Sehen Sie hierzu den Beitrag: "Geldentschädigung wegen Aufdeckung der Identität eines Missbrauchsopfers".
4. Strafbare Verletzungen des Persönlichkeitsrechts
Bei bestimmten schweren Verletzungen des Persönlichkeitsrechts kann der Verletzende nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Beleidigung (§§ 185 f-200) bzw. über die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereiches (§§ 201-210) zu Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt werden.
1 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 30.03.2023 - C -34/21, Rn 89.
2 Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.05.1954 - I ZR 211/53, Rn 15ff.
3 Bundesverfassungsgericht 120, 180, 213 f. (Caroline von Monaco III).
4 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.06.2017 - 6 AZR 495/16, Rn 10;
Arbeitsgericht Trier, Urteil vom 06.09.2023 - 1 Ca 129/23, Rn 18, 19.
5 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2023 - 2 AZR 17/23, Rn 28ff.
6 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.06.2016 - 1 BVr 3487/14, Rn 14.
7 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.12.2022 - C 460/20, Vorlagefrage 1.
8 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 22.06.2021 - 57292/16.
9 Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18.
10 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.06.2017 - 6 AZR 495/16, Rn 10;
Arbeitsgericht Trier, Urteil vom 06.09.2023 - 1 Ca 129/23, Rn 18, 19.