Datenschutz: Anspruch auf Löschung personenbezogener Informationen (Recht auf Vergessen)
1. Anspruch auf Entfernung von Links zu offensichtlich
unrichtigen Inhalten aus dem Internet
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Der Suchmaschinenbetreiber Google muss offensichtlich unrichtige Inhalte aus dem Suchindex entfernen (Art. 17 DSGVO - Recht auf Vergessen). Der Betroffene hat die Unrichtigkeit gegenüber Google nachzuweisen. Eine gerichtliche Entscheidung gegen den, auf dessen Website der gerügte Inhalt veröffentlicht wird, ist für den Nachweis nicht erforderlich.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.12.2022 - C-460/20, zu Vorlagefrage 1.
2. Anspruch auf Entfernung von Fotos aus dem Internet
Die Anzeige von Fotos der betroffenen Person nach einer namensbezogenen Suche im Internet kann einen besonders starken Eingriff in die Rechte auf Schutz des Privatlebens und in die personenbezogenen Daten dieser Person darstellen. Sie ist nur zulässig, wenn die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, dass den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos haben.
Ist das Aussehen der abgebildeten Personen ohne Bedeutung für eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse, ist die Anzeige von Fotos in aller Regel nicht erforderlich und deshalb unzulässig.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.12.2022 - C-460/20, zu Vorlagefrage 2.
3. Anspruch eines Arztes auf Anonymisierung im
Internet und in Online-Archiven nach Beteiligung an einem tödlichen Unfall
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass der Chefredakteur einer Tageszeitung aus deren Archiv und aus dem Internet Informationen über einen Arzt und dessen Beteiligung an einem 15 Jahre zurückliegenden tödlichen Verkehrsunfall zu entfernen hat. Der Arzt war verurteilt worden und hatte seine Strafe verbüßt.
Zwar habe die Presse das Recht, Archive zur Verfügung zu stellen. Jedoch habe der Schutz der Privatsphäre Vorrang, wenn es nicht um einen Beitrag zu einer öffentlichen Debatte gehe. Der Arzt als eine nicht weithin bekannte Person habe das Recht, nicht ein ganzes Leben lang mit einem tödlichen Unfall in Verbindung gebracht zu werden.
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 22.06.2021 - 57292/16.
Anmerkung: Aus dem Urteil lässt sich ableiten, dass selbst Personen, die wie ein Arzt in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich durchaus bekannt sind, ein Recht auf Vergessen der personenbezogenen Daten haben, wenn an deren Veröffentlichung kein öffentliches Interesse mehr besteht. Das Gericht hatte nicht zu prüfen, ob das Recht auf Vergessen schon vor Ablauf von 15 Jahren entstanden war.
In der Bundesrepublik Deutschland verbieten die Vorschriften über die Tilgung von Eintragungen im Strafregister bzw. über die Nichtaufnahme von Verurteilungen in das Führungszeugnis, dass strafrechtliche Verurteilungen strafffällig gewordenen Personen aus Gründen der Resozialisierung im Rechtsverkehr schon nach drei, fünf, zehn oder zwanzig Jahre nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden dürfen (§ 51 Bundeszentralregistergesetz).1
4. Kein Anspruch des Geschäftsführers eines Wohlfahrtsverbandes auf Anonymisierung nach defizitärer Geschäftsführung
Der Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation hatte sich im Jahr 2011 kurz vor dem Bekanntwerden eines finanziellen Defizits von fast einer Million Euro krankgemeldet. Darüber berichtete die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers.
Seine Klage gegen den Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen, hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellte fest, das Interesse des Klägers müsse auch bei Berücksichtigung des Zeitablaufs hinter den Interessen der Suchmaschine, den Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit sowie den Interessen der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurücktreten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18.
5. Kein Anspruch der Sedlmayer-Mörder auf Vergessen
Die zwei Beschwerdeführer waren in den 90er-Jahren wegen Mordes an dem populären Schauspieler Walter Sedlmayer 1993 zu lebenslanger Haft verurteilt und nach 16 Jahren aus der Haft entlassen worden.
Der "Spiegel", das "Deutschlandradio" und der "Mannheimer Morgen" hatten Artikel, die den Namen der Beschwerdeführer enthielten, dauerhaft im Internet zugänglich gemacht.
Die verurteilten Mörder machten geltend, dies verletze ihr Recht auf Privatleben. Sie hätten ihre Strafe verbüßt und ein Recht darauf, nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Gerichtshof meinte, dass es trotz der langen Zeit, die vergangen sei, noch ein öffentliches Interesse an der Information gebe.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 28.06.2018 - Az. 60798/10 und 65599/10.
1 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.10.2020 - 2 C 41/18, Rn 24.