Brillen und Brillenreparatur: Kostenübernahme durch Sozialleistungsträger und Arbeitgeber
1. Grundsicherung und Sozialhilfe - SGB II und SGB XII
Für Brillen, Kontaktgläser und andere "therapeutische Mittel und Geräte" sind im Regelbedarf von Erwachsenen derzeit monatlich insgesamt 2,23 Euro enthalten: Daraus leitet das Bundessozialgericht ab, dass Bezieher von Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Brille haben. Das gilt auch, wenn wegen veränderter Sehstärke nur die Brillengläser ausgetauscht werden (§ 21 Abs. 6 SGB II; § 30 Abs. 10 SGB XII).1
Der Höhe nach ist der Anspruch unter Berücksichtigung des Gebots der Wirtschaftlichkeit auf das medizinisch Notwendige begrenzt. Medizinisch notwendig sind in aller Regel nur die Brillengläser und die Brillenfassung. Die Versorgung mit Kontaktlinsen ist auf medizinisch zwingend erforderliche Ausnahmefälle beschränkt.
Bei Beziehern von Grundsicherung bzw. Sozialhilfe kann das Sozialamt, insbesondere wenn ein unabweisbarer Bedarf vorliegt, die angemessenen Kosten einer Sehhilfe nach § 73 SGB XII übernehmen.2
Die Kosten einer Reparatur, durch die eine beschädigte Brille wieder nutzbar gemacht wird, sind stets vom Sozialleistungsträger zu übernehmen. Darlehen sind nicht zulässig (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II bzw. § 31 Abs.1 Nr. 3 SGB XII).
Dieser kann die Übernahme der Reparaturkosten nur ablehnen, wenn ein anderer Sozialleistungsträger vorrangig verpflichtet ist (gesetzliche Krankenkasse, Berufsgenossenschaft, Träger der Eingliederungshilfe, Pflegeversicherung).
2. Krankenversicherung - SGB V
Die Sehschärfebestimmung beim Augenarzt ist eine Kassenleistung. Nach wie vor beteiligen sich die Krankenkassen aber nur sehr eingeschränkt an den Kosten für Brillen und Kontaktlinsen.
Ausnahmen gelten für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und stark sehbeeinträchtigte Menschen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V).
Für Erwachsene sind therapeutische Sehhilfen nur erstattungsfähig, wenn sie der Behandlung von Augenverletzungen oder von Augenerkrankungen dienen, oder aber eine schwerwiegende Augenerkrankung beider Augen vorliegt. Der Anspruch umfasst nicht die Kosten des Brillengestells (§ 33 Abs. 2 Satz 3 SGB V).
Anspruch auf Versorgung mit therapeutischen Sehhilfen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in der Hilfsmittel-Richtlinie bestimmt, bei welchen Indikationen therapeutische Brillengläser oder Kontaktlinsen - ärztlich verordnet werden können.
Wählen Versicherte in anderen Fällen statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen, zahlt die Krankenkasse als Zuschuss zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte (§ 33 Abs. 3 SGB V).
3. Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII:
Beschädigung von Brillen während der Arbeit, in
Kitas und Schulen
Im Unterschied zur gesetzlichen Krankenversicherung werden von der gesetzlichen Unfallversicherung die Kosten für Brillen, Kontaktlinsen und anderen Sehhilfen sowie für Beschädigung oder Verlust von Brillengläsern und Brillengestell übernommen (§ 8 Abs. 3 SGB und § 31 SGB VII).3
Die Übernahme setzt voraus, dass das Hilfsmittel bei der versicherten Tätigkeit infolge eines Unfalls beschädigt oder unbrauchbar wurde oder verloren ging. Versichert ist die Ausübung der beruflichen Tätigkeit bzw. der Aufenthalt in der Kita und die Teilnahme am Unterricht sowie die Zurücklegung des Weges zur Arbeitsstelle bzw. zur Kita oder Schule/Hochschule und zurück.
Beispiele: Bei einer Prügelei auf dem Schulweg zerbricht die Brille eines Schülers.
Die Brille einer Erzieherin im Kinderheim oder einer Altenpflegerin im Altenheim wird von einem Kind/einer Bewohnerin zerbrochen.
Arbeitgeber, die Einrichtungsleitung bzw. Schul-/Hochschulleitung haben den Unfall dem zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger zu melden, damit die Eltern ihren Ersatzanspruch geltend machen können. Deshalb sollten Eltern insbesondere bei Wegeunfällen die Leitung möglichst zeitnah informieren, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.
Für Brillengläser werden die Kosten für einen gleichwertigen Ersatz der Gläser in der nachgewiesenen Höhe erstattet.
Die Kosten für die Brillenfassung werden bei Nachweis bis 300 Euro, bei fehlendem Nachweis der Kosten der beschädigten oder verloren gegangenen Brille bis zur Höhe von 100 Euro erstattet. Im Einzelfall ist eine Versorgung ohne Deckelung der Kosten möglich.4
4. Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - SGB IX
Als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben haben Menschen mit Behinderungen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Sehhilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind
- zur Berufsausübung,
- zur Teilhabe an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben,
- zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz oder
- zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz selbst.
Der Anspruch besteht nicht, wenn eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können (§ 49 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX).
Zuständig ist die Bundesagentur für Arbeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 5 Nr. 2 SGB IX).
5. Bildschirm- und Arbeitsschutzbrillen
Arbeitnehmer, die wegen einer Sehbeeinträchtigung oder einer besonderen Gefährdung eine besondere Brille an ihrem Arbeitsplatz benötigen, wie z. B. eine Bildschirmbrille, können von ihrem Arbeitgeber Gestellung bzw. Kostenübernahme verlangen, wenn normale Sehhilfen, z. B. eine "Lesebrille", die Beeinträchtigung nicht kompensieren können (Teil 4 II Nr. 1 Anhang ArbMedVV).
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen hat, dass die "Bildschirmbrille" am Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Er hat die Kosten in vollem Umfang zu tragen (§ 3 Absatz 3 ArbSchG). Eine Kostenbeteiligung des Beschäftigten ist nur zulässig, wenn die private Nutzung gestattet wird.
Ausführliche Erläuterungen bietet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung:
www.brillen-sehhilfen.de/bildschirmbrillen/vorschrift-arbeitsschutzbrillen.pdf
1 Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2019 - B 8 SO 13/18 R.
2 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, Leitsatz 4;
Bundessozialgericht; Urteil vom 12.05.2021 - B 4 AS 88/20 R, Rn 20.
3 www.dguv.de/medien/inhalt/reha_leistung/richtlinien_uvt/hilfsm_vo.pdf (Abschnitt 4.7)
4 So: www.bgetem.de ("Brille")
Der Beitrag wurde im Juni 2024 umfangreich aktualisiert und inhaltlich deutlich erweitert. Somit weicht er auch inhaltlich von dem ursprünglichen Beitrag "Brillen: Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen, Unfallversicherungsträger und Arbeitgeber" aus der gedruckten Fassung der Ausgabe 3/2017 (Juli 2017) des Recht-Informationsdienstes ab.