„Bildungsurlaub“ für Arbeitnehmer – Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW –
Übersicht
1. Anspruchsvoraussetzungen
2. Antrag des Arbeitnehmers auf Freistellung
3. Dauer der Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung
4. Entscheidung des Arbeitgebers
5. Gegenerklärung des Mitarbeiters zur Selbstbeurlaubung
6. Erwirkung einer gerichtlichen Entscheidung durch den Arbeitgeber
7. Anrechnung von Freistellungen zu anderen Bildungsveranstaltungen
8. Schadensersatzanspruch bei rechtswidriger Ablehnung der
Freistellung
→ Anhang: Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG)
1. Anspruchsvoraussetzungen
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Arbeitnehmereigenschaft: Arbeitnehmer, auch Teilzeit- und befristet eingestellte (§ 3 TzBfG), Auszubildende und Berufspraktikanten (§ 3 BBiG).
- Betriebsgröße: In der Dienststelle müssen mindestens 10 Arbeitnehmer tätig sein (§ 3 Abs. 7 Satz 2). In Dienststellen mit bis zu 50 Arbeitnehmern gilt die Einschränkung nach § 3 Abs. 7 Satz 1.
- Wartezeit: sechsmonatiges Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Abs. 3).
- Bildungsveranstaltung eines anerkannten Trägers der Weiterbildung gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes (§ 9).
- Zeitlich ausreichendes Arbeitsprogramm während der Bildungsveranstaltung: in der Regel täglich acht, mindestens aber sechs Unterrichtsstunden von mindestens 45 Minuten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4).
- Inhalt des Arbeitsprogramms: politische oder berufliche Bildung.
Politische Arbeitnehmerweiterbildung muss das Verständnis der Beschäftigten für aktuelle gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge innerhalb der Bundesrepublik fördern.
Beispiel: "Demographischer Wandel und Sozialstaat"
Berufliche Arbeitnehmerweiterbildung muss die berufsbezogene Handlungskompetenz der Beschäftigten fördern oder deren berufliche Mobilität verbessern. Sie ist nicht auf die bisher ausgeübte Tätigkeit beschränkt. Bildungsinhalte, die sich nicht unmittelbar auf eine ausgeübte berufliche Tätigkeit beziehen, sind aber nur eingeschlossen, wenn sie in der beruflichen Tätigkeit zumindest zu einem mittelbar wirkenden Vorteil des Arbeitgebers verwendet werden können.
Beispiel: Spanisch-Sprachkurs, wenn Spanisch-Kenntnisse für die Tätigkeit nützlich sind.
Ausgenommen sind die in § 9 Abs. 2 genannten Bildungsveranstaltungen.
2. Antrag des Arbeitnehmers auf Freistellung
Frist: Der Arbeitnehmer muss so frühzeitig wie möglich, mindestens sechs Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme, die Freistellung beantragen (§ 5 Abs. 1 Satz 1).
Form: Der Antrag ist schriftlich unter Beifügung des Nachweises der Anerkennung der Bildungsveranstaltung und des Programms zustellen, aus dem sich Zielgruppe, Lernziele und Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergeben (§ 5 Abs. 1 Satz 2).
3. Dauer der Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Freistellung für die Dauer von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr. Bei regelmäßiger Arbeit an mehr oder weniger als fünf Tagen wird der Anspruch entsprechend angepasst (§ 3 Abs. 1 und 2).
Der Anspruch von zwei Jahren kann zusammengefasst werden. Dazu ist ein Antrag des Arbeitnehmers vor Ablauf des Kalenderjahres erforderlich.
Eine Übertragung auf das folgende Kalenderjahr erfolgt, wenn der Arbeitgeber die Freistellung unter Berufung auf § 5 Abs. 2 abgelehnt hat (§ 3 Abs. 4).
4. Entscheidung des Arbeitgebers
Zustimmung: Der Arbeitgeber kann seine Zustimmung formlos erklären.
Ablehnung: Der Arbeitgeber darf die Freistellung zu dem vom Arbeitnehmer mitgeteilten Zeitpunkt nur ablehnen, wenn zwingende dienstliche Belange oder Urlaubsanträge anderer Arbeitnehmer entgegenstehen (§ 5 Abs. 2).
Die Ablehnung muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Mitarbeiters schriftlich unter Angabe der Gründe erklären. Die Verweigerung ist u. a. begründet, wenn
- die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen (Betriebsgröße, Wartezeit),
- die Bildungsveranstaltung nicht von einem anerkannten Träger der Weiterbildung durchgeführt wird,
- die Inanspruchnahme nicht form- oder fristgerecht erfolgt ist,
- zwingende dienstliche Gründe oder die Urlaubsanträge anderer Mitarbeiter der Freistellung entgegenstehen (§ 5 Abs. 2),
- die Maßnahme nicht den zeitlichen Anforderungen des § 5 Abs. 5 entspricht
- die Maßnahme ihrem Inhalt nach nicht der politischen bzw. beruflichen Bildung dient (§ 1),
- die Maßnahme der Erholung, der Unterhaltung, der privaten Haushaltsführung, der Körper und Gesundheitspflege, der sportlichen, künstlerischen oder kunsthandwerklichen Betätigung oder der Vermittlung entsprechender Kenntnisse oder Fertigkeiten dient bzw. auf das Einüben psychologischer oder ähnlicher Fertigkeiten gerichtet ist oder auf den Erwerb von Fahrerlaubnissen oder ähnlichen Berechtigungen vorbereitet (§ 9 Abs. 2).,
- die Maßnahme als Studienreise oder mehr als 500 km entfernt von der Grenze des Landes NRW stattfindet. Zulässig sind Veranstaltungen an Orten von Gedenkstätten oder Gedächtnisorten der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (§ 9 Abs. 2).
5. Gegenerklärung des Mitarbeiters zur
Selbstbeurlaubung
Der Arbeitnehmer kann binnen einer Woche nach Zugang der Weigerungserklärung dem Arbeitgeber schriftlich erklären, dass er an der Bildungsveranstaltung teilnehmen wird, wenn der Arbeitgeber die Freistellung aus anderen Gründen als denen des § 5 Abs. 2 verweigert (§ 5 Abs. 4 Satz 1).
In diesem Falle darf er an der Veranstaltung auch ohne Freistellung teilnehmen. Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 hat er aber nur, wenn der Arbeitgeber die Freistellung zu Unrecht verweigert hat.
6. Erwirkung einer gerichtlichen Entscheidung durch den
Arbeitgeber
Der Arbeitgeber kann das Selbstbeurlaubungsrecht nur dadurch ausschließen, dass er - im Eilverfahren - eine arbeitsgerichtliche Entscheidung erwirkt, die der Teilnahme des Mitarbeiters an der Bildungsveranstaltung entgegensteht (§ 5 Abs. 4 Satz 2).
Erwirkt er eine derartige Entscheidung nicht, steht ihm kein Anspruch auf Ersatz eines durch die Selbstbeurlaubung entstandenen Schadens zu (§ 5 Abs. 4 Satz 4).
7. Anrechnung von Freistellungen zu anderen
Bildungsveranstaltungen
Der Arbeitgeber kann Freistellungen zur Teilnahme an anderen Bildungsveranstaltungen anrechnen, soweit dem Arbeitnehmer uneingeschränkt das Erreichen der in § 1 niedergelegten Ziele möglich und die Anrechenbarkeit vorgesehen ist (§ 4 Abs. 1).
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Teilnahme an einer dienstlich veranlassten Bildungsveranstaltung frei, kann er davon bis zu zwei Tage im Kalenderjahr auf den Freistellungsanspruch von fünf Tagen im Kalenderjahr anrechnen. Die Anrechnung hat er dem Mitarbeiter mindestens sechs Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich mitzuteilen (§ 4 Abs. 2).
8. Schadensersatzanspruch bei rechtswidriger
Ablehnung der Freistellung
Lehnt der Arbeitgeber die vom Mitarbeiter beantragte Freistellung zu Unrecht ab, so entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres ein Schadensersatzanspruch auf Freistellung.
→ Anhang: Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG)