Asylbewerberleistungsgesetz: Unerlässliche medizinische Behandlung eines Minderjährigen
Denn bei Kindern ist die Deckung besonderer Bedürfnisse geboten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG).
Der Behandlungsanspruch des Antragstellers ist nicht ausgeschlossen, weil seine Eltern in die Bundesrepublik eingereist sind, um eine komplizierte Operation durchführen zu lassen (§ 1a Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 Asylbewerberleistungsgesetz); denn ihm ist dieses Verhalten der Eltern nicht zuzurechnen, weil er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, so dass es auf ein bei ihm vorliegendes Einreisemotiv nicht ankommt (Seite 8 der Urteilsbegründung).
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass er sich wegen seines anhängigen Asylverfahrens voraussichtlich noch längere Zeit in der BRD aufhalten wird und dass er nach Ablauf der 18-monatigen Wartezeit Leistungen entsprechend dem Leistungsniveau der Gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen kann.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.06.2023 - L 8 AY 16/23 B ER
Sachverhalt
Die Eltern des 2006 geborenen Antragstellers reisten mit ihm im Jahr 2022 aus Georgien ein, um ihn in der BRD operieren und behandeln zu lassen. In Georgien wäre nur eine Beinamputation möglich gewesen.
Der Antragsteller leidet seit seiner Geburt an einer chronisch-progressiv verlaufenden Erkrankung (hypophosphatämische Rachitis). Folgen dieser Erkrankung sind Kleinwuchs, schwere Knochenwachstumsstörungen, eine Deformation des Brustkorbes sowie eine ausgeprägte Achsenfehlstellung in den Kniegelenken. Seine insbesondere seinen Nachtschlaf beeinträchtigenden Dauerschmerzen mit einer sehr starken Schmerzintensität (von 4 bis 5 auf einer Skala von 0 bis 5) können nur geringfügig durch Analgetika reduziert werden (auf eine Intensität von 3). Er benötigt einen Rollstuhl.
Die untersuchenden Ärzte und das Gesundheitsamt sprachen sich für eine zeitnahe chirurgische Operation des Antragsstellers in einer Spezialklinik aus. Es sei zu erwarten, dass die Gehfähigkeit ohne Hilfsmittel wieder hergestellt wird und die Dauerschmerzen bis hin zur Schmerzfreiheit reduziert werden. Die voraussichtlichen Operationskosten würden rund 17.600 Euro betragen.
Der zuständige Landkreis lehnte die Übernahme der Kosten ab. Die gegen die Ablehnung gerichtete Klage ist noch anhängig.
Anmerkung: Auch das Landessozialgericht Hessen hat entschieden, dass die Krankenbehandlung dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen muss (Urteil vom 11.06.2018 - L 4 AY 9/18 B AR).